Buch-Cover, Robert Corvus: Berg der Macht

Berg der Macht

Serie: Gezeiten der Macht (#1)Genre: Fantasy
Verlag: Piper
Seiten: 448
Erschienen: 02/2019 (Original: 2019)
ISBN: 978-3-492-28172-0
Preis: 13,00 Euro (Softcover)
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Kurz & Knapp

  • Frisches Setting mit neuen Ideen
  • Viele Perspektiven
  • Keine Identifikationsfigur
  • Durchgehend spannend
  • Highlight: Worldbuilding

Nach dem Sieg über Haus Adlerhoch gelangt Haus Schneegrund zu neuer Macht auf dem Berg Ianapat. Jahre später wird es für den Grafen an der Zeit, in den Berg zu gehen und einer der Unsterblichen zu werden. Doch nicht nur Semire, die Tochter des Grafen, ist nicht mit der Rolle zufrieden, die ihr traditionell gebührt. Auch der Graf selbst ist in mancher Hinsicht seltsam, und fördert unter anderem einen Maler aus dem einfachen Volk während seine Steinmagier nicht ganz gewöhnlichen Forschungen nachgehen. Währenddessen will ein Volk an den Grenzen erneut den Berg Ianapat für sich erobern. Denn die Herrschaft über den Berg bedeutet Macht.

Das Buch erhält 8-9 von 10 Punkten.

Berg der Macht ist schuld, dass ich eine Haltestelle verpasst habe. Das nehme ich gerne in Kauf. Zunächst bringt der gerade und dichte Stil die Handlung auf Tempo, die dann durch ein interessantes Setting fasziniert. Der Wermutstropfen: Der Werbetext ist die komplette Inhaltsangabe, das Ende kommt sehr schnell und abrupt. Trotzdem habe ich den Roman genossen - und würde am liebsten direkt weiterlesen.

Werbetext: Ganzer Inhalt

Bin ich der Einzige, der in letzter Zeit gar nicht mitbekommt, dass ein Buch ein Serienauftakt ist? Eigentlich egal; stört Vielleser nicht sonderlich. Ein gewisses Problem habe ich jedoch mit dem Werbetext.

Bei Berg der Macht ist eben dieser Text aber die komplette Inhaltsangabe. Na gut, nicht die komplette und nicht in allen Details. Aber von der Haupthandlung her reicht dieser Text nahezu bis zum Ende; und einige dort erwähnte Dinge werden noch nicht einmal aus der Handlung klar. Das finde ich unnötig, mindestens nah an der Grenze zum Spoiler. Aber ich gebe zu: Bei diesem Roman ist es durchaus schwer, die Richtung zügig zusammenzufassen. Abgesehen davon hat er gut unterhalten - auch, weil er durch den geschaffenen Hintergrund brilliert.

Zudem: Für Vielleser wie mich ist etwas ganz Neues schwer bis unmöglich. Einzelne neue Ideen und dann die Art, wie es erzählt wird, zählen. Und das gelingt durchaus. Es bleibt jedoch: Als Einzelband lässt dieses Buch den Leser dort zurück, wo mancher Prolog endet - mit jeder Menge unabgeschlossener Handlungen.

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Der Granit des Bergs Ianapat verleiht dem Adel ewiges Leben. Der Preis dafür: die Trennung der Seele vom Körper, denn unsterblich sind nur Geister. Die Adelshäuser sind dem Willen jener Geister unterworfen. Nach den Launen der Unsterblichen fechten sie ihre Fehden aus – und besiegeln Bündnisse mit Heiraten. Doch die Grafentochter Semire von Schneegrund will beweisen, dass mehr an ihr von Nutzen ist als nur die Hand, die sie einem Baron reichen kann. Währenddessen tritt der Maler Quilûn in den Dienst des Tiefen Hauses Schneegrund. Unversehens wird er zu einer Figur im Machtkampf der Herrschenden. Seine Stellung könnte das Tor zur Gerechtigkeit und Freiheit für alle sein ...

