Halloween
Halloween, der 30. Oktober: ein Tag oder vielmehr eine Nacht der Geister, Dämonen und anderer übernatürlicher Wesen. Das moderne Halloween wie wir es kennen, ist stark amerikanisch geprägt. Dennoch behält es viel von den keltischen Ursprüngen des Samhain (gesprochen: sah-win) bei: In dieser Nacht ist die Grenze zu anderen Welten dünn - insbesondere zum Totenreich. Auch im Christentum spiegelt sich dies wieder: Hier feiert man am nächsten Tag Allerheiligen. Diese und andere Traditionen mischen sich auch bei der Darstellung in der Fantasy.
Inhalt
Bücher
Halloween in der Fantasy
Wenn man versucht, Halloween über verschiedene Romane auf einen Nenner zu bringen, stellt man zwei Dinge fest. Erstens: Der Kern unterschiedet sich nicht allzu sehr. Zweitens: Regional und im Rahmen des Romans sind die Unterschiede aber mitunter groß.
Das hat seinen Grund im Ursprung von Halloween. Das Fest ist sowohl religiös, folkloristisch als auch mythisch stark verwurzelt. Bereits im irisch-keltischen Samhain galt dies als Zeit in der Geister umgehen und der Schleier zwischen Leben und Tod besonders dünn war. Andere Feste, Bräuche und Interpretationen bildeten sich um die Zeit herum.
Ein einzelnes Fantasy-Buch greift daher nie alle Erscheinungsformen oder Assoziationen auf. Vielmehr pickt sich ein Autor einige Facetten heraus und macht diese in seiner Fantasywelt real. Meist zeigt ein Werk nur ein oder mehrere Facetten und macht diese real. Dominant sind dabei vor allem die Ideen von Gefahr, einer dünnen Grenze zu anderen Welten und Mächten sowie eine Zeit der dunklen Magie.
Zeit der dunklen Magie
Manche Tage im Jahr sind besonders magisch, zum Beispiel Sylvester/Neujahr und die Walpurgisnacht. An beide diese Zeiten hat Halloween einen Anschluss: In manchen Kalendern markiert das Fest den Jahreswechsel; gleichzeitig ist Halloween das dunkle Gegenstück zu Beltaine, der Walpurgisnacht.
Zu Halloween werden dunkle Rituale besonders mächtig oder überhaupt erst möglich: Beschwörung von Dämonen und Untoten (Nekromantie) sind entweder besonders einfach oder haben besonders starke Effekte. Auch düstere Rituale zur Verlängerung des Lebens oder zur Erlangung der Unsterblichkeit fallen manchmal auf diese Nacht: Im Dresden-Verse stehlen die übernatürlichen Götter in dieser Nacht einander die Kraft; Unsterbliche können getötet werden und Sterbliche zu Göttern aufsteigen. Dabei sind die Motive selten gut. Halloween ist eine Zeit, zu der das Licht schwindet und die Mächte der Dunkelheit und des Verfalls an Macht gewinnen.
In moderner Fantasy wird dies selten als natürlicher Kreislauf der Jahreszeiten begriffen. Stattdessen betont Fantasy das Dunkle, Gefährliche an diesem Fest, bei dem alle auf der Hut sein sollten. Einer Geburt an Halloween wird häufig besondere Bedeutung zugemessen: Jene Menschen haben das Zweite Gesicht und sind vor bestimmter Magie geschützt oder ihr besonders zugeneigt. Seltener besinnt Fantasy sich auf die irisch-keltischen Ursprünge und die damit einhergehenden Rituale. Falls doch, ist schamanistische oder druidische Magie meist besonders mächtig.
Dünne Barriere zwischen den Welten
Nekromantie zu Halloween wird deshalb einfach, weil die Reiche von Leben und Tod einander nah sind wie sonst nie. Der Schleier zwischen den Welten wird dünn und erlaubt es, sowohl Geister Verstorbener zu rufen als auch Dämonen und Wesen aus anderen Welten zu beschwören. Auch Rituale für längeres Leben oder gar Unsterblichkeit fallen auf diesen Zeitpunkt.
Viele übernatürliche Wesen, die sonst auf ihre eigene Welt beschränkt sind, kehren aus eigener Kraft in der Welt der Sterblichen ein. Oft amüsieren sie sich dabei hemmungslos und selten zum Nutzen der Menschen. Für einige dunkle Wesen ist Halloween ein Höhepunkt ihrer Macht - und gleichzeitig der Zeitpunkt, an dem sie verwundbar sind. Denn zu Halloween können einerseits neue Götter entstehen; andererseits aber auch alte Götter sterben.
Neben den Untoten sind vor allem Geister und Dämonen ein beliebtes Halloween-Thema. Geister kehren oft zurück um sich zu rächen, ihre Nachkommen zu warnen oder Zeit mit den Geliebten zu verbringen. Auch manchen anderen Wesen wie den Fae gelingt zu Halloween der willentliche Übertritt in die Welt der Menschen. Zombies und andere wandelnde Leichen kehren eher selten aus eigener Kraft und mit intaktem Geist zurück - meist sind sie leere Hüllen und willenlose Diener eines Nekromanten.
