Tobender Sturm
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Das Geborgene Land liegt sicher dar, aber dennoch verwundbar. Für Zwerge, Menschen und die letzten Elben geht es nun daran, ihre letzten Feinde zu besiegen. Auch Aiphatòn, Kaiser der Albae und Sohn der Unauslöschlichen macht sich an sein Werk: Er schwor, auch die letzten seines Volkes zu vernichten. Bei der Jagd auf sein Volk findet er einen Weg aus Tark Draan und stellt fest, dass sein Volk im Jenseitigen Land gesiedelt hat und neue Städte hervorbrachte. Zudem trifft er auf mächtige Magier: Die Botoiker haben nun selbst Albae unter ihre Macht gebracht und könnten auch für das Geborgene Land gefährlich werden ... Dort geht Undurchsichtiges vor. Kaum etwas anderes wünscht sich Hochkönig Boindil als die Rückkehr Tungdils, dessen Tod er nicht wahrhaben will. Als der elbische Meisterschreiber Carmondai gefangen wird, schöpft er neue Hoffnung: Weiß er etwas über Tungdil oder über die seltsamen Dinge, die vor sich gehen? Doch an ihn heranzukommen ist nicht einfach, denn er ist der Gefangene eines Zhadars namens Carâhnios, der sich einst Balodil nannte.
Das Buch erhält 7-8 von 10 Punkten.
"Tobender Sturm" beginnt mit den Albae am (metaphorischen) Abgrund - und endet mit ihnen im Abgrund. Nicht mit einem endgültigen Aufschlag, doch aber mit einem freien Fall. Carmondai gerät gleich zu Beginn in Gefangenschaft; Aiphatòn jagt sein Volk. Die Albae sind nun die Gejagten. Zwar erzählt Markus Heitz die Geschichte durchaus spannend, aber das Verhältnis zu den Charakteren bleibt eher distanziert. Und am Ende sind doch einige Fragen offen: Hat der Abgrund, in den die Albae fallen, einen Boden? Und wer steht auf den Felsvorsprüngen.
Vorgeschichte fast vergessen
Die Ereignisse von "Tobender Sturm" spielen im Anschluss an den Roman Das Schicksal der Zwerge. Das brachte zumindest für mich ein Problem mit sich: Es ist sehr lange her, dass ich diesen Roman las: beinahe 6 Jahre. Gelegentlich fragte ich mich sogar, ob ich ihn überhaupt gelesen hatte.
Ich erinnerte mich, dass Tungdil (oder etwas, das sich für Tungdil ausgab) aus Phondrason zurückkehrte und auch an einige andere Ereignisse. Aber meine Erinnerung war blass und einem Roman zuordnen konnte ich sie nicht. Kurz: Ich hatte ein Problem, wieder in die "lineare" Geschichte hineinzufinden. Das gilt umsomehr da die Vergessenen Schriften in unterschiedlichen Zeiten spielen. Und ich bin ganz ehrlich: Die Datumsangaben der einzelnen Kurzgeschichten oder auch Romane überlese ich sehr gerne. Vereinzelt schienen sie auch nicht zu passen.
Dieses Problem liegt letztendlich nicht am Roman selbst. Es liegt an der Zeit, die zwischen diesem und dem direkten (chronologischen) Vorgänger vergangen ist. Markus Heitz versucht auch, dies abzufangen. Vielfach findet der Leser Verbindungen zu den Vergessenen Schriften; in Nebensätzen werden alte Ereignisse angerissen. Normalerweise stößt mir Wiederholung sauer auf - hier hätte ich mir mehr gewünscht, denn ganz gelingt die Gedächtnisauffrischung nicht. Trotz Mühe, sich an Figuren und Ereignisse zu erinnern bleibt "Tobender Sturm" jedoch lesbar und entwickelt einen eigenen Schwung.
