Fingerhut-Sommer
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Peter Grant ist ein Stadtmensch - aber Inspector Nightingale ist fest überzeugt, dass Peter die Stadt einmal verlassen sollte. London hinter sich lassend macht er sich auf, die Polizei in Herefordshire zu unterstützen. Dort sind zwei Mädchen verschwunden und nur zur Sicherheit sollte man (also Peter) prüfen, ob etwas Übernatürliches im Spiel ist. Denn in dieser Gegend hat sich ein Praktizierender zur Ruhe gesetzt. Alles scheint jedoch recht normal. Aber sind Unsichtbare Freunde das gleiche wie Eingebildete Freunde? Peter stellt fest, dass einige Dinge auf dem Land anders sind als in London: die Polizisten, die Flüsse, die lokalen Götter. Doch selbst Beverly Brook ist zurückhaltend, Peter voll zu unterstützen: Über einige Dinge spricht man nicht.
Das Buch erhält 6-7 von 10 Punkten.
Fingerhut-Sommer ist für mich das bisher schwächste Buch um den Zauberer-Polizisten Peter Grant. Ohne London fehlt ein bekannter Anknüpfpunkt. Dieser fehlt auch, da es kaum Verbindungen zu den vorhergehenden Romanen gibt. Schlecht ist Fingerhut-Sommer trotzdem nicht. Er lässt aber die magisch-mythisch-urbane Inspiration der anderen Romane vermissen und kann dies nicht durch ländlichen Charme ausgleichen.
Von der Stadt auf das Land
Peter Grant verlässt London. Was für manche Menschen nur einige Meilen sind, ist für ihn fast eine Weltreise. Denn das Land ist anders. Hier wird schon einmal der Kuhstall zum Bed & Breakfast ausgebaut und Fleischgerichte kommen mit ihrem Stammbaum auf den Teller. Vielfach heißt es auch, auf dem Land sei alles direkter. Davon merkt man in diesem Buch wenig. Für mich auch überraschend: Der Alte Weg von Wicca, Kelten und Co kommt gar nicht auf - in Herefordshire tummeln sich stattdessen eher UFO-Touristen. Zumindest sagen das alle - Peter trifft sie nicht.
Ländliche Götter
Stattdessen trifft er einige der örtlichen Götter. Beverly Brook gehört nicht zu ihnen, immerhin ist sie "ein kleiner Fluss in London", wie Peter sie einst vorstellte. Und als sie nach Herefordshire reist, wird sie kurzerhand von den örtlichen Flussgöttern entführt. Klare Sache, dass Peter ihr hilft. Nicht nur die Beziehung der beiden kommt ins Rollen, Beverly gibt auch einige wertvolle Informationen - wenn es nicht gerade ein Thema ist, über das man nicht redet.
Überhaupt scheint es auf dem Land einiges zu geben, das jeder weiß, über das aber keiner spricht. Die Zeit der Römer scheint noch lebendig. Noch immer sind die Formen sichtbar, die die Eroberer der Landschaft aufgezwungen haben.
Gibt es eigentlich Feen?
Bei Land und Magie denke ich an Wegkreuzungen, Waldgeister, Kornkreise. So stellt Peter auch Beverly die Frage, ob es eigentlich Feen (oder eher Fae) gibt. Darüber redet man aber nicht. Überhaupt dauert es sehr, sehr lange, bis Peter dieser Gedanke kommt. Lange Zeit wirkt der Fall um die verschwundenen Mädchen mundan und ohne magische Verknüpfung.
Dass Prinzessin Luna, die unsichtbare Freundin eines der Mädchen, immerhin etwas anderes ist, als eine eingebildete Freundin bringt die magische Dimension schließlich ins Rollen und deckt auch einige frühere Geschehnisse auf.
Gibt es eigentlich Feen? Naja, blöde Frage, wenn ich sie hier stelle. Aber tatsächlich tauchen die Feen erst auf den letzten Seiten auf. Insgesamt gibt es in Fingerhutsommer erstaunlich wenig konkrete Magie - selbst Peters wissenschaftlich konstruierte Magiedetektoren brennen erst beim Finale durch.
