Die Hüterin Midgards
bei
Grimoires.de verdient an vermittelten Käufen.
(1) | ||
(0) | ||
(0) | ||
(0) | ||
(0) | ||
(0) |
Bis zu ihrem siebzehnten Geburtstag war Svenyas Leben halbwegs normal. Aus dem Heim und von Charly ist sie geflohen und seitdem schlägt sie sich mit Jobs durch. Nun kann sie sich sogar ein Hotelzimmer leisten! Doch diese Zimmer erreicht sie nie. Das Seltsame beginnt mit einem Wolfsknurren in der Stadt. Wenig später muss Svenya um ihr Leben fürchten. Und so wie es aussieht können diejenigen, die sie jagen, zaubern! Mehr noch: Svenya selbst soll in Wirklichkeit eine unsterbliche Elbenprinzessin sein und dazu auserkoren, Midgard vor den Dunkelelben zu beschützen. Reichtum und ungeahnte Möglichkeiten locken Svenya. Es scheint ihr, als könne sie sich in der Festung Elbenthal auch das erste Mal heimisch fühlen. Aber gleichzeitig begegnen ihr auch Unfreundlichkeit, eine verbotene Frage und ein Zwang, den sie als ungerecht empfindet und dem sie sich nicht beugen will.
Das Buch erhält 7-8 von 10 Punkten.
"Die Hüterin Midgards" lässt bereits im Titel anklingen, dass Ivo Pala mit der nordischen Mythologie spielt. Seine Elben sind in mancher Hinsicht klassisch, allerdings greifen sie auf moderne Technologie zurück und sind schon in dieser Hinsicht besonders. Svenyas Geschichte hingegen ist alt aber gut neu erzählt. Zusammen mit dem Handlungsort Deutschland hat dieses Buch einen eigenen Flair.
Ersteindruck: Shadowrun? Och nö! Zweiteindruck: Gelungene "moderne" Elben
"Die Hüterin Midgards" spielt in der Jetztzeit. Das macht der Prolog sofort deutlich: Elben stürmen mit Maschinengewehren vorwärts. Mit diesem Prolog hat sich Ivo Pala in meinen Augen keinen Gefallen getan. Ich wollte kein Shadowrun, kein Cyberpunk! Ich wollte nordische Mythen, wie der Titel sie nahelegt. Flugs flog das Buch zurück auf den Tisch und ein anderes nahm zunächst seinen Platz ein. Schade eigentlich: Denn schon hier ertönte auch nordisch Sprache.
Besonders ärgerlich: Dieser Anfang gibt einen falschen Eindruck vom Buch. Ja, die Elben in Ivo Palas Roman nutzen moderne Technologie. Sie haben Maschinengewehre und Funksprechgeräte. Das macht aber Sinn: Warum sollte ein Volk, das ums Überleben kämpft, nicht alle Möglichkeiten nutzen?
Zudem rücken diese Geräte nach dem Prolog Gerätschaften in den Hintergrund. Im Vordergrund stehen Werwölfe und Magie. Das, was ich eigentlich erwartete. Pistolen und anderes Unmagisches tauchen immer wieder auf, sind nun jedoch in die Geschichte eingewoben und springen nicht ins Gesicht wie auf Seite eins. Das ist kein Cyberpunkt, sondern das, was ich erwartete: Nordisches Flair.
Hundertmal gelesen: Alter Plot
Bevor ich etwas zu diesem sage aber etwas zum Plot. Von der Stange. Hundertmal gelesen. Nichts Besonderes. All dies trifft auf den ersten Teil der Elbenthal-Saga zu. Aber - und das wissen Vielleser schon lange - wirklich neue Plots gibt es eh nicht. Ivo Pala gelingt es, diesen bekannten Plot (junges Mädchen soll Auserwählte werden und die Welt retten, dabei eine neue Heimat finden) frisch und lebendig zu verarbeiten. Zugute kommt ihm dabei sein Hintergrund beim Film: Einige Szenen kann man sich unmittelbar wie auf der Leinwand vorstellen.
Flotte Actionpassagen und ruhigere Grübeleien lösen sich in "Die Hüterin Midgards" angenehm ab. Interessant ist auch, dass Svenya mit ihrer Bestimmung nicht wirklich warm wird. Sie sperrt sich sogar gegen ihre Ausbildung - obgleich sie es bei den Elben so gut hat wie niemals zuvor. Die eigene, persönliche Moral spielt hier eine wichtige Rolle: Es ist nicht einfach alles gut, nur wenn es zu einem Ziel führt. Mehr als diese macht aber der Flair nordischer Mythen für mich die Hauptattraktion aus.
