Buch-Cover, Mary Shelley (Wollstonecraft): Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Originaltitel: Frankenstein; or, The Modern Prometheus [EN]
Übersetzer: Christian und Ursula Grawe
Genre: Phantastik
Verlag: Reclam
Seiten: 326
Erschienen: 01/1986 (Original: 1818)
ISBN: 3-15-008357-5
Preis: 6,60 Euro (Softcover)
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Als Student der Naturwissenschaften überkommt Victor Frankenstein der Drang, dem Geheimnis des Lebens auf die Spur zu kommen. Zu diesem Zweck widmet er sich nach der Chemie der Anatomie, treibt sich auf Friedhöfen herum und sammelt Körperteile, um ein neues Lebewesen zu schaffen. Das Experiment gelingt - doch groß ist der Schrecken des "Schöpfers", als er sein Werk zum ersten Mal sieht; verflogen ist der Enthusiasmus des Schöpfungsprozess, zurück bleibt nur vollkommene Abscheu.

Victor versteckt sich und das Monster flieht. Ein Fieber fesselt den Wissenschaftler zunächst ans Bett und das Monster scheint verschwunden. Doch dann, in den Bergen, taucht es wieder auf und stellt eine Forderung: Victor soll ihm eine Frau erschaffen, denn das Monster sehnt sich nach der Zuneigung, welche die Menschen ihm verwehren. Victor zögert, denn das Monster hat bereits zwei Tote verschuldet. Andererseits ist seine Forderung nicht gänzlich unberechtigt. Schließlich stimmt Victor zu, doch die Abscheu vor seinem Werk bleibt und die Erschaffung eines zweiten Wesens soll nur im Geheimen geschehen.

Mary Shelleys Frankenstein, mit dem meist unterschlagenen Subtitel "Der moderne Prometheus", gehört unzweifelhaft zu den Klassikern der phantastischen Literatur und hat insbesondere den frühen Film stark beeinflusst. Innerhalb dieses Mediums kam es auch zu mehreren Fortführungen. Mehr als alles andere ist jedoch das Bild des "Monsters" von ihm geprägt - im Roman selbst ist das Aussehen sehr unspezifisch, gerade dadurch jedoch die Phantasie anregend.

Im Sprachgebrauch hat sich die Bezeichnung "Frankenstein" für das Monster selbst etabliert - im Roman bekommt es jedoch keinen Namen sondern lediglich verschiedene Bezeichnungen wie Teufel, Satan oder Unhold. Gerade dieses Fehlen des Namens ist ein zentraler Punkt: Das Monster hat keine Identität in der Gesellschaft, keinen Platz. Dementsprechend gab ihm weder Victor einen Namen noch sah es sich in der Lage oder zog es in betracht, sich selbst einen zu geben.

"Frankenstein" stammt aus der literarischen Strömung der Schwarzen Romantik oder Schauerromantik und bewegt sich somit im Bereich des Schauerromans ("gothic novel"). Mehr noch: "Frankenstein" ist geradezu der Prototyp für diese Art des Romans und insbesondere für "wissenschaftlich" hergestellte Monster (im Kontrast zu durch Magie geschaffenen wie Golems u.ä.). Über die Entstehung und die wissenschaftliche Bearbeitung des Stoffes ist an anderen Stellen weit mehr gesagt als hier nötig und sinnvoll, so auch im gut verfassten Nachwort der o.g. Ausgabe. Bereits das Genannte sollte Anreiz geben, den Roman zu lesen, wenn nicht im Original dann wenigstens in der Übersetzung: der Einfluss auf spätere Schauerromane kann kaum überschätzt werden und Frankenstein ist als DAS Bild des Monsters im kollektiven Gedächtnis der westlichen Zivilisation präsent. Dabei ist das zentrale Bild des Monsters durchaus nicht eindeutig: es wirkt vielfach gebrochen. Dies mag man darauf reduzieren, dass es keinen Platz hat, aber gerade dies lässt auf die Frage stoßen, warum es an diesem Platz mangelt. Wie das Monster behauptet, mag man schließen, dass es ganz anders hätte kommen können, hätte das Monster statt Ablehnung Integration erfahren. In diesem Atemzug mag man schließlich auch fragen, ob nicht Frankenstein selbst, Victor, das eigentlich Monster ist. Zweifellos findet sich in ihm das Motiv der Hybris, der gnadenlos-arroganten Selbstüberschätzung und Anmaßung, die sich letztlich negativ auf ihn und alles, was er liebt, auswirkt. Gegen Ende ergreift schließlich ein beiderseitiger Rache-Topos das Geschehen, der in der unlösbar scheinenden Bindung zwischen Schöpfer und Geschöpf endet. Dabei ist das Ende selbst auf eine Art fast vorhersehbar - jedoch zuletzt nicht gelöst, denn alles was über "das Ende" gesagt wird stammt aus einer Quelle, der sicher nicht unkritisch zu glauben ist.

Die Handlung um die Zweifel Victor Frankensteins und die mitunter starke Ungewissheit über das Monster (Teufel? Missverstandenes, gutherziges Geschöpf?) ist es, welche die Spannung des Romans ausmacht. Dabei sind stets - insbes. um das Monster - große Lücken gelassen, welche durch die Phantasie des Lesers gefüllt werden - oder durch das bereits erwähnte Medium Film. Wenngleich ein "Schauerroman", so wird innerhalb der heutigen Medienlandschaft Frankenstein vermutlich nicht so stark wirken wie bei seinem Ersterscheinen. Inzwischen sind wir an Horror und Schrecken gewöhnt. Dennoch bleibt hier eine ausgeprägte psychologische Dimension erhalten, die in visuellen Medien oft zugunsten starker Bilder verkümmert.

Frankenstein als Prototyp des Schauerromans ist in jedem Fall eine Lektüre wert - und auch heute noch zu weiten Teilen spannend.

Als (von mir nicht getestetes) Hörbuch ist Frankenstein bei der Stadtbücherei Stuttgart gratis als Download verfügbar: http://www.stuttgart.de/stadtbuecherei/druck/audio/audio.htm. Ebenso ist der Text (auf Englisch) im Project Gutenberg verfügbar: http://www.gutenberg.org/ebooks/84. Eine Liste erster Hinweise zu wissenschaftlicher Sekundärliteratur liefert die angegebene Ausgabe des Reclam-Verlags, die auch ein ausführliches Nachwort (30 Seiten) enthält.

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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