Der vierfache Untergang der Albae
"Tobender Sturm" ist keine glorreiche Erzählung über die Albae. Ganz im Gegenteil: In allen vier Handlungssträngen haben sie es schwer und befinden sich eher im Untergang.
Der erste dieser Handlungsstränge hat keinerlei Verbindung zu den anderen. Hier begleitet der Leser Carmondai, den indirekten Erzähler vieler Geschichten und Legenden dessen Lebensweisheiten auch in "Tobender Sturm" die Kapitel zieren. Dies ist jedoch nur eine Nebenhandlung, deren Zweck man hinterfragen darf. Ich vermute, sie soll zunächst mit einem bekannten und kürzlich verwendeten Charakter den Einstieg erleichtern - das gelingt. Zudem ermöglicht der Carmondai-Erzählstrang einen Blick ins Geborgene Land, was als Vorbereitung für den angekündigten Zwergen-Roman dienen kann.
Die anderen 3 Handlungen verbinden sich. Aiphatón, Kaiser der Albae, trifft bei der Jagd auf sein Volk auf einen mysteriösen Alb mit magischen Fesseln. Im Jenseitigen Land entdeckt er dann zwei Albae-Städte. Zu diesem Zeitpunkt kennt der Leser sie bereits aus den verbleibenden zwei Handlungen.
Spannung entsteht auch durch die Szenenwechsel zwischen den Plots. Allerdings zerfasert die Handlung auch. Besonders spürbar ist dies bei Carmondai: Der Roman ist ohne seine Handlung lesbar und seine Handlung ohne den Rest.
Über den zentralen Charakter gibt es indes keinen Zweifel: Aiphatón, auch wenn dieser nicht sonderlich komplex angelegt ist. Die beiden Albae-Städte sind mehr Schauplatz, die dortigen Figuren erreichen nie den Status eines Pro- oder Antagonisten. Dennoch bilden die Städte einen neuen und unbekannten Hintergrund - der dennoch allzu bekannt ist.
Neue Albae? Alte Albae mit starken Feinden
Diese Albae wirken zunächst wie "neue Albae". Sie sprechen vom Frieden und lassen sich in Ruhe - die Eroberung Tark Draans ist kein Thema für sie. Zudem verfügen sie nun über mächtige Cîani, also Magier - so mächtig, wie sie noch nie welche hatten. Liegt es an magischen Quellen unter den Städten? Auch nichtmagisch machen die Albae Fortschritte. Sind sie auf dem Weg in die Moderne?
Nein, denn schnell wird klar: An ihrem hochmütigen Charakter hat sich wenig geändert. Andere Völker werden unterjocht und auch andere Albae sind Mittel zum Zweck. Ihre Überheblichkeit haben sie durch ihre Niederlagen zurückzustecken gelernt - aber sie ist noch da. Trotzdem warten sie nur auf eine Gelegenheit, ihre Macht zu stärken und dies tun sie ohne Rücksicht auf andere.
Eines hat sich aber geändert: Die anderen Völker haben endgültig genug von den Albae und wollen diese mit Stumpf und Stil ausrotten. Verdenken kann man es ihnen nur schwer, denn aus ihrer Grausamkeit machen die Albae auch jetzt keinen Hehl. Allerdings haben sie ihre Unsterblichkeit, ihre Unbesiegbarkeit verloren. Früher war ein einzelner Alb eine große Bedrohung. Den Barbaren sind sie auch jetzt überlegen. Aber trotz ihrer neuen Magie haben sie nun Feinde, die noch mächtiger sind oder, wie Markus Heitz es ausdrückt, über "perfidere Mittel" verfügen.
