Das Nibelungenlied
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Einst lebte in Worms am Rhein die schöne Kriemhild, die zu freien Siegfried sich wünschte. Jener hatte zuvor schon einen Drachen erschlagen, in seinem Blut gebadet und war so unverletzlich geworden. Zudem war er im Besitz einer Tarnkappe, welche er dem Zwergen Alberich abnahm, der nun für ihn den Schatz der Nibelungen bewachte. Jene waren zuvor ebenfalls von Siegfried erschlagen worden.
Nach einigen Hilfen für die Könige am Rhein, unter anderem den Erwerb von Brunhilds Hand für König Gunther, wird Kriemhild dem Drachentöter zur Frau gegeben. Doch bald schon wird aus Neid um den großen Schatz der Nibelungen gegen Siegfried intrigiert. Mit einer Einladung wird er aus der Heimat nach Worms zurück gelockt. Im Glauben, ihn zu schützen, offenbart Kriemhild ihrem Onkel Hagen die einzige Stelle, an der Siegfried noch zu verwunden ist, doch Hagen hat längst Siegfrieds Tod beshclossen, da er die Herrin Brunhild beleidigte. Bald schon findet Kriemhild den geliebten Ehemann tot vor ihrer Tür. Zudem stiehlt Hagen ihr den Nibelungenhort und versenkt ihn im Rhein.
Auf Rache sinnend heiratet Kriemhild nach einigen Jahren den Hunnenkönig Etzel (Attila), der von der schönen Witwe hörte und nun selbst Witwer ist. Dort, im Hunnenland, gebietet sie über Krieger, die niemand sonst aufzubieten weiss.
Wiederum ziehen Jahre ins Land und schließlich lässt Kriemhild die Könige vom Rhein an Etzels Hof laden, wo sie blutig Rache nimmt...
Wer nichts von den Nibelungen gehört hat, der sollte dies Nachholen, allein schon da bei dem Stichwort Drachentöter den meisten der Name Siegfried in den Mund springt. Zudem hat ein gewisser "Richard Wagner" die Geschichte in einer Oper vertont. Nicht ohne Änderungen, selbstverständlich. Mit Fug und Recht kann man sagen, das im 13. Jahrhundert entstandene Lied ist das bekannteste deutsche Heldenepos. Die Geschichte ist hinlänglich bekannt - ist sie dadurch weniger spannend? Nein, keineswegs.
Gelesen wurde die zweisprachige Ausgabe (mitteldeutsch und hochdeutsch) von Helmut de Boor aus einer Weltbild Sonderausgabe mit 49 anderen Büchern, die leider nicht mehr zu bekommen ist (ISBN 3-8289-7400-7). Aus diesem Grund ist oben die ISBN der Reclam-Ausgabe angegeben. (Sie wurde von Helmut de Boor und Karl Bartsch bearbeitete. Übersetzt wurde sie von Siegfried Grosse, der sie ebenfalls um Kommentare ergänzte.)
Das Nibelungenlied ist allbekannt, hat Einträge in diversen Lexika und inspirierte immer wieder zu neuen Versionen, wie etwa in der neuen Nibelungensaga. Für weitergehende entstehungsgeschichtliche u.ä. Informationen, die den Rahmen dieser Rezension sprengen würden, empfehle ich https://de.wikipedia.org/wiki/Nibelungenlied wo man auch weitergehend Informationen findet.
Auch Wolfgang Hohlbein hat im Nibelungenlied fleißig Material gesammelt. Viele der Helden bieten eben guten Grundstoff für neue Erzählungen, insbesondere der recht düstere Hagen. Dabei ist zu erwähnen, dass schon der ursprüngliche Autor (der leider nicht bekannt ist) bereits aus anderen Quellen schöpfte: Dietrich von Bern, Attila, Hildebrandt, Walther - all diese Helden haben andere, ältere Sagen und tauchen vielen Epen wieder auf.
Das Nibelungenlied ist - wer hätte es anders gedacht - in Versform verfasst. Die 2379 Verse besitzen Endreime, die allerdings nur im Original vollends zur Geltung kommen, weswegen ich AUSDRÜCKLICH eine zweisprachige Version empfehle. Mein Blick ist vermutlich etwas durch ein Seminar der älteren Sprachstufen des Deutschen getrübt, jedoch denke ich, dass die wesentlichen Teile für jeden einigermaßen gebildeten Deutschen nachvollziehbar sind. Nicht alle Verse, aber die meisten. Diese ausdrückliche Empfehlung hat zudem einen weiteren Grund:
Im neuhochdeutschen Text sind Fehler. Viele Fehler. So ist "Gemahl" hier auch weiblich (was vermutlich jeder Sprecher ablehnen wird), ein König, der zehn Seiten zuvor abdankte, hat das Herrscheramt plötzlich wieder inne, ein verschenkter Schild ist wieder im Besitz des Schenkers. Das Metrum wird durch fehlende Apostrophierung bisweilen durcheinander gerüttelt - was allerdings auch im Originaltext einschläfernder Monotonie vorbeugt - und Bezüge sind seltsam verdreht, deuten mitunter sogar auf die falsche Person(!). Doppeldeutigkeit ist sowieso an der Tagesordnung. Wer ist Schuld? Der Übersetzer, Helmut de Boor.
