Feuerstimmen
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Aidan und Revus sind wandernde Barden - immer dorthin, wo der Weg sie führt, keine Verpflichtungen. Das ändert sich, als ein Fischerdorf von Seeteufeln angegriffen wird. Revus überzeugt Aidan, den Fischern zu helfen. Auf den Gesegneten Inseln hat auch Königin Elena Probleme: Die friedlichen Bewohner der Insel greifen einander plötzlich an. Elena bleibt nur die Flucht. In den "Barbarenlanden" treffen sie auf Aidan und Revus. Besteht ein Zusammenhang zwischen den Seeteufeln und dem Wahnsinn? Egal: Aidan denkt nicht daran, Elena bei ihrer Suche nach dem Orakel zu helfen, auch wenn er einen Zusammenhang ahnt und ständig Stimmen hört. Doch Aidan kommt eine zentrale Rolle zu - eine Rolle, die er einst füllen wollte und der er nach seinem Scheitern zu entfliehen sucht.
Feuerstimmen erhält 7+ von 10 Punkten.
Ein neuer Roman als Multimediaprojekt mit einem neuen Album von Van Canto - das war bestens geeignet, dieses Buch auf meine Leseliste zu befördern. Vorwerfen kann man ihm, dass es sehr klassische, geradlinige Fantasy ist und gerade zum Ende hin schwächelt - über die ersten drei Viertel fesselte mich Feuerstimmen jedoch mit einer fassbaren Welt.
Gegensätze: Barde und Königin
Feuerstimmen beginnt mit einem Prolog, der die mythischen Hintergründe darlegt - auf lediglich zwei Seiten. Das passt auch für den Gesamtton des Buches: Die Welt an sich ist eher Hintergrund; auf ihren Ausbau wird wenig Zeit verwendet und selbst die fünf Drachen sind austauschbar. Dabei ist diese Welt absolut stimmig (soweit sie eben sichtbar ist), von Ausdrücken bis zu Sternenbildern und dem Weltenlied.
Statt mit Details bombardiert zu werden, erfährt der Leser jedoch gleich einen konkreten Konflikt: Aidan und Revus werden von Straßenräubern überfallen. Mit Redekunst und Kampfgeschick lösen sie das Problem. Nicht gerade ritterlich: Besonders Aidan will mit Heldentum nichts zu tun haben und ist eher ein Antiheld; sein Freund Revus tendiert mehr dazu, das Richtige und Gute zu tun. Schon früh gibt es Andeutungen, dass Aidan von etwas belastet wird; später erfährt man, weshalb er zum Wanderer wurde und keine Verantwortung übernehmen will - durchaus nachvollziehbar.
Krasser Gegensatz zu Aidan ist Königin Elena von Arcos. Sie herrscht über ein Königreich der acht gesegneten Inseln, entfernt vom "barbarischen" Rest der Welt. Von Geburt an ist sie ihrem Volk verpflichtet und lebt diese Verpflichtung; für sich selbst lässt sie keinen Platz. Umso mehr schmerzt es sie, dass sie fliehen und ihr Volk allein lassen muss - denn nur ein Orakel in den Barbarenländern bietet - vielleicht - Hilfe gegen den Wahnsinn, der die Inseln ergreift.
Feuerstimmen wechselt zwischen Kapiteln aus Aidans und Elenas Perspektive. Die Romanze zwischen den beiden dürfte kaum jemanden ernsthaft überraschen - und ich spare es mir hier einfach.
Die Harmonie war zerbrochen: Klares Feindbild
Ich spare es mir auch, weil sich der Roman vieles einfach macht. Es gibt schöne, interessante Ideen: Das Weltenlied, das alle Elemente durchdringt und nur von Barden gehört wird, ist ein zentrales Element. Der fünfte Drache betrog die anderen und wurde besiegt - er schläft und erwacht nun. Dies ist bereits die gesamte Vorgeschichte. Und sie lässt sich (leider!) auf eine Kernaussage reduzieren: Der böse Fünfte Drache erwacht und er ist der einzige echte Feind.
Und genau dies finde ich ein Stück zu simpel. Liest man die Geschichte einfach, funktioniert sie. Bohrt man etwas tiefer, kommen jedoch Fragen auf: Der Fünfte einte einst alles mit Harmonie und verriet die Vier - aber er ist immer noch Teil der Welt. Wie kann man ihn dann ausschließen? Einem Lied kann man nicht eine Note oder einen Akkord nehmen. Dahingehend ist es ja durchaus passend, dass "das Böse" nicht vernichtet wird, sondern nur schläft.
