Irgendwo ganz anders
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Über den 5. Thursday Next Roman habe ich bereits gesprochen, nämlich hier. Sicher, das war die englische Ausgabe, aber im Wesentlichen ändert sich nichts bei der Bewertung der deutschen Übersetzung – zumindest sofern sich nicht gröbste Fehler eingeschlichen haben oder größere Teile "unübersetzbar" waren. Dies gibt mir hier die Gelegenheit, auf ein paar Dinge einzugehen, die sonst unter den Tisch fallen. Dies ist also letztlich weniger eine Rezension eines neuen Buches sondern ein konkreter Verglich von Original und Übersetzung.
Vielleicht die wichtigste Frage: Ist die Übersetzung genau so gut wie das Original? Die nicht gänzlich unerwartete Antwort: Nein. Das liegt nicht nur am Übersetzer.
Wenige Dinge wirkten falsch - "das Star Chamber" sei hier als ein Beispiel gegeben. Die Sternen-Kammer, also bitte auch die Star Chamber - zumindest mein Sprachgefühl sagt mir dies. Allerdings bringen Fehler dieser Art höchstens kurzfristig aus dem Lesefluss.
Andere Dinge sind einfach nicht vernünftig übersetzbar und dankenswerterweise wurden einige Ausdrücke auch einfach beibehalten, wie beispielsweise "Apocalypse Next" (Vgl.: Apocalypse Now – der Film trägt auch im Deutschen diesen Titel).
Bisweilen scheint auch Unsicherheit zu herrschen, inwieweit man englische Ausrücke einfach beibehalten kann: "Mindf**k und gelackmeiert" ist für mich das Paradebeispiel fürchterlich danebengegangener Übersetzungen. 1. ist das halb englisch und halb deutsch; 2. passt es grammtisch nicht so recht zusammen (Nomen + Verb) und 3. soll das ein heftigster Fluch sein, der schon im Original "ausgesternt" wurde?! In Anbetracht der englischlastigen Jugendsprache und der grundlegenden Kenntnis englischer (oder vielmehr schon: internationaler) Ausrücke hätte ich doch die Beibehaltung des Originals vorgezogen: "This is something like a mindf**k." - oder ihn dann doch ganz eindeutschen und ruhig heftig zu gestalten: derbe Flüche sind nun mal nicht wirklich unbekannt.
Das soll nicht in den Schatten stellen, dass andere Übersetzungen wie die "Globale Standard Gottheit" treffend sind. Erfreulich ist auch das Beibehalten der englischen Titel von im Buch vorkommenden Werken. Ein vorhergehender Band ersetzte einige durch deutsche Titel. Hier wurde wohl angenommen, dass das deutsche Lesepublikum mit denen mehr anfangen kann als mit englischen. Der Gedanke ist durchaus nachvollziehbar und war gut gemeint – brachte aber später Probleme: in einer Szene steht Thursday in der Buchwelt, in der ENGLISCHEN Bibliothek, und schaut durchs Fenster auf die DEUTSCHE. Hm, ja - nur ist dieses Buch eben auf deutsch; und wenn es in einem Dialog der englischen Ausgabe dann um deutsche Titel geht, und das handlungsinternen Problem auftritt, dass diese außerhalb der Jurisdiktion von Thursday und ihren Kollegen liegt, dann habe wir ein Problem: die ganzen anderen, durch deutsche Titel ersetzte Werke wären ebenso wenig unter ihrer Kontrolle.
So ist auch nur ein halber Vorwurf zu machen, wenn Tante Polly die Anweisung bekommt "aber auf Deutsch" zu reden. Ist klar... das ganze Buch ist doch auf Deutsch? Nur steht das eben genau so in der englischsprachigen Ausgabe. Vielleicht hätte man einfach Übersetzung Übersetzung sein lassen sollen und beispielsweise mit "Französisch" ersetzen - den Sinn hätte es so besser getroffen, nämlich mit einem Fremden in einer Sprache zu sprechen, die dieser höchstwahrscheinlich nicht versteht.
