Geisterwelt
Es gibt die Welt der Menschen und es gibt das Totenreich, in das diese nach dem Sterben gelangen. Doch dazwischen gibt es noch eine weitere Schicht: die Geisterwelt, in der zurückgebliebene Seelen verweilen und andere Wesen seit teils ewiger Zeit existieren. Diese Welt ist von der Welt der Lebenden getrennt und/oder ein Schwellenort. Normalerweise kann sie nicht betreten oder verlassen werden. Oft kalt, düster und fremd ist die Geisterwelt kein Platz für Lebende, die nur aus Not, Gier oder Leichtsinn hineingeraten.
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Grenzebene zwischen Leben und Tod
Die Darstellungen der Geisterwelt in der Fantasy sind sehr unterschiedlich, auch was ihre Ausmaße angeht. In der extremen Form kann die Geisterwelt auch die Totenreiche wie Himmel, Hölle oder elysische Felder beinhalten. Diese Reiche sind jedoch eher weit entfernt.
Weit öfter kommt die Geisterwelt in einer der Menschenwelt näheren Version daher. Als solche ist sie eine Art Schwellenwelt, eine Grenzregion zwischen Leben und Tod und manchmal anderen Welten.
Sterbliche haben hier prinzipiell nichts verloren und die Bewohner sind wenn nicht offen feindlich, so mindestens gefährlich. Nur in Ausnahmefällen können mächtige Helden diese Welt betreten.
Menschennahe Geisterwelt
Die Darstellung jener Geisterwelt unterscheidet sich stark nach kulturellem Hintergrund.
So ist die Andere Welt der keltischen Mythologie der Menschenwelt sehr nahe und auch gewöhnliche Menschen können zu bestimmten Orten und Zeiten übertreten. Hier gehören zur Anderen Welt auch Orte wie Avalon und Gorre.
Die Geisterwelten der griechisch-römischen, der christlichen oder anderer Traditionen hingegen setzen sie mit dem Nachleben gleich. In diesem Fall ist es fast unmöglich, ohne göttliche oder ähnlich mächtige Hilfe hineinzugelangen, wenngleich es einigen mächtigen Helden gelingt (z. B. Odysseus, Orpheus).
Eine eher nahe gelegene Geisterwelt teilt meist Charakteristika mit ihrer Entsprechung in der Welt der sterblichen Menschen. Ist ein Ort in der Menschenwelt düster, ist er es auch in der Geisterwelt; ist er fröhlich, so ist er auch in der Geisterwelt fröhlich. Allerdings können besonders einschneidende Ereignisse die Geisterwelt nachhaltig prägen. Ein Bombenangriff mag so noch sichtbar sein oder sich wiederholen, auch nachdem der Ort schon dreimal neu überbaut wurde; ein Großfeuer des vorletzten Jahrhunderts brennt vielleicht immer noch. Dies macht die Orte der Geisterwelt, in denen Zeit und Raum seltsam verschwimmen, für Menschen seltsam bis hin zur Orientierungslosigkeit.
Häufig erzeugen starke Ereignisse einen Nachhall, den spirituell empfindliche Menschen in ihrer eigenen Welt spielen. Diese gehen oft mit besonders starken Emotionen einher oder mit vielfachem Tod - immerhin ist dies die Richtung, die sterbende Seelen gehen.
Normale Naturgesetze oder physische Distanz bedeuten in der Geisterwelt wenig. Eine Straße mag sicher sein, aber nur einen Schritt weiter kann tödliche Gefahr lauern. In diesem ähnelt die Geisterwelt der Traumwelt oder der Anderswelt der Fae. Diese Reiche werden bisweilen als Teil der Geisterwelt gesehen oder überlappend sie an einigen Orten.
Manche begabte Menschen können die Bewohner der Geisterwelt kontaktieren und um Rat oder Hilfe bitten. Denn nicht alle Wesen sind grundsätzlich böse - auch Wesen göttlichen Ursprungs halten sich hier auf. Ebenso manche verstorbene Seele, die es nicht vermochte, weiterzuziehen und an die Sterbliche Welt gebunden blieb.
