Die Seiten der Welt - Nachtland
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Furia konnte ihren Bruder befreien. Mit den Rebellen geht sie nun gegen die Adamitische Akademie vor - die Exlibris haben in ihrem Anwesen Schutz gefunden. Doch etwas Größeres geht vor sich: Während die Nachfahren des Scharlachsaals Intrigen spinnen, werden in den Nachtrefugien immer mehr Ideen gesichtet - jenen Nachtrefugien, in die Siebenstern verbannt wurde. An einem weiteren Problem ist Furia schuld: Mit ihrem magischen Buch machte sie die Bibliomantin Isis Nimmernis zu einem lebenden Buch und zerschlug damit alle Regeln der Bibliomantik. Es scheint, als würden sich die Regeln und mit ihr Teile der Vergangenheit neu schreiben.
Das Buch erhält 6 von 10 Punkten.
Die Seiten der Welt ließ mich mit einem eher mittelmäßigen Gefühl zurück: Viele gute Ideen, zu Anfang auch echte Buchmagie. Grund genug, dem Nachfolger zumindest eine Chance zu geben. Leider wurde ich enttäuscht. Kai Meyer führt die Geschichte aus dem ersten Band fort, aber das Gefühl, dass es hier um Bücher geht, kommt nicht.
Schneller Start - dann Verwicklung
Nachtland beginnt wenige Monate nach dem Ende des letzten Buchs - und schon befindet sich die Rebellion im tiefsten Dreck, arbeitet mit Undercover-Agenten und fragwürdigen Methoden. In eine solche Undercover-Aktion geht es gleich zu Beginn hinein. Der Abschluss der Mission misslingt und Furia findet sich mit ihren Verbündeten in einem Hinterhalt.
Action ist es, was den Roman oft ausmacht. Das gibt ihm ein gewisses Tempo und zieht den Leser mit sich. Allerdings wirkt die Geschichte schon früh sehr überladen, geht an verschiedenen Stellen weiter - aber an keiner richtig und auch nicht in die Tiefe. Es fehlt ein roter Faden, der die Welt weiterbringt. Ja, es bleibt actionreich; ja, Dinge passieren. Aber die Welt bleibt flach, kommt mir viel zu selten näher.
Grob lässt sich Nachtland in drei Handlungen splitten, die parallel verlaufen.
Nur am Rande: Severin Rosenkreutz und die Nachtrefugien
Der Titel Nachtland deutet bereits an: Dieser Roman wird düsterer. Es geht um die Nachtrefugien, jene alten Schlachtfelder, auf denen einst ein Krieg der Bibliomanten geführt wurde. Eigentlich erwartete ich, dass die Nachtrefugien, in die Siebenstern am Ende des ersten Buchs verbannt wurde, eine zentrale Rolle spielen. Tun sie nicht.
Immer wieder gibt es flüchtige Fetzen von der Geschichte der Bibliomantik, deren Schöpfer Severin/Siebenstern war; von den Exlibris in den Refugien; von der Entstehung der Bibliomantik. Und Spekulationen darüber, was Furia mit ihrem Buch, das in mehreren Zeiten geschrieben wird, angerichtet hat. Aber Severin wandert lediglich in den Refugien und irgendetwas passiert ihm - was genau, bleibt ungesagt. Vermutlich trifft er im Cliffhanger am Romanende auf die Protagonistin.
Aber dies bleibt eine Vermutung. Alles in den Refugien ist Spekulation oder sehr vage - selbst bei den Ideen auf dem Kriegspfad blieb für mich vollkommen unklar, was diese eigentlich sind. So gut wie alles blieb für mich ungreifbar - was dazu führte, dass "schockierende" Enthüllungen mich kein bisschen schocken konnten.
Intrigen im Scharlachsaal
Klarer sind die Intrigen unter den Bibliomanten. Die herrschenden Familien der Adamitischen Akademie (der Nachfolgeorganisation des Scharlachsaals) sind seit langem nicht allzu gut aufeinander zu sprechen. Doch nun bahnt sich ein Coup der jungen Generation an. Neben den üblichen Intrigen gibt es hier jedoch wenig zu sagen.
Highlight ist eher die Rückkehr Furias in das Haus, das ihre Familie in Deutschland zurücklassen musste. Oder vielmehr: Es hätte ein Highlight werden können, deutet sich an - und verpufft daraufhin. Die Episode bringt nichts voran und wirkt wie Füllmaterial.
Rebellion
Das könnte man auch von der Rebellion sagen. Sollte es nicht um die Rettung der Welt gehen? Darum, zu ergründen, was in den Nachtrefugien (und inzwischen auch anderen Refugien!) vor sich geht? Stattdessen kämpfen die Rebellen gegen die Adamitische Akademie und werden in ihre Intrigen versteckt.
Allerdings passt es durchaus, dass geradezu nichts erreicht wird: Besonders Cat fragt sich zunehmend, wofür sie eigentlich kämpfen. Ist es wirklich gut, was sie tun - sind ihre Mittel gerechtfertigt? Oder machen sie gar nur weiter, um irgendetwas zu tun, statt herumzusitzen? Diese Fragen sorgen zunehmend auch für Probleme zwischen Cat und Finnian, die endlich zueinandergefunden hatten.
Auch die Beziehung zwischen Bibliomanten und Exlibris wird ein wenig stärker erörtert - jedoch viel weniger als ich es mir gewünscht hätte. Am Ende bleibt hier erneut ein Buch, dessen Buchthematik kaum spürbar ist.
Literarische Figuren und Figurenentwicklung
Dabei gibt es erneut Ansätze: Kai Meyer bringt einige bekannte Romanfiguren unter: Franz Kafka in seiner Form als riesiges Insekt lebt in der Residenz der Fairfax'. Leider bleiben solche Bezüge gering - Ariel hat immerhin noch etwas Bezug zum Sturm; die Buch-Herkunft eines anderen Exlibri wird tiefer thematisiert, spielt aber nur eine Rolle im Hintergrund. Schade. Gerade diese Verbindungen hätte ich mir gewünscht - so wie es ist, bleibt es zu seicht.
Ich frage mich erneut: Liegt es daran, dass dies als Jugendbuch veröffentlicht wurde und Jugendliche die Klassiker nicht kennen, Anspielungen nicht verstehen würden? Dann bin ich leider nicht die Zielgruppe.
Immerhin entwickeln sich einige Figuren weiter: Isis muss sich mit ihrem neuen Leben abfinden und entwickelt eine Sucht nach ganz besonderen Büchern. (Das ist wieder so ein Schimmer, aus dem viel mehr hätte werden können.) Cat und Finnians Beziehung bekommt wegen ihrer unterschiedlichen Einstellung zur Rebellion Probleme. Furia lernt von einer weiteren Bibliomantin - aber gerade ihre Entwicklung plätschert nur sacht voran. Und noch einmal: Ich hatte nicht das Gefühl, ein Buch über Bücher zu lesen. Und genau das enttäuscht mich hier am meisten.
Fazit: Dem Erscheinen des dritten Teils kann ich leider nicht entgegenfiebern. Erneut gibt es einige sehr schöne Ideen, die jedoch untergehen. Ich hätte mich echt gefreut, wäre nun eine neue Bücherwelt entstanden. Die Seiten der Welt bleibt jedoch weit hinter dem Potenzial zurück - sowohl hinter dem Potenzial der Ideen als auch dem Potenzial, das Kai Meyer bereits unter Beweis gestellt hat.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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