Naris. Die Legenden von Mond und Sonne
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Beinahe verpasst Kyndra die Zeremonie, die ihre Zukunft bestimmen soll. Doch das ist nur der Anfang ihrer Probleme: Ein uraltes Artefakt zerbricht, als sie es berührt. Wenig später zerstören Stürme das Dorf, die seit langer Zeit vollkommen unvorhersehbar auftreten. Schnell ist ein Mob zusammen, der Kyndra die Schuld gibt - Kyndra, der unehelichen Tochter der Wirtin, die das Erbe des Dorfes zerstört hat! Nur dank zweier Fremder kommt sie mit dem Leben davon. Um ihre Eltern zu retten, schließt sie einen widerwilligen Pakt: Sie begleitet die Fremden zur Zitadelle von Naris. Doch insgeheim schmiedet Kyndra eigene Pläne, denn dass sie eine Wirkerin sein soll, ist einfach lächerlich.
Das Buch erhält 9 von 10 Punkten.
Der Plot von Naris - Legenden von Mond und Sonne ist alt, hundertmal dagewesen. Aber Lucy Hounsom erzählt die Geschichte exzellent neu und zieht einen sofort hinein. Dies verdeutlicht am besten mein Erstkontakt mit dem Buch: Ende Januar erhielt ich ein unkorrigiertes Übersetzungsmanuskript. Auf einer längeren Zugfahrt wollte ich das erste Kapitel anlesen. Plötzlich war ich auf Seite 100.
Klassischer Grundplot - Exzellent neu erzählt
Beim Ritual des Erwachsenwerdens geht etwas schief; plötzlich sind alle wütend auf die junge Frau; einige Fremde retten sie; gemeinsam fliehen sie. Neu ist diese Geschichte nicht: Initiation und Heldenreise sind die Schlagworte. Das ist zigtausendmal dagewesen - und wird auch weitere zigtausendmal erzählt werden. Die Geschichte ist ein Grundplot, eine archetypische Handlung. Sie wird gerade deshalb so häufig verwendet, weil Geschichten eben so geschehen - und in gewissem Ausmaß ist dies auch aufs echte Leben übertragbar.
Gerade in der Fantasy ist es kein ernsthafter Kritikpunkt, dass ein Plot bekannt ist: Man denke an die vielen Barbarenhelden; an Gut gegen Böse; an Auserwählte. Innovation findet nicht in diesen großen Geschichten an sich statt, sondern in Details und Zwischenräumen. Aber nicht zu neu, bitte! Gerade "Fantasy" verursacht eine recht konkrete Erwartungshaltung.
Viele bekannte Motive und Elemente
Daher wundert es nicht, dass man viele Motive und Elemente in vielen verschiedenen Fantasy-Romanen erneut findet. Autoren erzählen häufig alte Geschichten neu: mit einer anderen Grundstimmung; aus neuem Blickwinkel; mit anderen Figuren; anderen Perspektiven; neuen Elementen in anderer Kombination; einem anderen Erzähler. Kurz: Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen; und wenn ein anderer die gleiche Geschichte erzählt, so ist es dennoch nicht dieselbe. Jeder hat seinen eigenen Stil, betont dies und lässt jenes weg. Besser oder schlechter? Im Fall von Lucy Hounsom gehört die Geschichte zu den besseren.
Dabei ist es für mich schwer, in dieser Rezension auf Einzelheiten einzugehen. Fantasy-Fans können vieles erschließen: uneheliches Kind, zerbrochenes Artefakt, prophetische Träume, Fremde, welche die Hauptfigur zu ihrer "Akademie" bringen wollen. Ganz im Ernst: Dass Kyndra eine Wirkerin (Magierin) ist oder mit diesen Mächten in Verbindung steht, schnallt jeder, der schon einmal ein Fantasybuch gelesen hat. Sie ist die klassische auserwählte Heldin, die sich selbst nie als etwas Besonderes sieht und es auch weiterhin ablehnt.
Welt im Hintergrund
Lucy Hounsom gelingt vor allem ein starker Beginn: Dass ich statt eines Kapitels (hier 15 Seiten) gleich auf Seite 100 lande, passiert nicht allzu oft. Woran liegt es? Am Verzicht auf alle Schnörkel. Ja, die Handlung ist bekannt und vorhersehbar. Daher hält Lucy Hounsom sich nicht damit auf, alles zu erklären. Kyndra wird schnell als eigenwillige Protagonistin mit einigen Kanten vorgestellt; das Artefakt ist einfach nur alt, war immer da - und damit weiß man genauso viel wie die Dorfbewohner.
