Mystery
Mystery ist eine äußerst unscharfe Genre-Bezeichnung, die sich im Deutschen sogar noch vom Internationalen unterscheidet. Mit Ursprüngen im Detektivroman sind auch heute mysteriöse Geheimnisse und deren Aufdeckung zentral. Im Gegensatz zum englischsprachigen Raum wird die Mystery im deutschsprachigen Raum zur Phantastischen Literatur gezählt und lebt wie diese von der Unklarheit bedrohlicher, übernatürlich wirkender Geheimnisse. Meist haben Mystery-Romane eine thrillerartige Handlung in die ein übernatürliches oder mysteriöses Element einbricht
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Mystery im Englischen: Detektivgeschichten
Ein Mystery ist übersetzt ein Rätsel oder Geheimnis. Allerdings versteht man im Englischen unter Mystery Novels etwas ganz anderes als in Deutschland. Hier sind dies nach wie vor "Krimis" diverser Couleur: Detektivromane, Legal Thriller, Polizeigeschichten, Hardboiled - und auch so etwas wie Historische Mystery, die mit dem historischen Roman verschmilzt.
Diese Art der "englischen" Mystery entstand im späten 19. Jahrhundert. Zuvor lebten die Menschen meist in kleinen Gemeinschaften in denen jeder jeden kannte. Der Dorfschulze wusste meist ganz genau, wo er suchen musste. Dies änderte sich dies mit der Verstädterung. Es entstanden neue Gemeinschaften mit mehr Anonymität. Die Polizei entstand als Institution und mit ihr kam der Bedarf nach Ermittlungen - und das Genre der Detektivgeschichten.
Im Englischen kann Mystery Fiction ein übernatürliches Element beinhalten. Dies war vor allem in den Pulp-Magazinen der 1930er und 1940er Jahren der Fall. Heute wird die Mytery im Englischen allerdings nicht mehr über dieses Element definiert (wobei man durchaus Akte X und Co anführen darf), das im Deutschen zumindest als Möglichkeit wichtig ist.
Mystery im Deutschen: Rätsel mit Ambivalenz
Denn im Deutschen behielt die Gattung Mystery das übernatürliche oder zumindest dessen Andeutung im Zentrum, verlor hingegen das Krimi-Element. Dabei muss nicht zwangsläufig etwas Übernatürliches vorhanden sein: Wie die Phantastik (zu der sie meist gerechnet wird) spielt die Mystery mit der Frage, ob etwas übernatürlich ist oder nicht.
Dabei steht stets das Ergründen eines Geheimnisses im Mittelpunkt der Geschichte - etwas Unbekanntes oder auch nur Imaginäres. Das kann ein Verbrechen mit besonderem Touch sein, etwas Übernatürliches oder schlicht nur etwas Uraltes und "Mysteriöses". Die Sprache ist dabei in der Regel düster, aber nicht darauf ausgerichtet, Furcht zu erzeugen (siehe Horror). Ebenso ist nicht jeder Kriminalfall gleich Mystery.
Die Mystery hat Elemente zahlreicher anderer Gattungen: des Krimis, der Gothic Novel. Fantastische Elemente werden ebenfalls regelmäßig eingebaut - wobei sie dann meist aus Dark Fantasy oder Urban Fantasy stammen. Aber auch der Abenteuerroman hinterließ seine Spuren in der Mystery, gerade wenn es um eine Schatzsuche geht oder um religiös bedeutende Artefakte wie Heiliger Gral oder Bundeslade. Dies rückt auch den Historischen Roman in greifbare Nähe. Sogar Science-Fiction-Elemente tauchen (wenn auch vergleichsweise selten) auf.
Insgesamt ist Mystery damit eine sehr problematische Bezeichnung mit vielen Ausprägungen. Keine Definition passt so richtig; keine hat klare Grenzen. Eine Verlegenheitsbezeichnung? Vielleicht.
Mystery als Element statt Gattung?
Basierend auf der Idee, dass Mystery weniger Gattung als bestimmte Erzählweise ist, wird von einigen die Ansicht geäußert, dass Mystery ein bestimmtes Element ist.
Diese Annahme beginnt damit, dass Mystery-Romane zunächst in unserer normalen Realität beginnen. Sie sind so ähnlich einem normalen Thriller. Als neues Element kommt das Paranormale hinzu: Jemand, der Auren sieht, Schwingungen oder anderes spürt ist hier kein Esoteriker - er spürt sie wirklich, sie existieren. Und die Protagonisten sind diesen Elementen auf der Spur.
Aber auch hier gilt: Möglicherweise gibt es dieses Element doch nicht und es war nur Zufall - denn bei Gewissheit wären wir wieder bei Urban Fantasy. Außerdem gibt es weitere Einschränkungen: Es muss unsere Welt sein; das Element darf kein technisches sein, sondern magisch, göttlich oder ... mysteriös - durch unser Wissen nicht erklärbar.
Kaum erwähnt werden muss hier wohl, dass auch dieser Definitionsansatz einige Löcher hat und nicht wirklich befriedigt.