Dabei gelingt es Ben Aaronovitch zumindest, selbst die Normalität der ganz gewöhnlichen Polizeiarbeit spannend darzustellen, auch wenn sie aus sehr viel Verwaltung, Überprüfung und besteht. Hier ist der Vergleichspunkt allerdings auch kein Thriller.
Randepisode mit abruptem Ende
Insgesamt macht das diesen Roman zu ... ich weiß nicht was.
Die übergreifende Handlung der Serie bringt er nicht weiter. Der Gesichtslose taucht nicht auf. Leslie spricht nur am Handy und warnt ominös. Ben Aaronovitch führt einige neue Personen ein, aber ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass im Grunde alles egal sei. Denn wo sind beispielsweise die Nebenfiguren aus den früheren Romanen: Abigail, das Untergrundvolk - erinnert sich noch jemand an die? In Fingerhutsommer fehlen sogar Nightingale und Molly! Schade, denn besonders Nightingale mochte ich.
Mollys Hintergrund wird immerhin ausgebaut, aber auch nur in 2 oder 3 Absätzen. Den meisten zusätzlichen Raum aller Nebenfiguren erhält Beverly Brook - aber das ist ausgerechnet die Figur, die ich mir nie richtig vorstellen kann. (Ich bin jedes Mal frisch überrascht, wenn ich von ihren Dreadlocks lese.)
Wo soll das hinführen, welches Ziel haben die ganzen Figuren? Die Flussgötter entführen mal Beverly, spielen dann aber keine Rolle mehr. Andere Figuren scheinen ähnliche Statisten zu sein. Symptomatisch ist das Ende, denn es kommt abrupt. Das Finale wird eingeläutet, Peter geht einen Handel ein - und dann passiert etwas und es ist Schluss. "Huh, das war's jetzt?!?", dachte ich nur, als ich im Bett las.
Ben Aaronovitch hat schon deutlich bessere Bücher geschrieben. Am Ende blieb für mich das Gefühl, dass der ganze Roman nur eine auslassbare Nebenepisode war. Schade - ich hatte mich auf den neuen Peter Grant gefreut.
Schnodderiger Geek
Dabei möchte ich nicht unterschlagen: Der Stil gefällt mir nach wie vor. Peter Grant hat nichts verloren von seiner bisweilen schnodderigen Sprache und den Anspielungen auf Aktuelles, besonders aus dem Geek-Bereich. Man darf das anders sehen, aber wer sich knapp ein Valar Morghulis verkneift, der darf von mir aus auch mit manchem abstrusen Wissen glänzen. Das ist immerhin typisch für Geeks und als solcher weiß ich es zu schätzen. Insgesamt war dieser Roman aber nicht so lustig-amüsant, wie man es kennt.
Das, so vermute ich, liegt an Folgendem: London kennt man in gewissem Maß; Herefordshire ist den meisten Lesern hingegen unbekannt. Natürlich existieren beide und im Nachwort geht Ben Aaronovitch auch auf die realen Orte und Abweichungen in der Geschichte ein. Aber Big Ben habe ich vor Augen; mit Herefordshire verbinde ich keinen ikonischen Ort. Zusätzlich wirken die Anspielungen auf Aktuelles deutlich reduziert gegenüber den Romanen in London.
Fazit: Für mich wirkte dieser Roman wie eine einzige große Randepisode. Ich habe nichts dagegen, eine tolle Serie dezent in die Länge zu ziehen - solange sie mich und das weitere Publikum unterhält. Aber Fingerhutsommer ist für mich ziellos und der bisher schlechteste Peter Grant Roman. Möge der Constable schnell nach London zurückkehren und die Jagd auf den Gesichtslosen wieder aufnehmen!
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
Zitat(e) aus dem Buch
- "Sic transit gloria mundi", sagte ich - das war das Erste, was mir in meiner Verwirrung in den Sinn kam. Es hätte aber auch schlimmer sein können. Ich hätte Valar morghulis sagen können oder so.
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