Auch Kyndras Welt wird nur soweit vorgestellt wie notwendig: Kyndra lebt in einem Dorf in den Tälern (Dales), ist nie aus diesen herausgekommen. Von den seltsamen Stürmen, die ohne Vorwarnung auftauchen und Verheerungen anrichten, hört sie nebenbei. Erst mit den Fremden, Bregenne und Nediah, verlässt sie ihre Heimat und sieht die ganze Welt.
Diese ist für Kyndra groß, gewaltig und exotisch. Der Leser erkennt eine typische Fantasy-Welt. Kleine Besonderheit: Über den Kontinent Mariar sind Ketten verlegt, an denen befestigt Luftschiffe zwischen vier großen Lufthäfen verkehren. Ein kleiner Schuss Steampunk also - aber wie der Rest der Welt ist dies nur ein Hintergrund.
Verborgene Welt - Traumvisionen
Dass diese Welt kaum ausgestaltet wird, hat vermutlich einen Grund: Es gibt mehr als eine Welt - zumindest im übertragenen Sinne. Mariar ist für die meisten Menschen die bekannte Welt. Wirker, die sich die Kräfte von Mond und Sonne zunutze machen, sind für viele eine Legende. Schon ihre Zitadelle, Naris, ist unsichtbar und bildet somit eine Welt für sich. Und für gewöhnliche Menschen ist diese Zitadelle unsichtbar - also wahrhaftig eine abgeschottete Welt. Doch Naris ist nur ein Bruchstück: ein Überbleibsel von Solinaris. Beide und Mariar waren einst teil einer anderen Welt - bis ein Sterngeborener sie trennte.
Von Sterngeborenen, Wirkern und anderen Legenden weiß Kyndra zu Beginn ihrer Reise nichts. Ihr größter Schatz, ein Buch mit Geschichten über die verlorene Welt Acre, ist zwar interessant - aber doch nur eine Geschichte. Nur, wie kommt es, dass Kyndra mehr träumt, als in ihrem Buch steht? Und wer ist sie in diesen Träumen?
Am Ende schwächer
Naris - Legenden von Mond und Sonne beginnt schnell und mitreißend, verliert jedoch Tempo. Beim Leser dürfte es schon bei den Träumen klicken, spätestens jedoch wenn der Begriff Sterngeborene (so auch der Originaltitel) fällt. Die Figuren kommen nie auf diese Idee. Ich tue mich schwer, dies dem Roman vorzuwerfen. Für den Leser ist es absolut naheliegend, Kyndra mit den Sterngeborenen in Verbindung zu bringen. Für die Figuren ist es ebenso logisch, dass sie dieses "Märchen" gar nicht erst in Betracht ziehen.
Egal wie man es dreht: Nachdem die Handlung Naris erreicht, wird sie langsamer. Kyndra ist noch immer Hauptfigur, aber sie wird zum Spielball mehrere Fraktionen der Wirker. Mehrere Lager wollen Kyndra für sich gewinnen. Dabei erfährt man einiges über deren Geschichte. Viele Zusammenhänge werden klar, am Ende auch Kyndras eigene Rolle. Aber zielgerichtete Studien oder Nachforschungen gibt es nicht. Vieles fällt schließlich an seinen Platz.
Ich bin zwiegespalten: Die Geschichte ist abgerundet, alle Zusammenhänge sind am Ende klar. Die Figuren haben eine eigene Motivation, Kyndra Dinge zu erzählen. Aber der Roman verliert mich hier ein Stück: Die Intrigen und Konfrontationen in Naris, die weitreichenden Enthüllungen konnten mich nicht packen wie der Einstieg und es lag diese Frage in der Luft, wann denn endlich irgendjemand eine Idee in die richtige Richtung hat.
Trotzdem bleibt der Roman gut. Auch nach der Reise wird er nicht uninteressant. Vielleicht das Problem: Es gibt keinen Cliffhanger. Eine seltsame Kritik, ja. Denn es ist ja schön, das vieles erklärt und klar abgeschlossen wird. Aber gerade hier war mir einiges zu vorhersehbar und wirkte wie das abschließende Verknoten von Fäden, die seit langem herumlagen. Notwendig? Sicher - denn zu viele offene Fragen sind noch viel lästiger.
Naris - Legenden von Mond und Sonne ist ein Roman mit bekannter Geschichte, der insbesondere am Anfang exzellent und mit hohem Tempo erzählt wird. Gegen Ende lässt er nach, bleibt aber eine Top-Empfehlung.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
Leseprobe
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