Das Geheimnis des Dorian Grave
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Leonie und ihre Freunde sind große Fans der Gothic-Band Dead Art. Dementsprechend warten sie gespannt auf das neue Soloalbum des Sängers Dorian Grave. Die Vorfreude schlägt jedoch in Entsetzen um als Dorian plötzlich in einem Autounfall ums Leben kommt. Ein Autounfall?
Am Vorabend war Dorian bei Leonies Vater. Dieser ist Schriftsteller und besonders unschönen Geheimnissen des Vatikans auf der Spur. Auch Dorian schien ein solches Geheimnis zu haben, wie Leonie herausfand, als sie die beiden kurz belauschte. Doch was? Bald nimmt der Staatsschutz (wieso eigentlich der Staatschutz?) Leonies Vater in Gewahrsam, doch dies ist beileibe nicht das Beunruhigendste: Nico, ein Freund Leonies, wird in einem seltsamen Nebel halb wahnsinnig - und das zu Recht, denn bald schon wird klar, dass der Nebel in der Tat eine tödliche Gefahr ist. Doch worum geht es eigentlich? Mit den Hinweisen auf der Master-CD, die Dorian bei ihrem Vater zurückließ und einigen kryptischen Hinweisen ihres Vaters, machen sich Leonie und ihre Freunde auf, das Rätsel zu lösen: Locus qui dicitur Danlo. Id est aquae ortus.
Das Buch erhält 8-9 von 10 Punkten.
Zunächst war ich sehr skeptisch gegenüber dem Buch: Eine Goth-Band und Jugendliche? Was hat das Überhaupt mit Fantasy oder Phantastik zu tun – abgesehen von der oftmaligen Präsenz des Phantastischen in Gothic und Metal. Nach etwa hundert Seiten ist jedoch klar: alles. Die Musik dient dabei zugleich als Rahmenhandlung und Leitmotiv – in mehr als einem Sinn.
Für seinen Roman greift Stepahn M. Rother einige Realien auf, die er im Anhang auch als solche kennzeichnet: zentral ist die Ebstorfer Weltkarte, welche verschlüsselt den Weg zum Ziel weist. Ebenfalls wichtig und real sind "Märtyrergräber" und der Ort namens "Danlo" - der Rest ist jedoch weitestgehend erfunden. Hier merkt man dem Autor seine Vorbildung und sein Wissen in dem Bereich an; ungekünstelt und interessant wird ein wenig Bildung vermittelt, ohne dass man es so recht merkt. Ein wenig Allgemeinbildung gibt es auch beim Thema Musik: Mit seinem letzten Album gibt Dorian den Hörern Anweisungen, welche die Freunde einander (und dem Leser) erklären. In weiten Teilen wirkte dies auch durchaus überzeugend, aber bisweilen sind einige Sprünge hin zur Lösung nur dann logisch wenn man weiß, dass sie funktionieren. Dies ist der erste Kritikpunkt: trotz aller Probleme läuft alles glatt; die Charaktere wählen den richtigen Weg, wissen genau das Richtige, tun das Richtige und kommen auf die richtigen Ideen - und die sind zumindest für mich nicht immer intuitiv. Für die Protagonisten wird es lapidar erklärt: „Nur ein wahrer Fan kann ihn verstehen!“. Nun ja… so etwas kann ein Buch durchaus ruinieren; dieses hier wird jedoch keineswegs ruiniert sondern bleibt nach einem etwas ruhigeren Anfang durchgehend spannend. Stellenweise wird es auch deutlich unheimlich. Der Verlag gibt eine Empfehlung ab 13 Jahre, bisweilen würde ich ein leicht höheres Alter vorschlagen.
Die Gothic-Band "Dead Art" nimmt eine zentrale Rolle ein und kann somit an die Musikgewohnheiten von Jugendlichen anknüpfen - nicht nur an die von Goths. Gelungen ist auch ein eingeführter Engländer mit seinem "anglizistischen" Deutsch – fast immer wirkt die Sprache echt; nur in wenigen Fällen ist unklar, wie die falsch "Überetzung" zustande kam. Dies ist jedoch nur ein Nebenschauplatz, ebenso wie es die Analyse der Musik ist. Beide tragen jedoch zur Stimmung des Romans bei, der deutlicher als andere den typischen Alltag und die Faszination für ein Hobby aufgreift, was – trotz doch recht ungewöhnlicher Lebensumstände – umso stärker mit dem einbrechenden Mystischen kontrastiert.
Das Highlight des Romans - zumindest für mich - kommt leider recht früh im ersten vollständig geschilderten Auftauchen des Nebels. Hier gibt es echten Gruseleffekt, echtes Rätseln, was los ist, einen kompletten Einbruch des mystisch-magischen in die heutige Welt. (Dies ist es auch, was den Roman zu einem Mystery-Thriller macht.). Das Element geht nicht verloren, aber nimmt deutlich ab. Was folgt ist eine vergleichsweise mundane Schnitzeljagd durchs Gelände bei dem der Staatsschutz umgangen werden muss um zuletzt zum mystischen Ziel zu gelangen. Dieses Ziel bringt das außerweltliche erneut in Spiel. Die Auflösung kommt nicht unvorbereitet, wirkt aber trotzdem abgegriffen. Bis dahin jedoch bietet der Roman spannende Unterhaltung mit mystischem Touch - und zuletzt verspricht er immerhin eine indirekte Fortsetzung, auf die ich bereits gespannt bin. Es gibt Seltsamkeiten (zum Beispiel: wieso muss plötzlich niemand mehr zur Schule?), aber diese ist man im Lesefluss zumindest zunächst zu überlesen geneigt.
Die Stärke von "Dorian Grave" liegt besonders im Schaffen von Atmosphäre und hier ist das große Unbekannte innerhalb des fundierten Historisch-Realen das absolute Highlight. (Selbst das im Buch erwähnte http://www.dead-forum.de/ existiert – als Fassade. YouTube bietet bei Suche nach Dead Art ein Stück der fiktiven Band – das ich allerdings nicht wirklich mit Gothic in Verbindung bringe.) Schwächen finden sich bei genauerer Betrachtung im Enträtseln und das was zuletzt gefunden wird lässt doch sehr fragen, warum nicht einfach das Gelände planmäßig abgesucht wurde. Dies ändert aber nichts am Fazit: "Das Geheimnis des Dorian Grave" ist ein spannender Mystery-Thriller, der in Teilen echte Gänsehaut erzeugt und in anderen Teilen die echte Geschichte einbindet - sehr zu empfehlen.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
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