Abgrenzung zu anderen Gattungen
Eine umgekehrte Herangehensweise befriedigt ebenfalls nicht abschließend, kann aber stellenweise helfen. Dies ist die Frage, was Mystery nicht ist und wo sie in andere Gattungen übergeht.
Spielt die Handlung in einer anderen Welt oder ist das phantastische Element fixer, nachweislicher Bestandteil der Welt, so ist es Fantasy, keine Mystery. Geht es in Richtung Technologie und Forschung, die als Begründung herhalten, so ist es Science-Fiction. Eine Kombination mit Mystery schließt sich bei diesen Gattungen aus, da an den Elementen im Rahmen der Welt selbst eben nichts ungewöhnliches ist.
Ein Beispiel: In Frank Herberts Dune gibt es psychische Kräfte, diese würde jedoch niemand als Mystery bezeichnen - sie gehören zu diesem SF-Universum (wenn man will als Fantasy-Element) dazu und sind begründet. Ähnlich könnte man Star Wars anführen - und Star Trek hat zwar einige Rätsel und die ein oder andere Mystery-Episode(!), bleibt als Gesamtserie aber Science-Fiction.
Die Abgrenzung zum Horror ist vergleichsweise einfach, wenn man auf das Ziel der Geschichten abstellt: Horror will primär erschrecken, Furcht und Angst erregen. Ist dies das Ziel des Romans, ist es eher Horror als Mystery. Dies gilt auch für Schauerroman bzw. Gothic Novel.
Ähnliche steht bei einem Thriller eben die Spannung, der Thrill als zu erregende Emotion im Vordergrund. Mystery im englischen Sinn, also als Detektivroman oder Krimi erklärt sich wiederum durch die Handlung. Hier gibt es zwar ein Rätsel (den Fall), aber dies wird im Deutschen anders klassifiziert.
Ein Abenteuerroman ist wiederum eine für sich sehr breite Kategorie. Hier mag es ein Rätsel geben - gerade wenn es in verlassene Städte oder Tempel geht - aber die Stimmung ist eine grundsätzlich andere: optimistisch, von Entdeckungslust oder Forscherdrang geprägt. Historische Romane sind gewissermaßen die Umkehrung: Sie versuchen, das damalige abzubilden wie es gewesen sein könnte und haben ein Rätsel allenfalls als Aufhänger.
Häufige Mystery-Elemente
Wiederum annähern kann man sich der Mystery durch eine Betrachtung häufiger Elemente, Figuren und Handlungen. Allerdings merkt man auch hier, dass diese ebenso häufig in oben abgegrenzten Gattungen auftauchen.
Häufige spielt Mystery an Orten mit einer geheimnisvollen Geschichte - oft mit Andeutungen des Übernatürlichen. Diese Orte sind meist düster: Kirchen (besonders gotische), Kloster, alte Städte. Oft sind von diesen auch nur noch Ruinen über. Aber es kann durchaus eine belebte aber Region mit langer und/oder bedeutsamer Historie sein, deren lokale Sagen als Hintergrund herhalten. Reale Personen und Geschehnisse werden dabei oft mit Unklarem verbunden. Recherchen führen die Figuren oft in verruchte Bereiche, an den Rand der Gesellschaft: Düstere Kaschemmen, Kneipen oder Opiumhöhlen. Hier finden sie Informationen, die nicht in offiziellen Archiven sind.
Denn die Informanten mit diesem Wissen sind oft "simple" aber ortskundige Menschen, deren Familien seit Generationen vor Ort leben. Oder es sind zwielichtige Gestalten, die durch ihre besondere Tätigkeit auf etwas gestoßen sind. Gerade in älteren Romanen tauchen aber Adelige, Forscher oder anders privilegierte Figuren auf, als Protagonisten oder als Auftraggeber - möglicherweise auch als Konkurrenten mit ethisch fragwürdigen Plänen. Kultisten, Sektierer und ähnliche treten besonders bei magisch-religiösen Artefakten im Hintergrund auf.
Diese Artefakte sind in der Mystery vergleichsweise häufig anzutreffen und meist das, worum sich die gesamte Geschichte dreht. Dabei sind sie kein Artefakt, das die Welt rettet oder den Finder zum Helden macht. Vielmehr werden ihnen besondere Kräfte zugesprochen. (In der Mystery ist der Wert des Gegenstands allein durch seine Geschichte eher nebensächlich - die besonderen Kräfte sind hier im Vordergrund, egal ob es sie letztlich gibt oder nicht.) Beispiele mit christlich-religiöser Komponente sind der Heilige Gral, die Lanze von Antiochia, das Leichentuch von Turin - oder eine der zahlreichen Heiligenreliquien. Manchmal geht es auch um einen vergessenen oder unentdeckten Ort wie Atlantis, den Jungbrunnen oder eine "Lost World".
Quellen und Verweise
- Titelbild (Palastgruft und Kornthische Gruft in Petra - Grüfte sind Schauplatz vieler Mystery-Romane und bergen sowohl Schätze als auch Flüche) Bernard Gagnon via Wikimedia Commons, CC-BY-SA-3.0.
- Betrachtung der deutschen Mystery von Jana Gläßer als Seminararbeit: "Was ist Mystery?" (2013/14)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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