Das Fest der Vampire. Phantastische Weihnachtsgeschichten
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Die größte Kritik und die wichtigste Warnung gleich zu Beginn: Mit dem Titel hat diese Anthologie herzlich wenig zu tun.
Dies gilt zumindest für den zweiten Teil: Weihnachtlich sind die Geschichten alle, mal mehr und mal weniger. Mit Vampiren hat jedoch kaum eine zu tun – erst recht nicht in einer Hauptrolle, die den Titel einigermaßen festigen würde. Nirgends sieht man Vampire dieses Fest feiern – das Titelbild suggeriert dementsprechend auch falsche Inhalte. Einem Leser, der Vampirgeschichte(n) erwartet kann dies natürlich recht stark verstimmen. Ich dachte ich lese über Vampire und deren Weihnachtsfest! Tat ich aber nicht. Schauen wir also einmal auf den Untertitel: "Phantastische Weihnachtsstorys". Ja... das trifft durchaus zu, aber selbst die zeitliche Zuordnung ist bei einigen Geschichten beliebig
Haben wir also einmal die Erwartung abgelegt, es mit Vampiren zu tun zu bekommen, so können wir die Geschichten deutlich sinnvoller betrachten. Verschiedenste Autoren bringen die verschiedensten Style mit sich. Es geht von scheinbar Lovecraftscher Verrücktheit (Terry Pratchett) über seltsam-weihnachtliche Wesen (Tobias O. Meißner) zu falschen Weihnachtsmännern (Thomas Plischke). Auch andere Wesen zeigen ein eher unerwartetes Betragen – und manchmal weiß man nicht so recht, womit man es eigentlich zu tun hat. Auch Abstecher in die Fantasy gibt es, beispielsweise durch Julia Conrad. Sie nimmt direkt auf ein anderes ihrer Werke Bezug - und verläuft damit zumindest bei mir ziemlich im Sande denn mit all dem kann ich nichts anfangen, ihre Stammleser vermutlich mehr.
Stärker an unsere Welt angelehnt ist und eine doch eher ungewöhnliche Version der Weihnachtsgeschichte präsentiert Ian Watson, die „echte“ Elemente skurril und amüsant durcheinander wirbelt. Erneut in eine Fantasy-Weihnacht mit ganz anderem Hintergrund führt Thomas Finn – und auch Dämonen erleben bei Florian Straub ihr "Weihnachts"-Fest. Karpfen, Truthähne… einiges ist in den anderen Geschichten mit dabei, das mal stärker und mal schwächer mit dem Fest wie wir es kennen verbindet. Aus der Reihe fällt Charlotte Kerners "Vierundzwanzig Hahnenschreie" das mehr wirkt wie stream-of-consciousness Halluzinationen durch Migräne, denn wie etwas phantastisches – wobei die Assoziationen eindeutig weihnachtlich sind. Zuletzt... ja, auch Vampire tauchen auf; einmal eindeutig, mehrfach kann man sie erraten – aber nur wenn man dies wirklich will, denn ‚vampirisch’ wird es nie.
In Fantasywelten ist meist ein passendes Fest für Weihnachten substituiert und dies funktioniert generell auch. Bei einigen Geschichten wirkt der Zeitpunkt jedoch aufgesetzt und ohne Bedeutung (beispielsweise "Das Experiment", das eigentlich überhaupt keinen Feiertag irgendeiner Art benötigt). Der Band des Vorjahres ("Das Fest der Zwerge") hatte klarere Verbindungen – und auch eine Geschichte mit den Titelcharakteren in eindeutiger Hauptrolle (und zudem vom Autor der „Zwerge“, so dass man diese auch sofort erkannte).
Keine der Geschichten ist das das, was man unter "normalen" Weihnachtsgeschichten erwartet. Es gibt keine Elfen, keine Geschenke verteilende Vollschlanke mit Rauschebart und rotem Mantel; keine fliegenden Schlitten; keinen Weihnachtszauber. Ein Kind wartet auf den Weihnachtsmann – aber selbst das endet anders, als man es erwarten mag. Es gibt Geschichten und Legenden, düstere Aussichten und andere Perspektiven und das von einem guten Dutzend verschiedener Schriftsteller.