Sind es Flüchtigkeitsfehler? Nein. Vielmehr sind es Fehler, die aus dem notwendigen(?) Wunsch entstanden, die Endreime zu bewahren. Dies gelang, doch fielen dieser Übersetzung viele Ausdrücke zum Opfer, die im Original eindeutig zu verstehen sind. Daher ist es mehr als angebracht, jene Version zumindest zum Nachsehen neben sich zu haben. Ob man dem Übersetzer einen Vorwurf machen kann, das ist eine schwere Frage - und ich werde sie nicht beantworten. Immerhin ist das Lied nun auch für "Neuhochdeutsche" in reimender Form lesbar, in wesentlicher Form unverändert und so deutlich lebendiger als ein Prosa-Text.
Das Nibelungenlied wurde von vielen übersetzt, daher mag diese Kritik auf andere Übersetzungen nur teilweise zutreffen. Tatsache bei allen bleibt jedoch, dass der Stoff erstaunlich gut lesbar ist. Zwar trieft das Werk vor Superlativen und man fragt sich, weshalb Boten bei derart reichlichem Lohn nicht eigene Königreiche gründen, aber all dies ist nicht störend. Ebenso wenig sind es Vorausdeutungen oder allzu reichliche Beschreibungen und stete Wiederholungen von Verwandtschaftsverhältnissen etc. Das ganze Epos liest sich durch Reim und Metrum äußerst flüssig und bietet durch die originalgegebene Unterteilung in 39 Aventiure (gesprochen Aventüre; Abenteuer) auch sinnvolle Unterbrechungen.
Das Nibelungenlied ist sicher keine Bahnlektüre. Es liest sich im Gegensatz dazu aber auch nicht schwer, man muss nicht tiefer in einen "uralten, kulturellen, geschichtlich bedeutenden Stoff" einsteigen. Man kann natürlich, bilden die mittelalterlichen Sagenkreise doch ein riesiges Netz. Jeder Freund von Drachentötergeschichten ist eigentlich verpflichtet, sich Siegfrieds Schicksal zu Gemüte zu führen, (er sei jedoch gewarnt: der Drachenkampf und das Umfeld werden kaum erwähnt) und auch jedem Fantasy-Freund sei es nahegelegt. Denn auch, wenn es "Fantasy" zu jener Zeit nicht gab: Verlegt man die Handlung in eine andere Welt (sofern man dies überhaupt für nötig hält), so hat man ein ideales Beispiel dessen, was wir heute als Fantasy bezeichnen und das mit ausgesprochen lebendigen Charakteren.
Bleibt nur: Zugreifen! Lesen! Zumindest in der örtlichen Bibliothek hineinschnuppern. Oder gleich online, denn das Projekt Gutenberg (deutsch), hält selbstverständlich auch diesen Text kostenlos online zur Verfügung - auch in beiden Sprachvarianten (leider noch nicht komplett):
http://gutenberg.spiegel.de/simrock/nibelung/0xmldir.htm
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
Zitat(e) aus dem Buch
- "Den stein sol er werfen unt springèn dar nâch, den gêr mit mir schiezen. lât iu niht sîn ze gâch. ir muget wol hie verliesen die êre und ouch den lîp. des bedénket iuch vil ebene", sprach daz minneclîche wîp.
- Ine kán niht bescheiden, waz sider dâ geschach: wan ritter unde vrouwen weinen man dâ sach, dar zuo die edeln knehte, ir lieben friunde tôt. hie hât daz maere ein ende: daz ist der Nibelungen nôt.
- "Bedenkt, erhabne Fürstin, so mancher Tag ging hin, Seit ich des reichen Schatzes, nicht mehr gewaltig bin. Meine Herren hießen, ihn senken in den Rhein. Bei Gott, dort muss er immer bis zum jüngsten Tage sein."
- "Die Sîfrides wunden lâzen wir nu stên: sol leben diu vrouwe Kriemhilt, noch mac schade ergên." sô redet von Berne der herre Dietrich. "trôst der Nibelunge, dâ vor behüté du dich."
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