Vielleicht ist das etwas unfair, auch weil sich die Werke schon vom Grundton nicht vergleichen lassen, aber ich musste an Tolkiens Silmarillion denken. In Mittelerdes Schöpfungsgeschichte gibt es die Musik der Ainur. Saurons Meister Melkor/Morgoth webt beständig Missklang ein - und der Schöpfer Eru schmettert sie nicht ab, sondern macht sie zum Teil einer neuen Symphonie. Der fünfte Drache hingegen ist ein Feind, der keinen Platz hat - auf dessen Macht aber ironischerweise einiges fußt, was jedoch kaum thematisiert wird.
Selbst seine Armee besteht letztendlich aus Opfern seiner Macht: Einige Seeteufel verbünden sich mit den Barden, haben aber kaum eine Funktion, außer zu zeigen, dass die Meermenschen nicht wirklich böse sind. Schade - sie bleiben praktisch Statisten.
Einige interessante Ideen - Klassische Heldenreise
Ich klinge hier sehr negativ und tatsächlich bin ich ein wenig enttäuscht, denn gerade vom Ende hatte ich mir mehr erwartet. Daher muss ich deutlich herausstellen: Größtenteils hat mich Feuerstimmen gut unterhalten. Action- und abwechslungsreiche Kämpfe, eine Welt, die mich nicht mit Details erschlägt und insgesamt stimmig ist, das Weltenlied und die Stimmen, gegen die Aidan sich wehrt geben dem Roman etwas Eigenes. Vielleicht liegt es einfach daran, dass keine einzelne Idee wirklich bis zum Ende verfolgt wird.
Denn nach etwa der Hälfte des Romans sind die ersten Schlachten geschlagen. Es geht zum Orakel. Der Pfad einer klassischen Heldenreise wird beschritten - ohne dass sich die Figuren wirklich ändern. Ja, das Schicksal wird akzeptiert und einige Dinge passieren, aber dann ist es schematisch: Orakel finden, Weltrettung planen, Verbündete sammeln, große Entscheidungsschlacht. Das Ende empfand ich als langgezogen, vorhersehbar und enttäuschend. Ich hatte mir bis dahin mehr versprochen als ein Standard-Finale - aber auch das muss ein Roman erst schaffen.
Multimediaprojekt: Buch & Musik
Musikkritiker bin ich nicht. Die rein musikalische Bewertung überlasse ich daher gerne anderen. Stattdessen äußere ich mich zur Verbindung von Roman und Album. Diese ist gelungen und teils sehr eng: Der Prolog des Albums entspricht dem Prolog des Buchs (übersetzt aber beinahe wörtlich), die einzelnen Lieder treffen etwas loser bestimmte Punkte der Geschichte. Wer das Buch seitlich betrachtet, entdeckt auch einige "schwarze" Seiten. Auf diesen befinden sich Ausschnitte der Lieder.
Erzählt das Album die gesamte Geschichte? Nein, eher nicht. Ohne den Roman fehlt ein wenig Zusammenhang. Umgekehrt führt die Musik die Handlung noch einmal vor Augen. (Besonders Elenas Stimme ist für mich nun mit Ingas verwoben.) Mein Tipp am Rande: Denkt durchaus über die Ausgabe mit Mediabook nach: ein schönes, solides Hardcover mit toll eingefangenen Szenen von Osmar Arroyo. Mein Kritikpunkt hier ist allenfalls, dass die Lyrics in Fließtext geschrieben und so eher schwer zu erfassen sind. Aber hey - vor allem will ich der Musik zuhören.
Fazit: Bei einem Buch, in dem es um Barden und ein Weltenlied geht, kann man eine Vertonung als fast obligatorisch ansehen. Diese ist gelungen - hört einfach mal rein. Enttäuschend war für mich das Finale, was auch "Schuld" des Romans war, der mich bis dahin sehr gut unterhielt und auf mehr aus einigen Ideen hoffen ließ, dann jedoch Richtung Standard-Fantasy driftete. Dennoch: Falsch macht man mit diesem Buch wenig - außer vielleicht, man erwartet eine Drachen-Geschichte.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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