Russland

Russland, Moskau: Basiliuskathedrale

Tundra, Taiga, Zaren, Kälte, ein schier endloses Land: Für seine Größe spielen nur wenige Fantasyromane in Russland, das auf viele eine besondere Faszination ausübt. Prominent sind Anleihen aus der slawischen Mythologie, bei Märchen und Volkserzählungen. In modernerem Settings spielen auch die Sowjetunion und ihr Vermächtnis eine Rolle. Diese ist zudem mitverantwortlich für den Mangel an russischer Fantasy: In der Sowjetunion wurden Übernatürliches, Fantasy und magischer Realismus stark zensiert.

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Faszinierend Fremd

Russland bleibt für viele Deutsche und andere Westeuropäer ein fremdes Land. Man verbindet es mit Putin, Autokratie und politischen Spannungen. Schaut man in die Vergangenheit, denkt man fast unweigerlich an Zaren, die orthodoxe Kirche (und die markanten Zwiebeltürme der Gotteshäuser). Geografisch ist die enorme Größe des Landes zwar bewusst, aber selten gänzlich realisiert. Für viele ist Russland auch ein kaltes Land, geprägt von Winter, Weite und Schnee. Hinzu kommen viele Stereotypen und Vorurteile, in jüngerer Zeit auch das Vermächtnis der Sowjetunion. Russische Geschichte? Darüber wissen die wenigsten mehr als Kleinigkeiten.

Dies hängt damit zusammen, dass vergleichsweise wenig Englisch (und andere Sprachen) gesprochen wird. Der Nationalismus in slawischen Nationen, insbesondere in Russland, ist vergleichsweise stark ausgeprägt. Und: Der kulturelle Hintergrund ist ein gänzlich anderer als in Westeuropa. Übersetzungen und Austausch wurden durch diese Gegebenheiten erschwert - und gerade im Bereich der Fantasy fand zudem eine starke Zensur statt (s. u.).

Von genau dieser Fremdheit leben einige in Russland spielende Romane: Sie bringen oft andere, neue Motive und Figuren, die man so nicht kennt.

Fantasyromane in Russland

Grob kann man zwei Arten Russland-Fantasy unterscheiden: Fantasy von russischen Autoren (s. u.) und Fantasy westlicher Autoren, die in Russland spielt - sei es das echte Russland oder eine fiktionalisierte Version.

Fast immer orientiert sich eine solche Fantasy an der slawischen Mythologie mit Figuren wie Baba Yaga, Koschtschei dem Todlosen oder dem Feuervogel. Die Inspirationsquelle ist meist sehr klar zu identifizieren. Historische Begebenheiten werden meist nur vereinzelt oder in breiten Linien verarbeitet.

Moderne, urbane Fantasy existiert fast nicht. Das mag an der relativen Unbekanntheit der Kultur und ihren Eigenheiten liegen. Recht verbreitet und aus der jüngeren Geschichte stammend sind fantastisch angereicherte Mythen um den Mystiker Grigori Rasputin (1869-1916), der scheinbar/angeblich nicht sterben wollte (vgl. Wikipedia). Auch die Nachthexen des Zweiten Weltkriegs (ein Bomberregiment aus Frauen, die in der Stille in der Nacht ohne Motoren angriffen) werden gelegentlich um das Fantasy-Element ihrer Namensgeberinnen angereichert.

Mit am bekanntesten für die Handlung in einem fiktionalisierten Russland dürfte Leigh Bardugos Grischa-Trilogie sein.

Fantastische Literatur aus Russland

Schaut man auf die andere Seite und sucht Fantasy von russischen Autoren, wird man nur wenig finden. Zu den kulturellen und übersetzungstechnischen Problemen gesellt sich nämlich eine starke Zensur in der Sowjetunion: Fantasy, Horror, Magischer Realismus und ähnliche waren stark betroffen. Einzige generelle Ausnahme waren Märchen, die sich ganz speziell an Kinder richteten.

Einige große Namen entgingen der Zensur ebenfalls, wie z. B.:

  • Alexander Veltmans Koshchei bessmertny: Bylina starogo vremeni (1833),
  • Der Wij [Вий] von Nikolai Gogol (1835),
  • die romantisch-fantastisch-skurrilen Erzählungen Alexander Grins (1915-1931),
  • oder Michael Bulgakovs Meister und Margarita [Мастер и Маргарита] (1928-1940, ca. ein Achtel wurde zensiert).

Oft wichen fantastische Themen auf die Theaterbühne aus und wurden dort eher als Fabeln mit allegorischem Übernatürlichen präsentiert. Übernatürlicher Horror hingegen existierte quasi nichts; Mythologie und Volkserzählungen fanden ihren Weg in den Film.

fantastika [фантастика]

Insgesamt unterscheidet das Russische zudem wenig zwischen Fantasy, Science-Fiction, Horror und Ähnlichem. Sie alle fallen hier unter fantastika [фантастика], das sich übersetzen ließe mit Phantastik im weiten Sinn oder sogar Fiktion.

fantaziya [фантазия] hingegen bezeichnet nicht das, was wir als Gattung Fantasy begreifen, sondern viel mehr Träume und Visionen. Schauerromane mit übernatürlichen Elementen zählt man eher zur misitka [мистика].

Dies alles führt dazu, dass die Fantasy in Russland kaum entwickelt ist. Dabei gab es Science-Fiction mit Utopien in imaginierten Reisen bereits im 14. Jahrhundert; und noch heute denkt man bei Russland eher an Science-Fiction-Autoren denn an Verfasser von Fantasy.

Quellen und Verweise

Avatar von nico Artikel von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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