Etwas zwiespältig sehe ich die Originaltitel, die mal ins Deutsche übersetzt wurden und mal nicht – rückblickend auf obiges Problem kann man hier zumindest die Jurisdiktion bei der Originalsprache sehen, was weniger Probleme bereitet. Festzuhalten ist: für ein deutsches Publikum macht die Übersetzung generell Sinn - aber warum dann nicht alle Titel sondern nur einige? "The Satanic Couplets" behält den Titel auch in der deutschen Ausgabe; "Die satanischen Reime" (eine Anspielung auf Rushdies The Satanic Verses/Die Satanischen Verse) hätte aber perfekt funktioniert; ebenso "Bananas for Edward" (== Flowers for Algernon) und andere Eine eindeutige Linie, entweder alle Titel zu Übersetzen oder keinen, wäre hier klarer gewesen.
Wo wir gerade beim Thema Nicht-Übersetzung sind: Die "Werbung" nach Ende der Handlung ist nach wie vor in Englisch. Schade eigentlich, denn wenn nicht zur Handlung, so gehören sie dennoch zum Universum von Thursday Next dazu. Das ist auch der Fall für die Website des Autors, welche Thursdays Welt in unsere hineinzublenden versucht und mit "echtem" Material beweist – leider, aber verständlicher Weise, nur auf English, denn hier arbeitet der Autor direkt. (Auf jeden Fall einen Blick wert, wenn auch zuerst nicht allzu nutzerfreundlich navigierbar. Hier gibt es zu allen Teilen Bonusmaterialien, Worterklärungen, "echte" Buch-Artefakte und vieles mehr.) Auch der Witz des Englischen Titels ist verschwunden - zugegebenermaßen klänge "Erster der Nachfolger" aber auch etwas seltsam und "Erstes der Sequels" wenig besser.
Das sind letztlich alles Kleinigkeiten. Jedoch hat die deutsche Ausgabe auch einen schwerwiegenden Fehler: 4 Seiten am Stück wurden entfernt. (Dies steht an sich in "bester" Übersetzungstradition steht; für die Gesamthandlung unwichtige Teile werden des Öfteren weggelassen). Was hat es mit den Seiten auf sich? Im Original wird die Handlung auf diesen fortgesetzt – mit Bildern, gänzlich ohne Text. Das ist einerseits ein Gimmick; andererseits erfordert es die Handlung, Text kann hier nicht substituieren. In der dtv-Ausgabe fehlen diese Bilder komplett; auf Seite 385 (deutsch) gibt es einfach einen Gedankenstrich und einen Absatz; dann setzt sich die Handlung fort wie im Englischen nach dem Bilder-Intermezzo.
Ich weiss nicht ob das Urheberrecht der Bilder hier das Problem war oder was sonst, aber dies ist einfach, nimmt es dem Roman doch einen der besten Kunstgriffe und Witze überhaupt. Zudem führt es in der deutschen Ausgabe zu einem sonderbaren Sprung und ich weiß ehrlich nicht zu sagen, ob jemand in Unkenntnis der englischen Ausgabe sagen könnte, was genau zwischen de Absätzen passierte. Es wirkt seltsam.
Immerhin hat die deutsche Druckerei aber alle Fußnoten ins Buch gebracht, die beim englischen Erstdruck schlicht fehlten - wobei hier Gerüchte aufkamen, dass dies doch wohl Absicht sei…
So viel einmal zum Thema "Was Übersetzungen verändern". Dass das Original vorzuziehen ist, sofern man die Sprache beherrscht, steht außer Frage. Im Rahmen des Möglichen bringt dtv mit "Irgendwo ganz anders" aber eine über-90%-ige Übersetzung auf den Markt, die jedem, der sich mit seinem Englisch eben nicht sicher genug ist, einen hohen Lesespaß garantiert. Die Wertung der Übersetzung ist damit ohne größere Vorbehalte mit der Wertung des Originals identisch; ein gewisser Verlust gegenüber dem Original ist unvermeidlich.
Nebenbei: Auch für die deutsche Ausgabe gilt, dass neu einsteigen keinen Sinn macht - die ersten vier Thursday-Bände muss man kennen, sonst fehlen wesentliche Bestandteile der Vorgeschichte.
Wie im Englischen und trotz unüberbrückbarer Mängel, die jede Übersetzung mit sich bringt, gilt auch für die deutsche Übersetzung: Eine echte Empfehlung; wer Fforde bereits entdeckte, der greife wieder zu; jeder Vielleser und Freund klassischer Bücher der Fforde noch nicht kannte... der beginne mit "Der Fall Jane Eyre". Jetzt.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
Leseprobe
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