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Wertung: 3/5 Grimoires; 7/10 Punkte, Gut

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Hans Christian Andersen ist der vermutlich berühmteste Däne - zumindest im Bereich der Dichter. "Die Kleine Meerjungfrau", "Des Kaisers Neue Kleider" und viele andere Märchen werden auch heute noch gelesen und in Bühnenstücken und Geschichten adaptiert. Dabei sind sie mit kaum 200 Jahren noch relativ jung. Dies hinderte den Machandel-Verlag jedoch nicht, "Updates" auszuschreiben, die nach Grimms nun auch Hans Christian Andersens Märchen in eine moderne Form bringen sollten. Die resultierende Anthologie liegt hiermit vor.

Das Buch erhält 7 von 10 Punkten.

2012 brachte der Machandelbaum-Verlag zwei Anthologien mit Grimms Märchen Updates heraus. Nun folgt die nächste Märchen-Anthologie, aber diesmal mit Hans Christian Andersen. Offensichtlichster Unterschied: Andersens Märchen waren nie Volksmärchen, sondern von ihm verfasste "Kunstmärchen". Das spürt man auch bei diesen Updates. Ein größeres Problem ist jedoch, dass Andersens Märchen in der Gesamtheit einfach unbekannter sind als Grimms'.

Volksmärchen, Hausmärchen, Kunstmärchen, Update

Alle Märchen sind gleich - eine Aussage, die so nicht stimmt. Denn üblicherweise meint man mit den Märchen Volksmärchen. Das sind Geschichten, die im Volk weiter erzählt wurden - gewisse Ähnlichkeiten mit Sagen und Legenden sind vorhanden. Die Hausmärchen der Brüder Grimm gehören dazu, denn auch wenn Grimm draufsteht, ist es eigentlich nur eine Sammlung. Nicht zu dieser Art Märchen gehören jedoch die Märchen von Hans-Christian Andersson. Es sind Kunstmärchen (Biedermeier-Kunstmärchen, wenn man es genau haben will). Zwischen den Gattungen gibt es Verwandtschaften, aber diese muss man mitunter suchen.

Volksmärchen haben üblicherweise einen eindimensionalen Erzählstrang und abstrahieren stark; Figuren sind entweder gut oder böse und die Moral ist klar und deutlich; die Geschichte spielt meist zeit- und ortlos und hat wenige konkrete Merkmale, die sie irgendwo verankern. Im Kontrast ist ein Kunstmärchen literarisch anspruchsvoller. Figuren tragen Namen und fallen nicht in ein schwarz-weiß Schema; eine eindeutige Moral im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Dabei können diese Erzählungen durchaus auf soziale Probleme aufmerksam machen. Das Sprachniveau ist generell höher als bei Volksmärchen - und das Ende ist nicht immer glücklich. Man denke hier beispielsweise an Anderssons Meerjungfrau.

"Updates" sind weder das eine noch das andere und transferieren die Märchen in einen modernen Kontext, spinnen gewissermaßen die Idee fort, wie die Märchen heute ablaufen könnten. Damit stoßen sie auf zwei wesentliche Probleme, gerade auch im Kontrast zu den Grimm-Märchen.

Die Probleme von Bekanntheit und Gattung

Das größere dieser Probleme ist die Bekanntheit der Märchen. Oder vielmehr die Tatsache, dass sie weniger bekannt sind als die Märchen der Grimms. Auch hier gibt es Märchen, die jeder kennt: Das hässliche Entlein, Die Prinzessin auf der Erbse, Des Kaisers Neue Kleider ... An die 90 Märchen veröffentlichte der Däne in seinen "Gesammelten Märchen". Viele davon sind jedoch nicht so bekannt.

Das liegt auch daran, dass sie nicht auf oben erwähnten Typen aufbauen. Die Volksmärchen Grimms sind sehr schematisch, haben klares gut und böse in einzelnen Figuren vereint, beinhalten Magie und sind in ihren Funktionen klar definiert. Zudem sind sie im Volk tradiert und aus verschiedenen Gründen beliebt. Andersens Märchen sind keineswegs unbeliebt aber die Zugänglichkeit und die generelle Bekanntheit der "Hausmärchen" fehlt ihnen. Zudem spielen Andersens Märchen auch nicht im "Es war einmal..." sondern in einer der Veröffentlichungszeit sehr vergleichbaren Zeit (auch wenn keine genannt wird). Dadurch bleiben sie schwerer zugänglich und im Gedächtnis als Volksmärchen. Schaue ich auf eine Liste von Andersens Märchen, gestehe auch ich: Einige kenne ich, bei vielen habe ich keine Ahnung, worum es geht. Lese ich die Zusammenfassung, so erinnere ich mich bei manchen ... aber nicht bei allen. Darunter leiden auch die Updates - denn eine zentrale Dimension geht verloren: der Kontrast zu den Originalmärchen. Dafür müssten diese schließlich von vornherein im Kopf des Lesers herumschwirren und nicht erst nach der Lektüre angelesen werden. Das ist schade, zumal man durchaus sagen kann, dass dies der wesentliche Punkt der Anthologie ist.