Viel Personal - keine Identifikationsfigur

Das liegt auch an der Vielzahl unterschiedlicher Handlungen und Bezugspersonen: ein hoher Adeliger, der die Dinge anders sieht als die meisten; seine Tochter, die sich nicht in ihre Rolle fügen will; forschende Magier; ein Maler mitsamt seiner Vorgeschichte; ein vom Berg vertriebenes Volk.

Auf den ersten Blick gibt es zwischen diesen Figuren wenig gemeinsame Handlung und viele wirken mehr wie Nebenfiguren denn als Protagonisten, mit dem sich ein Leser klassischerweise identifiziert. Man könnte auch sagen, dass ein wenig Stringenz fehlt, auch wenn man natürlich sieht, wie diese Handlungen wohl zusammenlaufen werden. Das zeigt sich bei manchen Szenenwechseln: Als Leser erfuhr man gerade etwas Neues und erwartet nun die Reaktion der Figur, die dies betrifft. Stattdessen geht es erst an anderer Stelle weiter. Das erhöht einerseits die Spannung, andererseits aber auch dieses Gefühl des Unverbundenen.

Gerade beim Maler Quilûn stellt sich mir lange die Frage, warum eine Nebenfigur derart viel Platz einnimmt - und wenn man den Werbetext las, fragt man sich, welche besondere Rolle er denn nun einnimmt. Und: Seine neue Rolle beginnt erst am Schluss, im fünften und letzten Teil des Buches. Und sobald er sie bekommt, taucht er nicht mehr auf. Das tut der Spannung kaum Abbruch, ließ für mich aber ein seltsames Gefühl zurück.

Zu diesem Gefühl trägt auch bei, dass es keine richtige Haupt- oder Perspektivfigur gibt. Selbst die Figur des Prologs ist anschließend nur eine unwichtige Nebenfigur. Auch Quilûn, der vermutlich in den weiteren Teilen ins Zentrum rückt, steht eher abseits. Am ehesten kommen als Perspektivfigur noch Semire infrage oder ein Anführer der Rebellen, der gewisse Moral zeigt - aber nicht wirklich. Dazu haben sie zu wenig Raum, sind nur eine gelegentliche Perspektive unter anderen. Wer großen Wert auf die Identifikation mit einem Charakter oder gar dem Helden legt, wird es daher etwas schwer haben.

Gekonnter Hintergrund

Bei all diesen verschiedenen Handlungen erhebt sich im Hintergrund der Berg Ianapat, der einige neue Ideen in die Geschichte bringt. Und ein unverbrauchtes Setting. In jenem Berg leben die hohen Adeligen der Tiefen Häuser ewig: körperlos, als Geister. Um ihnen die Ewigkeit zu vertreiben, suchen die Lebenden die Schönheit der Welt und bannen sie in Kunstwerke, die sie dann in die Gärten der Unsterblichen bringen. Hier sieht man auch schon die Anknüpfung an den Maler und die Kunst.

Der Berg bringt aber noch mehr Hintergrund und Änderung gegenüber dem Standard: Magie durchdringt in dieser Welt den Fels des Berges Ianapat und basiert auf diesem. Magier sind daher eher Handwerker und Steinmetze, die vorhandene Magie lenken, als die klassischen Bücherwälzer. Das äußert sich auch in der Form, in der sie ihre Magie betreiben.

Dieser Hintergrund wird nie explizit dargelegt. Vielmehr gelingt es Robert Corvus, ihn in das normale Alltagsverhalten der Figuren einzuflechten. Auch das macht diese Welt anders als viele Standard-Welten mit Orks, Drachen und Elfen. Ihr bleibt auch eine gewisse Unklarheit. Einiges kann sich der Leser erschließen, aber nicht alles. Das ist nicht störend: Man hat ein Bild davon, wie die Welt um den Berg Ianapat funktioniert. Gleichzeitig rätselt man, welche Rolle beispielsweise die Unsterblichen einnehmen und was das Geheimnis bedeutet, auf das einige Magier stoßen. Denn hinter vielem scheint einiges mehr zu stecken. Worldbuilding? Ein definitives Highlight dieses Romans! Und das ganz ohne künstliche Erklärung oder Infodump. (Der Werbetext könnte als solcher durchgehen.)

