Der Galgen von Tyburn
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Kurz & Knapp
- Wieder in London
- Nerd-Humor
- Weniger Lokalmythologie
Wenn Police Constable Peter Grant im Spiel ist, geht es üblicherweise um Magie. Diesmal jedoch fordert Lady Tyburn einen Gefallen ein: Peter soll Tyburns Tochter aus einer Ermittlung heraushalten. Diese scheint jedoch gänzlich unmagisch - und das macht Peters Job ironischerweise nicht leichter. Gleichzeitig wird dem Folly ein magisches Buch angeboten. Ein Buch, an dem auch Magier anderer Nationen Interesse haben - und der Gesichtslose. Dass dieser endlich greifbarer wird, ist zwar einerseits erfreulich, andererseits der öffentlichen Ordnung nicht unbedingt zuträglich.
Das Buch Der Galgen von Tyburn erhält 7-8 von 10 Punkten.
Den vorherigen Band, Fingerhut-Sommer, hielt ich für den bislang schwächsten. Ich begründete das unter anderem mit dem Fortgang aus dem einigermaßen bekannten London hin in die unbekannte Countryside. Nun ist Peter Grant wieder in London - und dieser sechste Band ist besser. Allerdings braucht er Zeit, um in Schwung zu kommen und reicht nicht an die ersten Bände heran. Das liegt für mich vor allem daran, dass der Gesichtslose ins Zentrum rückt und mystisches Lokalkolorit an den Rand drängt.
Peter Grant: Ein Constable im Alltagstrott
Zu Beginn dieses Romans plätschert die Geschichte einfach nur so vor sich hin. Die Geschehnisse aus Fingerhut-Sommer spielen keine rechte Rolle, sind erledigt und passe. Für mich wichtiger: Peters genial-verrückte Ideen in der Magieforschung geraten ziemlich in den Hintergrund und werden nur thematisiert, wenn sie für irgendeine Lösung wichtig sind. Seine Familie und Beverly sind da; die übergreifenden Nebenlinien entwickeln sich weiter, sind aber so sehr im Hintergrund, dass sie kaum ins Gewicht fallen. Das hat etwas von Alltagstrott.
Wobei dies ja nicht ganz schlecht ist. Ich brauche nicht die pure Action (die gibt es auch - später) und mir gefällt es, dass Peter nicht einfach alle Lösungen in Sherlock-Holmes-Manier herbeizaubert. Immerhin gehört er zur großen Maschinerie der London Metropolitan Police und hat dadurch auch Einschränkungen und Vorgaben. Und natürlich Vorgesetzte, die mit dem abstrusen Krams des Folly am liebsten nichts zu tun haben wollen.
Auflockerung gibt es durch den gewohnten Nerd-Humor mit Anspielungen auf Star Trek, Dr. Who und allerlei anderer trockener Kommentare. Dennoch hatte ich lange das Gefühl, dass einfach nichts so richtig passiert.
Scheinbare Haupthandlung: Missglückte Teenager-Party
Das mag erstaunen, immerhin startet die Haupthandlung gleich auf der ersten Seite: Lady Ty ruft Peter an und fordert einen Gefallen ein. Also sollte es doch gleich richtig magisch werden und zur Sache gehen? Aber leider ist das einzig magische die Anwesenheit von Lady Tys Tochter auf einer Party. Zugegeben: eine Party in einem Gebäude, in dem die Teenies nichts zu suchen hatten und die mit einem Todesfall endete. Aber insgesamt ist diese ziemlich gewöhnlich.
Zu diesem Schluss kommt zunächst auch Peter - erst später zeigen sich Verknüpfungen zu anderen Punkten, aber dieser als Haupthandlung präsentierte Fall fängt nie so richtig an zu brennen: Ja, Hausfriedensbruch, Drogenbesitz, ein Todesfall - aber es passiert nichts wirklich uns schließlich verschwindet der Fall einfach.
