Winter is coming. Die mittelalterliche Welt von Game of Thrones
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Fantasy ist nicht echt, nicht real? Stimmt. Auch Westeros aus dem Lied von Eis und Feuer und der TV-Serie Game of Thrones ist nicht echt. Dennoch ist vieles nicht vollständig ausgedacht, sondern durch Reales inspiriert. In diesem Buch zeigt Carolyne Larrington die vielfältigen Bezüge von George R. R. Martins Universum zur mittelalterlichen Welt: zu Mythologie, zu Fabeln, zu Sagen - bis hin zu Vorbildern für die Handlungsorte und einzelne Personen.
Das Buch erhält 8+ von 10 Punkten.
Spoiler-Probleme?
Bei einem Buch zu einer noch nicht abgeschlossenen TV- oder Buch-Serie stellt sich immer auch die Frage nach Spoilern: Sehr ärgerlich, wenn mal wieder ein besonderer Twist verraten wird! Carolyne Larringtons Winter is coming befindet sich auf dem Stand nach der 5. Staffel bzw. nach dem 10. deutschen Romanband. Um Spoiler zusätzlich zu vermeiden hat die Autorin Spoiler mit Rabensilhouetten markiert. Natürlich gilt dies nicht für jede einzelne Stelle, an der etwas letztlich Unerhebliches gesagt wird: Wer ganz sicher gehen und jegliche Spoiler vermeiden will, sollte sich also auf genannten Stand bringen.
Struktur: Eine Reise durch Westeros
Beim Aufbau des Buches wählt Carolyne Larrington keinen thematischen Ansatz, sondern einen geografischen. Natürlich ergeben sich auch so jeweilige Schwerpunkte, aber eben kein Vergleich von Übernatürlichem oder Religion in den verschiedenen Regionen. Larrington nimmt sich in jedem Kapitel einem anderen Gebiet an und reist mit dem Leser durch die Welt von Game of Thrones:
- Das Herz des Landes
- Der Norden
- Der Westen
- Jenseits der Meerenge
- Der Osten
Das passt meiner Meinung nach besser, als eine thematische Ordnung. Denn Carolyne Larrington geht oft auf Ähnlichkeiten mit historischen Gesellschaften, Ereignissen und Personen ein - dies nach Thema abzuhandeln und Westeros zusätzlich mit dem Mittelalter zu vergleichen, würde einzelne Kapitel ziemlich sicher überladen.
Am Ende des Buches liefert die Autorin Endnoten und ein Register. Schön finde ich auch, dass es einen Abschnitt Zum Weiterlesen gibt - allerdings als Fließtext, der generell Werke aufzählt. Besser hätte ich hier eine thematisch Liste für Folgelektüre gefunden.
Stil: Lockerleicht
Bücher über Bücher und ihr Verhältnis zur Realität fallen in der Regel unter Populärwissenschaft. Häufig sind sie ein Spagat: Einige Leser haben Vorkenntnisse und kennen einige Zusammenhänge; andere sind Fans mit minimalem Vorwissen und möchten erfahren, was hinter ihren Lieblingsfiguren steckt. Es besteht also die Gefahr, einerseits zu seicht zu sein, andererseits zu komplex.
Diese Angst müssen Serienfans hier nicht haben: Carolyne Larrington ist sehr angenehm zu lesen. Trotz Ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit an der University of Oxford, die eine akademischere Sicht naheliegen könnte, ist ihr Stil locker und geht bisweilen Richtung Plauderton.
Auch das Verhältnis der Inhalte stimmt: Weder zu ausschweifend noch zu kurz und das Verhältnis von Serie und mittelalterlichem Vorbild passt. Natürlich nimmt das Mittelalter etwas mehr Raum ein - denn die Kenntnis vom Geschehen in Westeros kann vorausgesetzt werden. Konkrete Ereignisse werden nur dann kurz rekapituliert, wenn sie für den Vergleich notwendig sind.
Inhalt: Parallelen und Inspirationen
Insgesamt zieht Carolyne Larrington viele Parallelen: zu einzelnen Personen, zu Gesellschaften, zu bestimmten Ereignissen, Gruppen oder Erfindungen. Alle Einzelthemen aufzuzählen ist unmöglich, da sie sehr viel anschneidet. Einige Beispiele:
- Rache als treibende Kraft in Westeros und im Mittelalter;
- die politische Lage der Häuser von Westeros, insbesondere vor dem Hintergrund der Rosenkriege;
- der Lebensstil der Dothraki und der mongolischen Horden;
- Seefeuer und Griechisches Feuer;
- Grauschuppen und mittelalterliche Seuchen;
- Religion, prophezeite Retter und Vorstellungen vom Weltuntergang.
Nicht nur Historie, auch Mythen spielen hier immer wieder eine Rolle: Beowulf und Artus begegnen uns - und mit ihnen weniger bekannte Helden wie Havelok dem Dänen. Bei diesen verweist Larrington dann auch auf literarische Werke wie die Edda, die Reisen des John Mandeville oder den Morte D'Arthur, bleibt allerdings bei der historischen Bedeutung - und sei es nur als damals angenommene "Wahrheit".
Unterstützt wird sie durch vierzig Abbildungen, die von aktuellen Fantasy-Künstlern bis zu mittelalterlichen Codices und anderen Kunstwerken reichen.
Caveat: Für mich im Grunde wenig Neues
Oben schrieb ich, die Themen wären nie zu kurz behandelt. Das stimmt nicht ganz und führt wieder zur Zielgruppenproblematik. Ich beschäftige mich schon länger mit Fantasy und Mittelalter - insbesondere auch mit der literarischen Seite. (Kuriosität am Rande: Carolyne Larrington lehrt Literatur - spart literaturwissenschaftliche Betrachtungen aber aus.) Daher schien mir vieles einfach nur logisch und folgerichtig, kaum überraschend.
Das ist dann auch mein größtes Caveat: Winter is coming ist zwar angenehme Lektüre, brachte mir aber wenig Neues. Die rote/schwarze Hochzeit; die Dothraki/Mongolen; die Rosenkriege; die Frye Pie ... wenn nicht direkte Vorbilder, so kannte ich doch die Motive. Manchmal ist das zu erwarten: Wer denkt bei den Dothraki denn nicht an die Mongolen? Und natürlich gab es einzelne Nuancen und Details, die ich zumindest nicht präsent hatte.
Dies ist wie gesagt das alte Problem solcher Bücher: Ich hätte mir an einigen Stellen mehr gewünscht; andere sicher auch - aber an anderen Stellen. Das wäre genug Material für eine ganze Bibliothek und unmöglich in einem Buch wie diesem zu bewältigen.
Carolyne Larringtons Winter is coming ist daher ein gutes Stück entfernt von "echter" Forschung und tiefen Einblicken in spezifische Aspekte. Stattdessen ist das Buch ein lockerer Einstieg um die Historie von Game of Thrones. Gleichwohl kann dieses Buch Interesse für diese Wecken und mag auch als Anregung für Studienarbeiten dienen, die einen Einzelpunkt genauer untersuchen.
Fazit: Ein guter Überblick für alle, die die Inspiration hinter GoT suchen - und für alle die meinen, dass Fantasy überhaupt nichts mit der Realität zu tun hat. Sicher gibt es einige Überraschungen, was sich tatsächlich so oder doch ganz ähnlich ereignet hat.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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