Nordische Mythen und Dresden
Midgard - das hat mich zuerst zu diesem Buch gezogen. (Elben sind mir im Grunde ziemlich egal.) Und die Nordischen Mythen machen für mich den Hauptreiz aus. Durchgehend gibt es Anspielungen auf Sagen und Legenden: Alberich, Hagen von Tronje, Laurin, legendäre Waffen und mystische orte. Einige Figuren und Orte werden nicht direkt genannt, jedoch ist ihre Entsprechung in den bekannten Geschichten klar.
Wer noch nie etwas von diesen Geschichten gehört hat, an dem wird der Flair vorbeigehen. Bei Fantasy-Lesern ist es allerdings wahrscheinlich, dass sie von Siegfried, Hagen und Co schon einmal etwas gehört haben. Allein durch ihre Namen oder auch nur Hinweise auf diese Figuren kommt es zu Assoziationen und natürlich auch zu Kontrasten mit der "tatsächlichen" Natur der Charaktere.
Zusätzlich spielt dieses Buch in Deutschland. Das wird nie aufdringlich in den Vordergrund gestellt, ist Kulisse. Aber eine gute Kulisse, welche die Geschichte unaufdringlich trägt. Man spürt, dass dies Deutschland ist: an der Elbe; an geheimen Festungen unter der Semperoper oder dem Brocken. Ich sehe "Fantasy aus und in Deutschland" gerne. Und natürlich passt auch die Elbe - man mache sich nur ihrem Namen klar! Zu sagen, dass Buch könnte nirgendwo anders spielen, wäre jedoch auch gelogen.
Die Verbotene Frage: Wer ist Svenya?
Noch einmal zurück zum Nordischen. Den direktesten Einfluss hat wohl Wagner beziehungsweise Lohengrin: Svenya wird Schwanentochter genannt und es ist ihr verboten, die Frage nach ihrer Herkunft zu stellen. Natürlich tut sie unwissend aber genau das. Und zwar nicht am Ende, sondern sehr früh - mit katastrophalem Ergebnis.
Dies ist ein Beispiel dafür, wie Ivo Pala die alten Geschichten verändert und weiterentwickelt hat. Die verbotene Frage ist ein Klassiker und wird üblicherweise vorm (tragischen) Höhepunkt gestellt - nicht gleich zu Beginn. Aber auch hier spielt die Frage eine Rolle - und zwar eine andere als ein als ein purer Fluch ...
Beantwortet wird sie indes nicht; die fehlende Antwort kommt frühestens in der Fortsetzung (Bei dtv im August 2014). Denn welche Rolle spielt Svenya eigentlich, woher kommt sie? Warum wird sie "Sven'ya Svartalf" genannt? Das gibt zu denken, wenn Lichtelben und Dunkelelben verfeindet sind und Svenya zu den erstgenannten gehört?!
Dunkelelben, Lichtelben und die Hüterin
Überhaupt ist die Rolle der Hüterin seltsam. Sie soll das Tor in die Welt der Elben gegen die Horden der Dunkelelben verteidigen. Immer wieder senden diese Monster hindurch, um die Menschen zu unterjochen. Das wirkt zeitweilig wie der einzige Unterschied zwischen den Elbenvölkern: Die Lichtelben sehen ihre Aufgabe darin, die Menschen vor dem, was sie nicht einmal wissen, zu schützen. Die Dunkelelben wollen sie hingegen unterjochen. In ihre Heimat wollen beide zurück.
Die Rolle der Bösen scheint klar verteilt - Beschützer der Menschen und Feind der Menschen. Aber auch die Lichtelben setzen auf fragwürdige Methoden. Sie zwingen Svenya in ihre Rolle. Einen Unschuldigen halten sie seit Jahrhunderten gefangen - allein wegen einer Prophezeiung. Auch Svenya findet dies nicht gut und ein wesentlicher Teil des Romans geht nicht um ihre Ausbildung, sondern darum, von den auf sie geladenen Zwängen loszukommen.
Im Finale zeigt sich auch, dass die Dunkelelben nicht nur böse und verschlagen sind, sondern ein eigenes Ehrgefühl haben. Das Ende lässt manche Frage offen. Svenya hat neue Feinde und das erstmals eine Heimat und eine Aufgabe, die sie annehmen kann. Aber es bleibt die Frage: Wer ist Svenya eigentlich?
"Die Hüterin Midgards" ist ein gelungenes, handlungsreiches Jugendbuch mit dem Flair nordischer Mythen, das gut neue Ideen zu den alten Sagen hinzufügt und sie so interessant verändert. Zusammen mit einem Hauch moderner Technologie und kleinen Drehs in den Sagen macht der Roman Lust auf die Fortsetzung. Für alle Fans von Nibelungen und Co.
Grimoires.de verdient an vermittelten Käufen.
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
Diese Rezension bewerteten 3 positiv und 1 negativ. (10043 Leser bisher.)
Deine Meinung
Sag uns deine Meinung zu Die Hüterin Midgards