Themenvielfalt: Von Humor über Gesellschaftskritik bis Science Fiction

Trotzdem: Es gelingt den Autorinnen und Autoren, eine Vielzahl unterschiedlicher Geschichten aus den Märchen zu drehen. Sei es von einem bedauerlichen Missverständnis in "Des Kaisers Neue" oder gar dem Raumschiff in einer Variante des "Feuerzeugs". Manchmal gibt es eine witzige oder schockierende Pointe. Manche Figur gelangt in diesen modernen Märchen auch zu ihrer Rache. Die Meerjungfrau ist gleich mehrfach dabei - sowohl mit gutem als auch mit schlechtem Ausgang. Auffällig auch: Immer wieder werden gesellschaftliche Probleme angerissen, von Umweltverschmutzung bis hin zu bestimmten Krankheiten. Besonders gefiel mir "Kinder der Amme" mit einer gehörigen Prise Elbromantik. Dezent gelingt es Micaela Daschek, Stimmung aufzubauen und nur langsam erahnt man, was dahinter steckt. (Das Originalmärchen hätte ich hingegen nicht selbst erraten.)

Dass ich eine Geschichte herausstelle, heißt jedoch nicht, dass die anderen schlecht sind. "Tannenbaum recycelt" transferiert die alte Geschichte gelungen in ein Setting, in dem Holzbäume nicht mehr die einzigen sind. Die "Prinzessin auf der Erbse" stellt die Geschichte ein wenig anders dar und klärt auch, was die ganze Erbsen-Aktion eigentlich sollte. Solcherart erinnert sie mehr als andere Geschichten an die Twists der Grimm-Updates. Des Kaisers neue Kleider wird auch mehrfach gelungen und unterschiedlich verarbeitet: in einem Großkonzern, mit einer Kleiderallergie und mit bereits erwähntem Missverständnis. Und die anderen Geschichten haben ebenfalls ihren Reiz, auch wenn ich nicht auf sie eingehe: Wie schon bei den Grimm-Märchen gibt es keinen Durchhänger.

Für alle Fans und Kenner von Andersen ist "Andersens Märchen Update 1-1 - Die kleine Meerjungfrau weint nicht um ihren Prinzen" daher eine Empfehlung. Dass sie nicht ganz so gelungen ist, wie die Grimm-Updates liegt vor allem an der Vorlage. Aber selbst ohne deren Bekanntheit haben die Geschichten ihren (wenn auch geringeren) Reiz. Fans von Märchen mit Twist: Zugreifen.

Inhalt:

Nicht Fisch, nicht Frau (Regina Schleheck)

Der Drache und die Schwäne (Claudia Wahnschaffe)

Das Feuerzeug reloaded (Sylvia Werth)

Das kleine Mädchen mit den Streichhölzern (Eduard Breimann)

Des Kaisers Neue (Angelika Engel)

Kinder der Amme (Micaela Daschek)

Meine Königin (Iris Leonard)

Prinz von Kürbis (Horst Berger)

Die Prinzessin auf der Erbse (Jessica Lanser)

Die letzte Perle (Helen B. Kraft)

Der Reisekamerad (Ruth Möbius-Hanssen)

Das Double (Gabriele Graßl)

Paparazzi (Doris Winter)

Liebe Lily (Ursula Heinrich)

Die Pantoffeln des Glücks (Michael Edelbrock)

Das unglaublich wichtige Pilotprojekt (Eva Haring-Kappel)

Apfelmus (Heidrun Wagner)

Der Turm (Ralph Bruse)

Tannenbaum recycelt (Ellen Kaiser)

Die roten Schühchen (Susanne Dank)

Die hässliche Anna (Uta Kaiser-Plessow)

Schwefelhölzchen (Jana Oltersdorff)

Missers Museum (Kai Hennig)

Geliebter Augustin (Magali Heißler)

Das kleine Talglicht und das Feuer (Cairiel Ari)

Florentina und der Professor (Tedine Sanss)

Das Däumelinchen-Experiment (Roselinde Dombach)

Heuaufguss (Boris Schneider)

Wie niemals zuvor… (Danuta Gediga)

Kleidersorgen (Clemens Brunn)

Die Dame in Blau (Larissa Burkhard)

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .


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