The Knight's Tale
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(Klassiker)
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Nachdem Theseus siegreich aus einer Schlacht hervorgeht, werden auf dem Schlachtfeld zwei Ritter gefunden, Cousins, gekleidet in die königliche Tracht von Theben. Diese lässt sie sofort als Arcite und Palamoun identifiziert werden. Theseus entscheidet, die beiden als Gefangene nach Athen zu schaffen und lässt sie im Hauptturm einkerkern.
Jahre vergehen und eines Tages im Mai erblickt Palamoun von einer erhöhten Kammer Emilye, in welche er sich verliebt - Arcite geht es nicht anders und die Verwandtschaft und Waffenbruderschaft bekommt erste Risse. Wenig später wird Arcite aufgrund von Fürsprache freigelassen, doch kann er sich nicht freuen: Er ist bei Androhung des Todes aus Athen verbannt und kann seine geliebte Emilye nicht mehr sehen. Also beschließt, er, sich als Diener einzuschleichen.
Später kann auch Palamoun aus dem Gefängnis entkommen. Wie es der Zufall will, treffen die beiden Ritter in einem Wald aufeinander und duellieren sich eiligst, um über Emilye zu entschieden. Unterbrochen werden sie von Theseus, der an eben jenem Tag auf die Jagd zu gehen entschied. Nachdem er die Identität seiner beiden ehemaligen Gefangenen erfährt, macht er einen Vorschlag: Beide sollen einhundert Ritter auftreiben und es soll ein nicht tödliches Gefecht in einer Arena geben. Der Sieger erhält Emilye zur Frau.
Die beiden Ritter stimmen zu und bald stehen die "Heere" bereit, mit ungefährlichen Waffen aufeinander loszugehen. Doch ein Einfluss könnte sich als größer erweisen als die Kraft aller Waffen: Die Götter, zu denen die Recken beten...
The Knight's Tale ist die erste Geschichte aus Geoffrey Chaucers Canterbury Tales und als solche eingebunden in den Über-Plot einer Pilgerfahrt zum dortigen Heiligtum. Wie man es von einem Ritter erwarten kann, handelt diese Geschichte von Ehre und Kampf und ist damit doch deutlich mit heutiger Fantasy verwandt, insbesondere, wenn man die Dimensionen betrachtet.
Eine große Schlacht um Theben, zwei Ritter, eine Frau - und bald darauf 202 Ritter, die einander in ehrenhafter Schlacht begegnen. Dies ist sicher auch genügend Stoff, um eine gute Fantasygeschichte zu schaffen - und ich meine keine Kurzgeschichte, denn im Vergleich zu einigen anderen Geschichten der Tales besitzt diese erste eine gewisse epische Breite.
Zu bemerken ist zu dieser Geschichte genug - es lebe die Forschung! - weswegen ich wie so oft nur einzelne Teile anreiße.
Die beiden Ritter sind Cousins und dies macht ihren Streit viel bedeutender als unter Fremden. Stein des Anstoßes ist eine Frau, und Frauen kommen in dieser Geschichte nicht allzu gut weg: Emilye spricht ein einziges Mal und das nur um die Götter zu bitten, niemanden heiraten zu müssen. Die Bitte wird abgeschlagen. Andernorts spricht Theseus für sie und entscheidet alles.
Auch andere Frauen haben keine Stimme, selbst Hypolita, die ehemalige Königin der Amazonen und nun Frau Theseus' nicht. Alles, wozu Frauen imstande sind, ist weinen, bitten und um Gnade flehen - was ihnen unter dem Banner des Rittertums allerdings auch gut gelingt.
Emilye, Stein des Anstoßes, und, wenn man so will, Wurzel des Übels zwischen den Rittern bleibt dabei entschieden Gesichtslos, im wahrsten Sinne des Wortes: Gelbes Haar, langer Zopf, weiße Haut, rosige Wangen. Ja, das war's schon - der Charakter? Himmel, wer kümmert sich denn darum... Bei dieser Schilderung scheint der Streit der Cousins umso unnützer: Keiner kennt Emilye wirklich.
Entschieden wird alles letztlich durch die Götter, die sich zwar in einer Hierarchie zeigen aber andererseits auch recht willkürlich: Statt sich um die Essenz der Gebete zu kümmern, lehnen sie einfach ab (Emilye) oder entschieden sich im Falle Arcites und Palamouns den genauen Wortlaut zu erfüllen.
Für einen heutigen Roman ist das Ende ein wenig unbefriedigend und einige Fragen bleiben offen, insbes. wie es weiter geht. Für Theseus war es ein gelungener politischer Schachzug und man kann vermuten, dass "alles gut wird". Welche Interpretation der Geschehnisse man auch immer wählt: Mit Theseus auf der Seite eines geordneten Kosmos (man vergleiche seine geradezu einem Gott ebenbürtige Macht während der gesamten Handlung) und den den Kosmos mehr als willkürlich verstehenden Rittern bleibt auch breiter Spielraum für Interpretation.
Auch wenn die nächsten Geschichten kaum ein Fantasy-Setting oder auch nur ein ähnliches besitzen, muss man The Knight's Tale genau genommen im Zusammenhang sehen, denn der folgende Müller kommentiert mit seiner Geschichte gleichzeitig die erste: Die hier angetroffene Frau unterschiedet sich deutlich von Emilye, in Stand, Äußerem und Handlungsweise. Weitere Geschichten dieses Themas folgen ebenfalls.
Zuletzt ein Wort zur Sprache: Chaucer schrieb in spätem Mittelenglisch. Mit Hilfe von Kommentaren ist diese Sprache jedoch relativ gut zu verstehen (mit soliden Kenntnissen modernen Englischs): Skandinavische Einflüsse wie bei Sir Gawain and the Green Knight gingen stark zurück, französische Einflüsse wuchsen.
Verlinkt ist die (mit Recht derart beworbene) "beste" Ausgabe aller Chaucer-Werke der Gegenwart, die beispielsweise auch Troilus and Cryseide enthält, welches während des Trojanischen Krieges spielt und somit halb-historisch halb-mythisch und in einer dritten Hälfte halb-phantastisch ist. Die Seitenzahl bezieht sich auf die Einzelgeschichte (2spalitg gedruckt, relativ kleine Schrift).
[Nicht zu verwechseln ist THE Knight’s Tale mit dem Film A Knight’s Tale, welcher bekannt ist für seine anachronistischen Elemente inklusive Rockmusik und dem Auftritt Geoffrey Chaucers. Wenn überhaupt, ist diese Geschichte lose an die Knight’s Tale angelehnt.]
Auch im Project Gutenberg ist dieser Text gratis und legal zu finden [komplette Canterbury Tales]: http://www.gutenberg.org/ebooks/2383
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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