Allerdings: Das Springen zwischen recht vielen Figuren könnte für einige negativ wirken. Ein Beispiel zeigt sich bereits bei Prolog und erstem Kapitel. Diese spielen 16 Jahre vor der Haupthandlung - und sowohl Quilûn als auch ein Adeliger (die hier scheinbar die Hauptfiguren sind) verschwinden danach im Grunde. Das hat durchaus einen Sinn: Mit dem weiteren Roman zeigt sich eine Veränderung in der Welt. Man darf aber nicht erwarten, die vollständige Funktion dieser Welt präsentiert zu bekommen.

Spannung mit Standards

Bei einem Fantasy-Roman ist aber einiges Standard - und das ist keineswegs negativ gemeint. Die Rebellen, die zurück zum Berg wollen; eine Person, die bereit ist, auch Tausende zu opfern; ein Adeliger und seine Tochter, die Dinge etwas anders sehen; verbotene magische Forschung ...

Besonders die Auseinandersetzungen mit den Rebellen führt immer wieder zu Konflikten mit Waffengewalt und steuert in diesem Roman die Action bei. Den Kämpfen widmet Robert Corvus durchaus einige Zeit. Verbotene Forschungen nutzt er, um Intrige und Heimlichkeit beizusteuern. Alles ist durchsetzt mit den typischen Einstellungen und Gewohnheiten, um den Berg am Laufen zu erhalten. Diesen Hintergrund flicht Robert Corvus in die Handlung ein, die an Spannung kaum jemals nachlässt. Dazu trägt auch sein sehr dichter Stil bei. Gerade zu beginn finden sich schnelle, unverschnörkelte Sätze, die den Leser tief in die Geschichte ziehen. Und nicht mehr loslassen.

Entscheiden wird, was noch kommt

Am Ende des Romans ist nichts wirklich entschieden. Man steht hinter einem sehr langen Auftakt, zu dessen Abschluss sehr viele Dinge sehr plötzlich geschehen. Habe ich den Roman genossen? Ganz sicher!

Aber Robert Corvus muss nachlegen und an der Fortsetzung wird sich auch dieser Auftakt messen lassen müssen. Denn soweit sind die Dinge ins Rollen gekommen, aber einige hängen in der Luft. Welche Rolle spielt der Maler, der auch das Bedeutsame im Grausamen und Hässlichen sieht? Welchen Platz nehmen die Geister der Unsterblichen ein?

Auch gibt es einige Konzepte, wie die Lichtknechte und ihre Spiegel, die das Licht in die Gärten der Unsterblichen leiten, die nicht weitergeführt werden. Auch durch die Strafe der Versteinerten zeigt sich erneut die Verbindung zum Stein - und das passt.

Gerne mehr. Hier hoffe ich, dass diese Details noch bedeutender werden und mehr als Hintergrund. So wie einiges offen bleibt, sind einige Rollen zumindest im Groben klar. Insgesamt fühlt sich das Ende jedoch wie ein ziemlich breiter Cliffhanger an. Allerdings ein untypischer: einerseits durch die Breite der offenen Fragen; andererseits dadurch, dass der Leser am Ende weiß, dass etwas passieren wird - nur nicht was.

Lese ich den zweiten Teil? Garantiert! Mit Berg der Macht schuf Robert Corvus eine spannende Fantasy-Geschichte mit einem unverbrauchten, frischen Setting. Wer Cliffhanger hasst, wartet aber besser bis zur Fortsetzung. Die ist angekündigt für August 2019.

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

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