Buch-Cover, Katherine Arden: Der Bär und die Nachtigall

Der Bär und die Nachtigall

Originaltitel: The Bear and the Nightingale [EN]
Serie: Winternacht-Trilogie (#1)
Übersetzer: Michael Pfingstl
Genres: Historische Fantasy; Mythic Fiction
Verlag: Heyne
Seiten: 432
Erschienen: 10/2019 (Original: 2017)
ISBN: 978-3-453-32003-1
Preis: 16,99 Euro (Softcover)
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Kurz & Knapp

  • Langsame, gemächliche Handlung
  • Gelunge Verknüpfung von Märchen/Folklore und Historie

Wasilisa Petrovna ist das Wunschkind ihrer im Kindbett verstorbenen Mutter. Deren eigene Mutter, so hieß es, war von einiger Wundersamkeit umgeben und eine ebensolche Tochter wünschte sich auch sie sich. Denn sie spürt, dass sie gebraucht wird. Und tatsächlich ist Wasja die Einzige, die die alten Geister sehen kann, die Haus und Hof beschützen. Und auch die mächtigen, schlafenden Geister in den Wäldern, die zu erwachen drohen. Doch ein junges Mädchen im mittelalterlichen Russland kann viele Dinge nicht einfach tun und eine religiöse Stiefmutter sowie ein eifriger Christen-Priester machen ihr und den Geistern das Leben nicht einfacher.

Das Buch erhält 7+ von 10 Punkten.

Bücher mit Russland haben für mich oft etwas Fremdes, Märchenhaftes. Das galt für Der Bär und die Nachtigall besonders, denn gleich zu Beginn wird eine typische Märchensituation geschaffen, welche sowohl Stimmung als auch recht langsame Handlung dominiert. Hinzu kommt eine historische Verortung. Das ist im Kern nicht neu - aber die Verpackung ließ mich bekannte Themen und Motive genießen.

Märchen-Grundlage

Sollte es noch nicht durch die Covergestaltung klar sein, so kommt bereits der Einstieg mit klarem Märchen-Feeling: Das Kindermädchen Wasja soll eine Geschichte erzählen. Schnell steuert Marina sie zur Geschichte von Karatschun, von Väterchen Frost und das nahende Unheil schwingt schon in dieser Geschichte mit, die dann auch die Basis für die weitere Entwicklung ist. (Märchenkenner werden eine Ähnlichkeit mit Frau Holle bemerken - wobei die russische Version doch wieder ganz anders ist und dieser Roman erst recht.)

Auch werden andere bekannte Erzählungen angerissen wie der Feuervogel oder Iwan und der Wolf. Wer sich schon einmal in die russische Märchenwelt begeben hat, der kennt diese Erzählungen. Im weiteren schreitet die Handlung langsam voran und hat dabei über lange Strecken einen märchenhaften Anklang mit russisch-slawischem Flair. Dass Wasja besonders ist und im Mittelpunkt steht, von Beginn an? Das ist durch den Wunsch ihrer Mutter de facto vorgegeben. Dadurch, dass sie auch realistische Probleme hat, bleibt sie zwar von Beginn an die "prophezeite" oder vielmehr herbeigewünschte Retterin, entfernt sich aber wie auch andere Figuren vom Archetyp des Märchens.

Schwierigkeiten mit Namen

Beim Lesen hatte ich einige Probleme - mit Namen. Damit meine ich nicht die Exotik der Namen - russische Bezeichnungen gehören zum Flair dazu. Allerdings geht die Autorin nicht eben sparsam mit Varianten und Koseformen um, so dass ich häufig nicht genau wusste, wer gemeint war. Überhaupt hatte ich einige Schwierigkeiten, Wasjas Geschwister auseinanderzuhalten.

Einfacher Test: Karatschun, Morosko, Gosudar - welches dieser drei Worte ist kein Name? Ich konnte es aus dem Text nicht erkennen. Zwar gibt es ein Glossar, aber Nachschlagen ist nervig. Ich las Der Bär und die Nachtigall zudem als eBook, wo Nachschlagen noch unbequemer ist. Insgesamt hatte ich mir hier doch einige Stellen zum Googlen markiert. Da der Roman aber ziemlich langsam ist, machte mir dies weniger aus, als es bei einem flotten Actionspektakel der Fall wäre.

Historische Elemente - Rolle der Frauen

Betrachtet man die Märchenhandlung, könnte diese fast ebenso schnell zu Ende sein wie das erste Kapitel. Der Bär und die Nachtigall erzählt hier jedoch eine Geschichte, die vor allem mit historischen Elementen rund um etwa das 14. Jahrhundert angereichert ist. "Rund um" weil es auch einige fehlplatzierte Dinge gibt. Das ist in Ordnung, denn dies ist kein historischer Roman; außerdem wird im Glossar vermerkt, dass die Handlungszeit "etwas früher" als das 15. Jahrhundert ist.