All dies macht Halloween in der Fantasy nicht zu einem sorglosen Spaß, sondern zu einer ziemlich gefährlichen Zeit.
Zeitenwechsel
Halloween ist ein besonderer Zeitpunkt, eine Zeit auf der Schwelle, die einen Wechsel kennzeichnet (hier: Leben - Tod; Diesseits - Jenseits; Sommer - Winter; Licht - Dunkel: Jahreswechsel [s. u.]). Übergänge jeglicher Form gelten im Volksglauben oft als gefährlich. Dabei ist es egal ob es wirklich ein einziger Zeitpunkt (z. B. exakte Sekunde der Geburt) oder eine eigentlich graduelle Veränderung, die lediglich auf einen bestimmten Punkt verengt und in einen Gegensatz gesetzt wird (z. B. Jahreszeiten). Immer sind solche Wechsel auch symbolisch. In der Fantasy zeichnet sich der Übergang zu Halloween vor allem durch die Möglichkeit dunkler Magier aus (s. o.).
Mit den Dämonen, Geistern und Fae, die in der Welt der Sterblichen ihren Spaß haben, gerät Halloween zu einem Wettlauf. Die Menschen müssen bis zum Morgen durchhalten, wenn traditionell der erste natürliche Hahnenschrei die Macht der Übernatürlichen bricht.
Eher selten wird Halloween als ein Zeitpunkt im natürlichen Kreislauf gesehen: Damit etwas neu erblühen kann, muss auch etwas vergehen. Die übernatürlichen Wesen suchen bisweilen aber, genau diesen Zyklus zu durchbrechen oder in der Zeit dazwischen ihre Ziele zu erreichen.
Eine zyklischen Sicht sieht Halloween im Kontext der letzten Ernte und der sich stets wiederholenden Jahreszeiten. Eine stark abgewandelte Version findet man bei Terry Pratchett: Er stellt den farbenprächtigen Morris-Tänzern (Moriskentänzern) des Frühlings den Dark Morris am 1. Ember/ ~1. November gegenüber. Es ist ein Tanz ohne Zuschauer, Musik, Farben; ein Tanz in unheimlicher Stille, der dennoch stattfinden muss, damit der Winter kommen kann (siehe Der Winterschmied).
Realer Hintergrund & Volksglauben
Halloween geht ursprünglich zurück auf Samhain, eines der der vier großen irisch-keltischen Feste. Über Anknüpfungen an die christliche Kirche und Allerheiligen ist der aktuelle Bezug vor allem durch Amerika geprägt. Neuheidnische Bewegungen knüpfen mit sehr unterschiedlicher Authentizität an die Rituale an. In allen nahezu allen Belangen von Kostümen bis zu Süßigkeiten lassen sich die Gründe zurückverfolgen.
Das keltische Samhain
Samhain ist eines der vier großen irisch-keltischen Feste. Es kennzeichnet das Ende des Sommers, die letzte Ernte und die letzte Jagd; den Tag, an dem das Vieh endgültig von der Weide geholt wird. Samhain wird stets in der letzten Oktobernacht bis zur ersten Novembernacht gefeiert. In manchen Kalendern (z. B. dem Kalender von Coligny) gilt Samhain gleichzeitig als Jahreswechsel.
Ob Jahresende oder nicht: Dem keltischen Glauben nach ist der Schleier zwischen Leben und Tod in dieser Nacht sehr dünn und die spirituelle Energie sehr hoch. Die Toten können zwar nicht unbedingt zurückkehren, aber es ist möglich, mit ihnen zu kommunizieren. Diese spirituelle Energie und der dünne Schleier zwischen den Welten machen Samhain auch zu einem traditionellen Zeitpunkt für Prophezeiungen. Zyklisch betrachtet bildet Samhain den Gegenpart zum Beltaine (Walpurgisnacht bzw. 1. Mai). Gemeinsam werden sie als die beiden bedeutendsten Feste angesehen.
Einige Traditionen halten sich auch heute. Insbesondere in neoheidnischen Gemeinschaften ist es noch heute manchmal üblich, ein Dumb Supper abzuhalten. Dies ist ein Abendessen in vollkommenem Schweigen, während dem der Toten gedacht wird. In manchen Regionen stellt man den Geistern Essen vor die Tür, um sie milde zu stimmen.
Besonders in Schottland ist Samhain nicht nur die Nacht der Toten, sondern auch die Nacht der Hexen, der Hexen-/Schicksals-/Kriegsgöttin Morrigan und des blaugesichtigen Winterebers Calleach. Auch die Fae, die Aos Sídhe, sind ein Thema. Zu Samhain ziehen sie über die Hügel. In dieser Nacht dominieren ihre grausamen, launenhaften Aspekte und sie entführen Menschen in ihre Welt. Andererseits bietet Samhain die Gelegenheit, Geliebte von den Sídhe zurückzuholen. Hiervon erzählt zum Beispiel die bekannte Ballade Tam Lin.