Insgesamt kann die Mischung jedoch leider nicht überzeugen. Einige Geschichten driften einfach zu weit von Weihnachten ab: sie wollen humorvoll sein, können vielleicht ein Lächeln herbeizaubern aber verpuffen dann in einer Sinnleere; andere sind 'der ganze Wahnsinn' (so der Titel in dem Pratchetts Geschichte bereits erschien) und wieder anderen scheint eine generelle Aussage zu fehlen oder aber eine längere Entwicklung der Charaktere: Susanne Gerdoms Geschichte wirkt beispielsweise wie eine herausgerissene Episode. Noch einmal sei der Vergleich zum Vorjahresband bemüht: bei diesem waren die Geschichten eindeutig für sich abgeschlossen und auch in der Auswahl verschiedenartiger Geschichten deutlich besser gelungen
In Sachen Bewertung muss dieses Buch 0 Punkte erhalten - was den Titel angeht, denn viel besser kann man keine Erwartungshaltung erzeugen als durch dortige Nennung. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wer Vampirgeschichten sucht, wird enttäuscht. Ist man jedoch darauf vorbereitet, dass diese keine Hauptrolle spielen, allenfalls eine kleine Statistenrolle, so kann man "Das Fest der Vampire" durchaus genießen. Jedoch bleibt es auch hier deutlich hinter dem Vorgänger zurück. Dieser führte oft in Fantasywelten aber hatte wenigstens eine eindeutige Verbindung zu Weihnachten. Im vorliegenden Werk sind mitunter leicht gekünstelt und oftmals sind die Geschichten insgesamt recht undurchsichtig. (Und gehen dabei quer und ungeordnet durch alle phantastischen Genres, was man gutheißen mag oder ablehnen.) Einige sehr gute Geschichten gibt es, doch insgesamt kommt diese Anthologie nicht übers Mittelmaß hinaus - wenn man erhöhten Wert auf Vampire legt nicht einmal das. Die Qualität der einzelnen Geschichten schwankt stark: Glänzend sind "Meister Calamitas'...", "Wenn Jesus..." und "Zwanzig Pence..."; ebenso kann man "Horch...", "Mr. Coldicutts Party" und anderen einiges abgewinnen. Gleichzeitig jedoch finden sich deplatzierte oder einfach unausgegorene Geschichten: In "Lang Lebe die Königin" fehlt schlicht jeder Kontext; "Das Experiment" wirkt belanglos und nicht weihnachtlich; "Das Ritual" hat zwar eine schöne Pointe, bringt aber ebenso keine Weihnachtsstimmung; "Schneeschuhe" ist nett-albern aber auch nicht wirklich weihnachtlich - nett am Rande allenfalls. Einigen dieser und anderer Beiträge kann man den Pflicht-Auftrag geradezu ansehen und die Welt hätte auf diese Geschichten verzichten können. Schade - von den meisten Autoren kennt man besseres.
Ein Satz zum Abschluss, der vielleicht ein günstigeres Licht fallen lässt: Immerhin 13 der 15 Beiträge sind Erstveröffentlichungen.
Enthalten sind:
Jonathan Barnes: Mr. Coldicutts Party
Susanne Gerdom: Lang lebe die Königin
Tobias O. Meißner: Von draußen
John Moore: Schneeschuhe
Julia Conrad: Blüten
David Wellington: Das Experiment
William King: Karpfen im Netz
Terry Pratchett: Zwanzig Pence mit Umschlag und Weihnachtsgruß
Daniela Knor: Mittwinternacht
Michael Peinkofer: Das Geschenk
Thomas Plischke: Horch, was kommt von draußen rein
Thomas Finn: Meister Calamitas' erstaunliche Kuriositäten
Charlotte Kerner: Vierundzwanzig Hahnenschreie
Florian Straub: Das Ritual
Ian Watson: Wenn Jesus durch den Kamin kommt
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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