Die Geisterwelt ist eine nicht wirklich körperliche Welt, die teils auch von den mächtigen anwesenden Wesen geprägt wird und mitunter von den reisenden Menschen. Magie ist hier oft einfacher, da die Einschränkungen der Menschenwelt entfallen - aber daher auch riskanter, egal ob der eigene Körper mitgenommen oder nur projiziert wird. In jedem Fall sollte man davon ausgehen, dass Verletzungen und körperliche Schäden aus der Geisterwelt bleiben, anders als in der Traumwelt, aus der man schlimmstenfalls schweißgebadet erwacht. Gelegentlich haben Wesen und Menschen in der Geisterwelt eine andere Gestalt, die oft ihr innerstes Seelenwesen repräsentiert.
Ferne Geisterwelt
Überwiegend ist die Geisterwelt eine Zwischenebene zu anderen Reichen. Gelegentlich werden diese anderen Reiche jedoch als in der Geisterwelt gelegen dargestellt. Dies sind häufig die Totenreiche der verschiedenen Religionen und Kulturen oder die Reiche von übernatürlichen Wesen, die nicht von der Erde selbst stammen. Siehe dazu: Totenreich.
Reise zwischen den Welten
Menschenwelt und Geisterwelt sind einander zwar nahe, aber dennoch getrennt. Ein Übertritt ist daher nur unter bestimmten Bedingungen, zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Orten möglich - wobei sich die Orte in den beiden Welten unterscheiden können und mitunter nur in eine Richtung funktionieren: Tritt man hier durch ein Portal, taucht man dort aus einem See auf; geht man dort über eine Brücke, stolpert man hier aus einem Höhleneingang.
In der Menschenwelt sind diese Tore häufig Orte von großer mystischer Bedeutung wie Stonehenge, Glastonbury Tor oder einige Stellen im Zauberwald Brocéliande. Kleinere, versteckte Tore können sich in Tümpeln, Gräbern oder Höhlen verbergen oder im Friedhofstor, wenn man nur weiß, wie genau man hindurchgehen muss oder dies aus Zufall tut. Denn mancher gelangt unabsichtlich in dieses Reich.
Der einfachste Weg ist hingegen auch der endgültige: das eigene Ableben. Im Normalfall reist die Seele durch die Geisterwelt bis ins entsprechende Totenreich, möglicherweise von einem Psychopomp (Seelenführer) begleitet.
Unter den magischen Praktiken kann besonders Blutmagie den Weg zur Geisterwelt öffnen - denn gerade das Schwinden des Lebens ist es ja, welches den Übergang auslöst. Häufig genug können aber auch andere Magiearten oder lediglich ein symbolischer Blutstropfen den Weg breiten, vorausgesetzt der Anwender ist kundig genug.
Die Geisterwelt betreten
Einfacher als ein Betreten der Geisterwelt ist ein Kontakt mit den dortigen Bewohnern. Dieser kann durch Séancen und ähnliche Rituale durch ein entsprechend begabtes Medium oder einen Schamanen hergestellt werden, wobei der Erfolg hier durch ähnliche Dinge erleichtert wird wie ein deutlich schwererer Übertritt.
Auch Friedhofstore können ein Weg in die Geisterwelt sein.
Auch manche Zeiten erleichtern den Übergang zwischen den Welten. Besonders bekannt ist hier Halloween, aber auch die Raunächte oder eine Sonnenfinsternis machen die Grenze häufig dünn. Dann gelangen manche Wesen, wie etwa die Wilde Jagd, für eine Zeit in die Welt der Sterblichen. Mancher sucht die Welt nicht willig auf, sondern wird von deren Bewohnern verschleppt - woraufhin ein Retter zunächst einen Weg finden muss.
Ebenso können manche Rituale den Schleier heben und den Übertritt ermöglichen, womöglich durch einen Umweg über die Traumwelt. Solche Übergänge sind meist gefährlich und können wenn nicht körperlichen, so doch geistigen oder seelischen Schaden verursachen. Auch Kräuter und Drogen, so heißt es, öffnen den Weg in die Geisterwelt und sei es nur für Visionen, die oft schrecklich und nachhaltig genug sind, sowohl überirdisch schön als auch schrecklich.
