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"She" ("Sie") lautet die Ehrenbezeichnung des Volkes der Amahagger für ihre Königin Ayesha: "She who must be obeyed" (Sie, der man gehorchen muss). Von dieser seltsamen Frau erfährt Leo an seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag. Kurz vor seinem Tod übergab Vincey Ludwig Horace Holly, einem Privatgelehrten aus Cambridge, eine Truhe, sorgte für dessen weiteres Leben und übertrug ihm das Sorgerecht für seinen Sohn. In jener Truhe finden sie eine Tonscherbe, die den langen Stammbaum von Leos Familie bestätigt - und geradezu unglaublich ist. Kallikrates, ein ägyptischer Priester, floh im Jahr 339 v. Chr. mit der Prinzessin Amenartes aus Ägypten und strandete in Afrika, wo er auf Ayesha traf. Bald kam zu einem Drama der Eifersucht: Ayesha begehrte Kallikrates für sich und erstach ihn in einem Anfall der Eifersucht; Amenartes wurde fortgeschickt. Nach wie vor liegt der Schwur der Blutrache über Ayesha.
An Leo wäre es nun, jenen Schwur zu erfüllen oder ihn ins Land der Legenden zu verweisen. Schließlich beschließen er, Holly, und ihr Diener, nach Afrika zu reisen, um die Legende zu prüfen - und in jedem Fall auf Großwildagd zu gehen. Geld ist genug vorhanden, denn der alte Vincey gab explizit Anweisungen, Geld aus seinen Besitzungen zu sparen, sollte sein Sohn diese Reise unternehmen wollen, die er selbst nie wagte.
Über jener Reise scheint ein schlechter Stern zu stehen, denn wie einst Kallikrates und Amenares wird das Schiff vom Ozean verschluckt - aber wie die Ägypter werden auch Leo und seine Begleiter gerettet und erfahren dass Afrika führwahr ein Land der Legenden ist: Ayesha lebt und möchte die Ankömmlinge bald sehen. Was wiegt stärker: ein fünfundzwanzig Generationen währender Racheschwur oder die Liebe einer unsterblichen Frau, die seit ebenso langer Zeit auf die Reinkarnation ihres Geliebten wartet?
Das Buch erhält 9 von 10 Punkten.
Die Rahmenhandlung von "She" ist einigermaßen kompliziert geschrieben und verstrickt die Handlung bereits in ein Netz von Geschichten: Der fiktive Herausgeber erhielt die Aufzeichnungen von Holly, nachdem er und Leo zu einem weitern Abenteuer aufbrechen wollen (Ayesha finden - siehe die Fortsetzung). Dies wird in einem Vorwort absolut deutlich gemacht und schafft somit schon zwei Rahmen. Ein dritter kommt durch die Geschichte Kallikrates' hinzu; Ayesha weiss später von Philosophen und Göttern zu berichten, die lange schon zu Staub zerfallen sind.
Die Geschichte selbst schickt sich an, wie ein Abenteuerroman abzulaufen und wird am Anfang auch als solcher bestätigt, mit starken Mystery-Elementen. Bald schon sind Parallelen zur Geschichte der ägyptischen Flüchtlinge offensichtlich. Das Kernstück der Handlung bildet jedoch zweifellos der Aufenthalt im Palast "Ayeshas". Erstaunlicherweise ist es mehr Holly als Leo, der ins Zentrum der Handlung rückt. Er erfährt von untergegangenen Kulturen und der Kultur der Amahagger, des Steinvolks. Insofern bleibt die Handlung noch auf einem weltlichen Niveau und könnte als Archäologenroman bezeichnet werden. Jedoch gibt es hier ein zentrales mystisches Element, das beispielsweise in "King Solomon's Mines" fehlt: Ayesha IST alterslos. Darauf vorbereitet wird der Leser schon zu Beginn durch verschiedene Legenden. Kann er mit Holly zweifeln und vermuten, dass die Königin einfach durch geeignete junge Frauen ersetzt wird, so wird zuletzt doch klar, dass dem nicht so ist: Ayesha badete in einer besonderen Flamme und erhielt Unsterblichkeit.
Dieses Topos wird von mehreren Seiten beleuchtet: zwar ist es ein großer Segen und vermutlich gibt es niemanden, der Ayeshas Wissen übertreffen könnte, doch ist sie zugleich Folter für die Frau, die auf ihren Geliebten warten muss: der "Schlaf" ist ihr versagt und sie kann nur warten, warten, warten... Zwar hat sie ein Volk unter sich und ewige Jugend - doch niemanden, der ihr gleich gestellt ist, niemanden, mit dem sie sich als Ebenbürtige unterhalten könnte. Die Tragik dieser Figur wird jedoch durch ihre Grausamkeit gebrochen: die Leben der Amahagger bedeuten ihr nichts; sie sieht sich als eindeutig überlegen an, tötet wenn es ihr beliebt und setzt ihren Willen über die Traditionen der "Barbaren" wie auch über jene Völker, die längst untergegangen sind. Holly ist es, der die angebotene Unsterblichkeit schließlich aus jenen Gründen ablehnt und auch weiter Reflexionen ermöglicht.
"She" eröffnet keine fantastische Wunderwelt sondern bildet einen Roman der "Lost Race" Kategorie. Dieser zeigt ein Volk, das stark arabisch beeinflusst wurde und fügt ein einziges mystisches (magisches) Element hinzu, das im zweiten Teil des Romans an Bedeutung gewinnt. Spannung wird auf eine sehr unterschwellige Art erreicht: Es gibt Episoden konkreter Gefahr mit erhöhter Spannung, doch generell bleibt sowohl Spannung als auch konkrete Gefahr auf eher niedrigem Niveau. Dieses ist genug um zum Lesen zu animieren und sinkt auch nie vollends ab. Mehr als durch Action wird dieses Niveau durch die Mysterien um Ayesha, ihr Volk, und jene die vor ihr dort lebten gehalten: es appelliert an die Neugier des Lesers - und wer vermag letztlich schon zu sagen, ob an der Legende dieser Flamme nicht doch etwas dran ist?
Fortgesetzt wird die Geschichte in "Ayesha - The Return of She" ("Ayesha - Sie kehrt zurück"). Der Roman ist für sich allerdings abgeschlossen. Ein Prequel mit dem Titel "She and Allan [Quartermain]" folgte 1921; ein weiteres, "Wisdom's Doughter" 1923. Der Roman ist fr sich allerdings abgeschlossen.
Der Text (englisch) ist im Project Gutenberg verfügbar: http://www.gutenberg.org/ebooks/3155.
Eine Hörbuchversion mit diesem Text gibt es bei LibriVox: http://librivox.org/she-by-h-rider-haggard/.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
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