Märchen, Sagen, Legenden
Märchen? Kennt jeder, das ist das Es war einmal... Sagen von Drachentötern? Legenden schlafender Könige? Hier wird eine Unterscheidung schon schwerer und wird im normalen Sprachgebrauch oft vermischt. Das sind Geschichten mit vielleicht einem wahren Kern, begründet auf mündlichen Überlieferungen und Volksglauben. Und ein reicher Quell für Fantasy-Geschichten. Möchte man eine zeitliche Linie ziehen, so findet man diese in der mündlichen Überlieferung über die Kunstmärchen, die besonders ab dem 18. Jahrhundert auftauchen bis hin zu modernen Märchen. Fantasy ist dabei eher eine Nebenentwicklung.
Inhalt
- 1 Bücher
- 2 Unterschied von Märchen, Sage, Legende
- 2.1 Märchen
- 2.1.1 Kunstmärchen
- 2.2 Sagen
- 2.3 Legenden
- 2.4 Fabel
- 2.5 Mythos
- 2.5.1 Religion
- 3 Verhältnis zur Fantasy
- 4 Quellen und Verweise
Bücher
Kommt man von wissenschaftlicher Seite, ist die Unterscheidung zwischen Märchen, Sage und Legende einigermaßen klar. Alle drei Gattungen gründen in der mündlichen Überlieferung und haben daher oft viele ähnliche Varianten. Und oft tauchen Märchenmotive auch in Sagen auf - wobei sich die beiden durch andere Merkmale trennen lassen.
Für manchen überraschend ist hingegen, dass viele gleichartige Erzählungen weltweit verbreitet sind, nicht nur innerhalb eines Kulturkreises: Schlafende Könige, Schöpfungsgeschichten mit Mond und Sonne oder dem ersten Mord, Abenteuer von jüngsten Söhnen, Suche nach Unsterblichkeit.
Moderne Sagen und Legenden werden meist als Sammelbände herausgegeben. Dies sind entweder "historische" Sammlungen wie die der Grimms oder eine Auswahl aus 1001 Nacht oder eine Sammlung zu einem Thema. Eine weitere Variante besteht in einer Auswahl der Lieblingsmärchen bekannter Personen.
Unterschied von Märchen, Sage, Legende
Märchen, Sage und Legende gehören mit einigen anderen zu den sogenannten Einfachen Formen. Für sie alle ist Einfachheit charakteristisch, sowohl in den Grundmotiven als auch in der Sprachwahl. Unterscheiden kann man sie wie folgt:
Märchen
Märchen kennt man heute vor allem durch die Sammlungen der Grimms, Perraults oder anderer Sprach- und Literaturforscher. Ihnen gemein ist der Ursprung in der mündlichen Überlieferung des Volksglaubens. Einen einzelnen Urheber gibt es daher nicht. Der Begriff selbst stammt vom Mittelhochdeutschen maere = (kleine) Kunde/Bericht/Erzählung. Typische fürs Märchen sind (nach Max Lüthi):
- typisierte Figuren ohne Tiefe; Eindimensionalität
- Isolation des Helden und Allverbundenheit seiner Helfer;
- abstrakter Stil;
- Sublimation und Welthaltigkeit.
Ein erwachsenes Publikum geht zudem davon aus, dass ein Märchen nicht wahr ist. Manche Märchensammlungen wie die der Grimms enthalten allerdings auch Erzählungen, die zwar aus der mündlichen Überlieferung stammen, im strengen Sinn aber nicht dem Märchen zugeordnet werden müssten, sondern einer der anderen Gattungen.
Märchen existieren in aller Welt und sogar in sehr ähnlicher Form wie durch den Aarne-Thompson- (AaTh) bzw. Aarne-Thompson-Uther-Index (ATU) kategorisiert. Märchen existierten in einer Kernform aber mit oft zahlreichen Varianten, teils mit geringen und teils mit größeren Abweichungen.
Kunstmärchen
Eine Sonderform in der Tradition sind die Kunstmärchen, die ab dem 18. Jahrhundert entstanden. Sie stammen nicht aus der mündlichen Überlieferung, sondern von einem konkreten Autor, sind den Märchen der Volkstradition jedoch nachempfunden.
Dabei orientieren sie sich meist am bekannten Stil, haben jedoch einen literarischeren Ansprich. Figuren in Kunstmärchen jedoch weniger eindimensional und geben auch Interpretationen sowie genauere Beschreibungen. Die Figuren sind nicht mehr rein gut und böse.
In jüngerer Zeit spricht man auch von Modernen Märchen, die bekannte Märchen parodieren, modernisieren oder verarbeiten. Eine Fantasyversion hiervon ist die Fairytale Fantasy bzw. Märchenfantasy.
Sagen
Sagen schöpfen aus ähnlichen Motiven wie Märchen: Mystische Wesen wie Elfen, Feen, Nixen und haben oft ähnliche Motive. Sagen haben aber einen höheren Realitätsanspruch als das Märchen: Sie spielen nicht irgendwann, irgendwo, sondern sind oft genau verortet und datiert. Das dort drüben ist der Wasserfall der Nixe; vor dreißig Jahren war es, als der Müllerssohn im Feenkreis verschwand.
Sagen enthalten einen gewissen wahren Kern. Sie versuchen also, ein tatsächliches Ereignis zu erklären, das zu ihrer Entstehungszeit schlicht unerklärbar war, wie etwa ein Naturphänomen. In diesem Sinne deuten sie auch auf zeitgenössische Glaubensvorstellungen hin.