Klassische Helden betreten das Geisterreich oder die Totenwelt oft mit göttlicher Hilfe um die Seelen Verstorbener um Rat zu fragen oder sie zu erlösen. Oder sie versuchen einen verschleppten oder aus Versehen dorthin geratenen Menschen zu befreien. Manche schnellen, magischen Reisemethoden führen durch ebenfalls durch die Geisterwelt und nutzen die sich verbiegende Distanzen.
Die Geisterwelt verlassen
Das Betreten der Geisterwelt ist häufig der einfachere Schritt im Vergleich zum Verlassen. Sterbliche Menschen, die hineingeraten, müssen in der Regel einen Ausgang finden, der in die Menschenwelt zurückführt. Und nicht nur das: Möglichst sollte der Ausgang zu einem sicheren Ort führen und in die Nähe des Ortes, zu dem man will. Dies wird weiter dadurch erschwert, dass Menschen kaum wissen oder erkennen können, wie ein Weg aus der Geisterwelt aussieht und wo er sich befindet.
Eine normale Brücke oder eine Passage durch die Welten?
Die Wesen der Geisterwelt selbst können diese in der Regel nur verlassen, wenn die natürliche Ordnung gestört wurde. Zum Beispiel also, wenn ein Sterblicher ein Tor für sie öffnet und nicht ausreichend sichert, bei einer missratenen Beschwörung. In diesem Fall können die Wesen körperlich entkommen oder unkörperlich von Menschen Besitz ergreifen.
Bewohner der Geisterwelt
In der Geisterwelt "leben" natürlich Geister, aber auch übernatürliche Wesen, die nicht zur Menschenwelt gehören. Neben den verlorenen oder zurückgebliebenen Seelen findet man hier auch uralte Wesen sowie Fae und andere Feenwesen halten sich hier mitunter auf, sofern ihre eigene Welt nicht getrennt existiert.
Spukgeister sind hier häufig, egal ob bösartig Menschen heimsuchend oder aus anderem Grund noch an die Menschenwelt gebunden, in die sie gelegentlich übertreten: den Wunsch nach Rache; der Bedarf, eine Aufgabe fertigzustellen; oder etwas gutzumachen usw.
Auch die Sendboten höherer Mächte, z. B. Engel oder ihre höllischen Gegenspieler, treten in der Geisterwelt auf, wenngleich sie selten dorthin gehören. Hier können sie oft direkter agieren und bestimmte Gesetze der Menschenwelt gelten nicht für sie. Insbesondere treten Psychopompoi hier auf, Führer, die die Seelen Verstorbener in Empfang nehmen und sicheres Geleit geben.
Solche gutwilligen Bewohner oder Gäste sind jedoch selten. Überwiegend sind die Bewohner der Geisterwelt den Menschen nicht freundlich gesinnt. Sie sind neidisch, begehren die Lebenskraft der Menschen, die ihnen fehlt, und wollen sich nähren. Ihre Hilfe erfordert fast immer eine Gegenleistung.
Beispiele für die Geisterwelt
- Harry Dresden kennt das Niemalsland (orig. Nevernever, in etwa "Nimmernie"), siehe dazu auch Dresden Files bei wikia (englisch);
- Unter den Frauen der Anderswelt agiert Eve nach ihrem Tod aus einer Geisterwelt, die zwischen der Menschenwelt und anderen Endpunkten liegt;
- Der Limbus von DSA, mit einem komplexeren, geordneten System;
- Das "andere Land" der keltischen Mythologie, in manchen Versionen.
Quellen und Verweise
- Titelbild (Geisterweltnebel), via Pexels, Pexels License.
- Bild Friedhofstor: Lychgate der Church of St. James the Less, Philadelphia, aus der Library of Congress, via Wikimedia Commons, Public Domain.
- Bild Brücke von Eberhard Grossgasteiger, via Pexels, Pexels License.
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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