Mit einem Abstecher nach Moskau spielt der Roman weitab von allem, in Lesnaja Semlja ("Land der Wälder") am Rande der Wildnis. Historische Politik oder die Herrschaft der Mongolen haben hier nur geringen Einfluss. Historische Personen wie Sergius von Radonesch beeinflussen die Handlung daher kaum. Das ist anders bei einem Priester, der schließlich nach Lesnaja Semlja gesandt wird.

Denn im Zentrum der Handlung steht Wasja und sie ist nicht nur Enkelin einer Hexe (so der Titel des zweiten Kapitels), sondern auch selbst eine. Sie sieht die Geister des Landes und spricht mit ihnen - und das darf für den neuen Priester nicht sein, denn damit verliert Wasja ihre Seele.

Wasja denkt jedoch nicht daran, sich einfach zu fügen, und tut einige Dinge, die sich für eine junge Frau im mittelalterlichen Russland einfach nicht gehören. Dies vermittelt Katherine Arden durchaus überzeugend. Wasja wehrt sich gegen die Restriktionen ihres Umfelds, aber nicht stärker als es glaubwürdig wäre. Vor diesem Hintergrund ist dieses Buch auch der Roman einer starken jungen Frau, die ihren eigenen Weg findet.

Dezente Figurenausarbeitung

Im Märchen sind Figuren eindimensionale Archetypen. Auch hier findet man bekannte Schemata: die religiöse Stiefmutter, der neue Priester. Diese Figuren sind nicht detailliert ausgestaltet, aber durchaus mehrschichtig.

Wasjas Stiefmutter wollte eigentlich lieber ins Kloster, wurde aber gegen ihren Willen verheiratet. Hierin und dass sie unter ihrer eigenen Fähigkeit, Geister zu sehen, leidet und von Angst dominiert wird, kontrastiert sie stark stärker mit Wasja. Auch der neue, ambitionierte Priester ist kein purer Eiferer. Zwar sucht er auch den eigenen Aufstieg, aber ebenso will er Wasjas Seele retten, gerät selbst in Versuchung und bemerkt nicht, wie er von ganz anderen Mächten für deren Sache eingespannt wird. So führt er unwissend den zentralen Konflikt zwischen den alten Mythen und einem neuen Lebensweg herbei und ebnet den Weg für die Katastrophe.

Verrate ich hier zu viel, wenn ich zwei Figuren so zusammenfassend schildere? Ich denke nicht: Schon bei ihrer Einführung wird nach einem Umblättern klar, wie diese Figuren die Geschichte beeinflussen werden. Das macht Katherine Ardens Erzählung aber nicht weniger unterhaltsam.

Simple, langsame Erzählweise

Schaut man auf die Art, wie Arden erzählt, stößt man auf einen meist simplen Stil, der sich in einigen Abschnitten dem Märchen annähert. Zu Glück nur gelegentlich driftet die Autorin ins Malerisch-Melodramatische und dann meist um Zeit zu überbrücken. Mit Ausnahme meines Namenproblems ergab sich so ein flüssiges Lesen.

Ich sage hier bewusst flüssig; nicht flott. Denn das Buch baut sich langsam auf, stellt das Alltagsleben dar und zeigt gelegentlich den unaufdringlichen Platz des Übernatürlichen, bis es erst am Ende ins Mythische zurückkehrt. Mir hat das mit einem ganz eigenen Charme gefallen. Wer hingegen Action oder eine direkt aufs Ziel gerichtete Handlung sucht, wird mit anderen Büchern besser beraten sein.

Auch eine ganz neue Geschichte darf man nicht erwarten. Eigentlich ist das Finale schon nach wenigen Seiten vorhersehbar. Einen massiven Twist würde dieses Werk auch gar nicht vertragen - es lebt ein Stück von den bekannten Ideen und im Weiteren von der Art der Neuerzählung und der Verknüpfung mit einer historisch zwar nicht ganz korrekten aber doch glaubwürdigen Kulisse. Vorhersehbarkeit in der Grundhandlung macht mir da nichts aus.

Der Bär und die Nachtigall erzählt keine neue Geschichte aber verknüpft in gekonnter Erzählung bekannte Motive aus russischen Märchen und Folklore mit Historischem. Für wen der Winter und die Weihnachtszeit immer auch Märchenzeit sind und gemächlich lesen möchte, der sollte hier einen Blick wagen!

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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