Christliches Allerheiligen
Das christliche Allerheiligen wird des Öfteren direkt mit Samhain in Verbindung gebracht. Ursprünglich dürfte es jedoch nicht darauf zurückgehen: Bereits im 7. Jahrhundert wurde Allerheiligen in Regionen gefeiert, die keinen Kontakt mit keltischem Brauchtum haben. Außerdem wurde der Festtag am 13. Mai begangen und noch heute feiert die orthodoxe Kirche das Fest im Frühjahr.
Die katholische Kirche feiert Allerheiligen inzwischen bekanntermaßen am 1. November, also direkt auf Halloween folgend. Eine Verbindung liegt auch durch die thematische Nähe der zwei Feste nahe. Der Termin wurde aber wohl vor allem gewählt, um durch ähnliche Rituale Heiden zum Christentum zu konvertieren.
Eine gewisse Kritik gibt es bis in die Gegenwart: Allerheiligen als Stiller Tag liegt in einigem Kontrast zum zelebrierten Halloween des amerikanischen Mainstreams. Evangelikale Kirchen meinen auch, das bunte Treiben um Geister und Dämonen könne satanischen Vereinigungen Vorschub leisten. In Deutschland wird bisweilen beklagt, dass Halloween andere Traditionen wie das Martinssingen verdrängt.
Amerikanisches Halloween
Das Englische bringt uns zur heutigen Bezeichnung Halloween. Dies wurde abgekürzt aus All Hallows' Eve zu Hallowe'en und schließlich Halloween. Bezeichnet wird mit dieser Kontraktion der Abend vor Allerheiligen.
Unsere heutige Wahrnehmung ist von der amerikanischen Art des Halloweens geprägt: Wir verkleiden uns als Untote, Dämonen, Geister, Fae - als düstere, übernatürliche Wesen. Vielerorts klopfen Kinder und Jugendliche an Türen und verlangen Süßes oder Saures. Der Sinn dieser Bräuche ist auf den ersten Blick nicht klar, geht aber tatsächlich auf keltische Vorstellungen zurück: Mit einem Kostüm konnte man verhindern, dass böswillige Geister jemanden erkennen. Und falls böse Geister wissen, wo man wohnt, ist es naheliegend, sie an der Tür nett zu behandlen und ihnen lieber ein Geschenk an der Tür zu machen. Aus dem christlichen Bereich gibt es hier eine Verbindung mit den Türgebeten für Verstorbene. Das verbreitete Apfeltauchen wurde zum Wahrsagen benutzt. Die zwei bekanntesten Varianten: Einen Apfel zu fischen bringt Glück fürs kommende Jahr; und schält man den Apfel und wirft die Schale über die Schulter, so soll sie die einzig wahre Liebe anzeigen.
Das ikonische Symbol von Halloween ist der Kürbis. Ursprünglich war es übrigens eine Rübe: Den Kürbis gab es in Irland nicht und von dort stammt die Tradition. Der Kürbis wurde erst in Amerika von irischen Immigranten entdeckt und dort wurde die in den Kürbis geschnittene Fratze zu DEM Symbol für Halloween. Zurück geht dies auf die Sage von Jack mit der Laterne. Er war ein schlechter Mensch aber überlistete den Teufel mehrfach. Nach seinem Tod kann er nun weder in den Himmel noch in die Hölle gelangen. Er wandert ewig durch die Dunkelheit - nur mit seiner Laterne und ein wenig Glut aus dem Höllenfeuer. Die brennende Kerze im ausgehöhlten Kürbis hat wiederum einen Bezug zum Grablicht, das besonders gern an Allerseelen aufgestellt wird.
Modernes Wikka und Neuheidentum
Wikka und Neuheidentum greifen die keltischen Wurzeln des Samhain-Festes wieder auf. Oder sie glauben es, denn die Gestaltung ist sehr unterschiedlich und hat mit dem ursprünglichen Fest mitunter wenig zu tun. Vielmehr werden viele Elemente wahrgenommener Kultur verschmolzen.
Beliebt sind Freudenfeuer, wie in der Mainacht, insbesondere im Keltischen Rekonstruktionismus. Sie symbolisieren sowohl die anhaltende Präsenz der Sonne in der nun beginnenden dunklen Jahreszeit als auch einen Schutz gegen böse Geister. Traditionelle Tänze, Lieder, Spiele und Weissagung können solche Feste begleiten.
Wikka-Anhänger feiern Samhain als wichtigsten der vier großen Sabbats und gedenken der Toten, die in manchen Fällen gegenwärtig sein sollen. Wikka-Anhänger betonen oft den Kontrast zwischen dem dunklen Samhain und dem lichtbringenden Beltaine.
Quellen und Verweise
- Mehrere Versionen von Jack O'Lantern/Jack mit der Laterne
- The Order of Bards, Ovates & Druids - englischsprachiger Überblick von Susa Morgan Black über die Bedeutung von Samhain. Neopaganistisch/Keltischer Blickwinkel.
- Tam Lin in Balladry - englischsprachige Sammlung rund um die Sage von Tam Lin.
- Tam Lin (Märchenbasar) - deutschsprachige Kurzvariante
- Titelbild (C) Toby Ord, CC-BY-SA-2.5
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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