In mancher Hinsicht wirken diesen neuen Albae individueller. Sie tragen alte Wunden mit sich; Wunden, die aus vorherigen Erzählungen bekannt sind. Dennoch verfallen sie in das alte Schema und können sich nicht zu vollständigen Charakteren entfalten. Auch fehlt eine echte Identifikationsfigur. Das ist ein grundsätzliches Problem bei Romanen, die ernsthaft erzählen und die Bösen ins Zentrum stellen. Ich kann auf eine Identifikationsfigur verzichten. Aber manchmal musste ich einfach den Kopf schütteln: Allzu deutlich war, wie etwas enden muss. Natürlich konnte ich nicht den genauen Ausgang vorhersagen, sehr wohl aber die Tendenz. Kann es denn gut enden für ein Volk, das sich als allen anderen überlegen ansieht und jede Bemerkung einer Bedrohung als lächerlich abtut?
Selbst die neuen Antagonisten wirken nicht wie vollständige Charaktere. Wenig überraschend spielen im Jenseitigen Land die Botoiker eine bedeutende Rolle und unter diesen Saî'losoi mit ihrem persönlichen Rachefeldzug gegen die Albae. Es gibt eine interessante Enthüllung - aber ein echtes Gesicht haben die Botoiker nicht.
Im letzten Roman einer Fantasyreihe erwarten viele eine Entscheidungsschlacht. Es gibt sie nicht. Ein Höhepunkt am Ende fehlt und das kann ein wenig enttäuschend wirken: Die Albae verabschieden sich ohne großen Knall. Vielleicht ist aber gerade dieses Ende passend für eine Rasse, deren herausragende Eigenschaft der Hochmut ist. Und es bleibt ja die Frage: Ist "Tobender Sturm" wirklich das Ende vom Ende?
Ausgeklammert und Angedeutet: Das Leben im Geborgenen Land
Abschließend komme ich noch einmal auf Carmondai und das Geborgene Land zurück. Viele Fantasy-Geschichten spielen in einem Reich, manchmal ein Kontinent, selten eine ganze Welt oder gar ein "Planet". Das trifft auch auf Markus Heitz' Welt zu.
Tark Draan, das Geborgene Land, ist immer noch ein kleiner Fleck in einer weitestgehend unbekannten Welt. Über das umgebende Jenseitigen Land wurden nur Kleinigkeiten enthüllt: Botoiker, Barbarenstämme, Bestien. Aber dies sind einzelne Punkte, Leuchtfeuer in einem weiten Land, das in Düsternis gehüllt ist. Was wissen die Bewohner des Geborgenen Landes oder selbst die Albae (und mit ihnen die Leser) über Ishím Voróo? Wenig.
Führt man sich dies vor Augen, ist klar: Das Geborgene Land muss nahezu zwangsweise eine Rolle spielen. Es ist die einzige definitive Örtlichkeit in der Welt. Hier herrscht eine Zeit des Wiederaufbaus - und des alten Misstrauens. In der Handlung um Carmondai baut Markus Heitz einen neuen Antagonisten auf, der manche überraschen wird: die Elben.
Vielleicht irre ich hier. Vielleicht sind sie die Guten, aber mindestens machen sie sich selbst suspekt und haben eindeutig den selbst geäußerten Anspruch, das Geborgene Land mit ihrem Volk zu besiedeln. Ist das misstrauen von Hochkönig Boindil "Ingrimmsch" Zweiklinge gerechtfertigt? Das wird man wohl im nächsten Zwergen-Roman erfahren. Man nehme dabei zur Kenntnis, dass Markus Heitz mehrfach betonte, dass Elben und Albae sehr eng verbunden sind. (Man denke auch an die Beziehung von Einhörnern und Nachtmahren!) Ich für meinen Teil bin gespannt, in welcher Weise sich diese Verbindung am Ende zeigt.
Wem die bisherigen Zwerge- und Albae-Bücher gefielen, der ist auch mit "Tobender Sturm" nicht schlecht beraten. Trotz vorläufigem Serienfinale verpasst Markus Heitz es jedoch, mit einem Höhepunkt zu enden. Möglicherweise ist der Niedergang der Albae dafür einfach die falsche Geschichte.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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