Echte Haupthandlung: der Geschichtslose
Stattdessen spielen sich zwei andere Handlungen in den Vordergrund: Peter und Nightingale bekommen ein verloren geglaubtes magisches Werk angeboten (Jonathan Wilds letztes Rechnungsbuch, möglicherweise Newtons dritte Principia). Sie sind jedoch nicht die einzigen Interessenten: Einige Praktizierende möchten aus persönlichen Gründen an das Buch gelangen und auch Folly-Äquivalent der USA hat Wind von der Sache bekommen. Deren Mitarbeiter halten aber nichts davon, bei ihren Kollegen anzufragen und glauben anscheinend, in einem Agententhriller zu sein. Und dann ist da noch der Gesichtslose, jener Schurke, der bereits im ersten Band auftauchte, inzwischen mit Lesley zusammenarbeitet und die Rahmenhandlung der Serie bildet. Natürlich hat auch er Interesse an dem verlorenen magischen Werk.
In Der Galgen von Tyburn kommen Peter und Nightingale ihm nun endlich näher. Auch wenn ich mir im vorigen Band den Gesichtslosen zurückwünschte, bin ich leider nicht komplett begeistert. Das Action-Level wird durch die direkte Konfrontation mit dem Gesichtslosen gerade im hinteren Teil des Buches hochgeschraubt. Dinge passieren. Aber gleichzeitig wirkte die Rahmenhandlung auf mich wie Routine: Da ist halt mal wieder ein Magier, der Praktizierende für bessere Menschen hält, die über andere herrschen sollten. Na toll.
Lesley May und ihre Beweggründe, ihn zu unterstützen, könnten diese Angelegenheit viel interessanter machen; sie werden jedoch nicht thematisiert. Und auch die Problematiken der Beziehung zwischen Beverly Brook und Peter werden erst am Ende aufgeworfen. Zwar deutet sich dadurch an, dass Peter ganz gewaltige Probleme überall in seinem Leben lösen muss, aber diese sind nicht wirklich akut. Die Themen der ersten Bücher - Flussgötter, Lokalmythen, kuriose Geister - fand ich persönlich interessanter als den nächsten Dunklen Herrscher in spe.
Londoner Lokalkolorit und Internationale Magie
Dieses Lokalkolorit geht dem Roman nicht ganz verloren. Allerdings wird es mehr zu Kulisse: Die Flussgötter sind da, haben aber keine Rolle für die Handlung. Der Galgen des Titels (bzw. der Hanging Tree des Originaltitels) ist historisch bekannt. Er steht im Zusammenhang mit Jonathan Wild und dadurch mit dem verlorenen Buch (vgl.
Statt lokal wird es international: Muslimische Polizistinnen und andere ungewöhnliche Figuren spielten von Beginn an in der Reihe mit und brachten ein wenig Farbei in die Nebenhandlung. Dies nahm nie überhand oder wurde zu Blödelei - das blieb Peter selbst vorbehalten. Nun tauchen jedoch neben den USA (samt typischer Agenten-Action) auch ausländische Magierinnen auf - und die Wurzeln eines Reynard Fossmann sucht man auch eher jenseits des Ärmelkanals.
Das passt, wie auch hintergründige Erwähnungen der Götter oder Geister verschiedener Orte. Im Endeffekt ist es genau das, was ich im Kleinen vermisse: das Magisch-Mystische in London. Zwar wird der Kontext hierdurch international und zeigt die Probleme von Peter und Nightingale in einem großen Ganzen, aber dies zieht auch die gesamte Erzählung in eben dieses Blickfeld - und das gefällt mir nicht unbedingt. Ich hätte lieber wieder die Probleme lokaler Bäche und Berge statt eines internationalen Zwischenfalls.
In Summe macht Der Galgen von Tyburn einiges besser als der direkte Vorgänger und glänzt weiter mit Peters nerdigem Humor. Aber bis zur Qualität der ersten Teile muss Ben Aaronovitch zulegen.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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