Legenden
Legenden haben wie Sagen einen wahren Kern. Im Engen Sinn geht es in ihnen um die vorbildlichen Lebensgeschichten von Heiligen. Abgrenzungsmerkmal zu Märchen und Sage ist also eine religiöse Dimension.
Ähnlich wie Sagen sind Legenden meist mit einem Ort verknüpft. Abgrenzend zu diesen sind Legenden jedoch stärker mit der schriftlichen, literarischen Tradition verknüpft und meist gemäß den ästhetischen Ansprüchen der Zeit ausgeschmückt. Hinzu kommt die Nennung realer, historischer Personen sowie einer konkreten Zeit.
Fabel
Eine Fabel ist eine knappe Erzählung zu Lehrzwecken. Handelnde Figuren sind meist Tiere, gelegentlich Pflanzen, denen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Ihr Verhalten dient als sofort erkennbare Parallele zu menschlichem Verhalten. Am Ende steht eine allgemeingültige Moral oder ein genereller Rat. Oft wird diese am Ende explizit ausformuliert. Fehlen eine solche Moral und Parallelität, ist eine Geschichte in der Regel keine Fabel, sondern ein Tiermärchen.
Mythos
Mythos lässt sich als Wort oder Erzählung übersetzen. Ein Mythos ist eine Sage, Legende oder sonstige überlieferte Geschichte. Man spricht dabei von Einzelmythen (z. B. Pygmalion-Mythos), aber auch von der Gesamtheit aller Überlieferungen einer Kultur (z. B. Germanische Mythologie; Griechische Mythologie). Mitunter wird eine bestimmte Mythologie auch mit der jeweiligen Sagenwelt gleichgesetzt.
Diese Werke wurden bereits in der Antike als Epik und Lyrik ausgestaltet und dargeboten. Im Gegensatz zu mündlicher Überlieferung sind diese Werke bereits be- und verarbeitet.
Religion
Eine besondere Verbindung besitzt der Mythos zu Religion. Viele Mythen handeln von Göttern, der Schöpfung, anderen Ursprüngen und der Erklärung der Welt durch eine höhere Ordnung.
Dennoch unterscheidet man die beiden in der Regel. Ein Abgrenzungskriterium ist, dass ein Mythos in der Regel keine institutionalisierte Form hat, wie man sie in heutigen Religionsgemeinschaften findet.
Ein wesentlicher Unterschied ist auch der Wahrheitsanspruch: Eine Religion nimmt in Anspruch, Wahres und Wahrhaftiges zu lehren. Auch Mythen, Legenden etc. behaupten zwar, Wahres zu berichten, erheben dies jedoch noch weniger zum zentralen Kern als Erzählungen, die lediglich Analogien bilden.
Verhältnis zur Fantasy
Will man es sich einfach machen, so sagt man, dass Märchen ein Teil der Phantastik und Fantasy sind. In diesem Fall zieht man eine sehr große Form um "Fantasy". Zweifellos ist es auch richtig, dass Fantasy sich aus Märchenmotiven bedient - ebenso wie aus zahlreichen Sagen und Legenden. Die Gattungen sind sicher miteinander verwandt.
Dabei ist die Fantasy im heutigen Sinne sehr jung, begann erst im 20. Jahrhundert. Märchen und Mythen hingegen sind so alt wie die Menschheit. Vom Mythos, dem metaphysischen Erklären, gelangte der Mensch zum Logos, dem rationalen und wissenschaftlichen Erklären. Die Romantiker des 19. Jahrhunderts entdeckten den Mythos wieder. Und im weiteren Sinne gehören all die zuvor genannten Werke zumindest in Teilen zum Logos. Zu einfach wäre es nun, Fantasy als lineare Fortentwicklung zu begreifen. Vielmehr ist Fantasy im heutigen Sinne eine Nebenlinie von Märchen, Sagen und Legenden oder eine Spielart.
Wesentlicher Unterschied zu den früheren Formen ist, dass sie die Geschichten nicht als kurze und einfache Form präsentiert, sondern als Roman mit Charakteren statt Archetypen. Zudem beinhaltet Fantasy zwar übernatürliche Elemente, folgt aber doch den Konventionen realistischer Erzählung. Gleichzeitig gibt sie nicht vor, wahr zu sein - Fantasy gehört klar in den Bereich der Fiktion.
Fantasy lässt sich in zahlreiche Subgenres unterteilen, von denen zwei besonders nahe an Märchen und Legenden sind: Fairytale Fantasy bzw. Märchenfantasy nutzt die Figuren und Motive aus Märchen, nimmt Bezug auf diese und gestaltet sie weiter oder moderner aus. Eine Übergattung ist Mythic Fantasy oder Mythic Fiction, welche auch weitere Elemente des mythischen Umkreises verwendet - und oft nur als Fantasy vermarktet wird.
Quellen und Verweise
- Titelbild: Der Heilige Geörg tötet den Drachen, Öl auf Kupfer von Johann König via Wikimedia Commons, PD.
- Bild zu Mythos: Thor, Loki und andere Götter von Lucy Fitch Perkins (1896) via Wikimedia Commons, PD.
- Genauere Definition und Abgrenzung von Märchen, Sage, Legende, Fabel [Planet Schule]
- Übersicht einiger Märchentypen nach Aarne, Thompson und Uther [Märchenatlas]
- Frank Weinreich zu "Fantasy, Märchen, Sagen, Mythen - Gemeinsamkeiten und Unterschiede"
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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