Das Buch von den Hobbits
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Am Anfang war das Wort und das Wort war "Hobbit". Diese Aussage gibt die Tendenz vor, mit der David Day sein Buch verfasst. "Das Buch von den Hobbits" betrachtet natürlich besonders die Halblinge, Holbytlas, Höhlenbewohner. Teilweise dehnt David Day die Betrachtungen auch auf andere Bewohner Mittelerdes aus. In allen Fällen beschäftigt er sich mit den Namen der Figuren und woher diese ihren Ursprung haben, welche Assoziationen sie wecken, an welche englischen Mythen sie anknüpfen.
Das Buch erhält 8 von 10 Punkten.
"Das Buch von den Hobbits" von David Day ist sicher nicht für jeden. Eine gewisse Nähe zu Sprachen oder der Spaß an Worten ist fast notwendig, denn auf diese geht das Buch ein. Das hebt es deutlich aus der Masse an Büchern zu Fantasy-Völkern hervor. Trotzdem bleibt "Das Buch von den Hobbits" einfach zu lesen, wobei ein gutes Verständnis für Sprache sicher hilft. Kritisch kann man anmerken, dass der Autor teilweise recht bizarre Wortketten verfolgt. Das Original dieser bearbeiteten Neuauflage erschien 1997.
Tolkiens Spaß an Sprache
"Professor Tolkien liebte es, mit Worten zu spielen." Und: "Wörter besitzen eine Resonanz und eine Bedeutung, die alles überschreiten, was der Einzelne zu verstehen imstande ist." Diese Worte finden sich nahe des Abschlusses. Bis dahin verfolgt David Day die These, dass am Anfang nicht die Geschichte vom Hobbit stand, sondern das Wort "Hobbit". Dies ist auch von Tolkien selbst überliefert, der das Wort bei der Korrektur einer Prüfungsarbeit auf ein leeres Blatt schrieb. Ausgehend von diesem Wort habe Tolkien dann das Wesen Hobbit kreiert. Bei anderen Figuren ist er nach David Day ganz ähnlich vorgegangen. David Day gibt zu, dass seine These ein Ringschluss ist und hier ist es am sinnvollsten, ihn selbst zu Wort kommen zu lassen:
"Wenn damit der Eindruck entsteht, es handele sich hier um eine seltsame Form kreisförmig in sich geschlossenen Denkens, so ist genau das beabsichtigt. Tolkien erfindet einen philologischen Ursprung des Wortes 'Hobbit' als verballhornte Form des aus dem Altenglischen konstruierten Begriffs 'holbytla', was so viel wie Höhlenbauer bedeutet. [...] 'In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Höhlenbewohner.'" (S. 12)
Aus dem Leeren kommen Days Gedanken indes nicht. Tolkien war Philologe. Er beschäftigte sich mit alten Worten und vielen Sprachen. Er erfand auch neue, auf die ebenfalls punktuell eingegangen wird. David Day macht auch keinen kurzen Ausflug zu Tolkien: Seit 1978 verfasst er verschiedene "Sachbücher" zu Mittelerde. Dennoch darf man bezweifeln, dass alle seine Assoziationsketten bis zum Ende sinnvoll sind. Einiges scheint doch eher eine "Forscher-Etymologie" zu sein - wie eine Volksetymologie, die einen heutige Wortform scheinbar logisch aber doch falsch erklärt. "Richtig" oder "Falsch" möchte ich indes nicht als Kategorien gebrauchen, denn die Namen sind auch und vor allem Fiktion und Sprachspiel und hierfür sind diese Kategorien nicht geeignet. Im Sinne des Sprachspiels liest sich dieses Buch auch nicht trocken und wissenschaftlich, sondern eher wie ein wenig "Stammtischwissenschaft" mit Spekulationen und Vermutungen, die jedoch nicht belegt werden.
Bei seiner Analyse geht David Day drei größeren Bereichen nach: der Entstehung der Worte (Etymologien), ihrer Bedeutung und ihren (mythischen) Assoziationen. Natürlich verschwimmen die Bereiche auch ineinander.
Wortetymologien
Den größten Teil seines Buches beschäftigt sich David Day mit der Herkunft von Namen. Diese erklärt er zunächst und stellt sie im Anschluss noch einmal als Kette von Umwandlungen heraus, z. B.: Oldbucks -> Alte Dollars -> Alte Geldsäcke -> Old Bucks -> Oldbucks als Assoziationsreihe für die Altbocks, eine reiche Hobbit-Dynastie. In diesem Fall ist das recht neuer Sprachgebrauch, wie auch die verbürgte Ableitung von "Beutelsend" über das (nicht wirklich) französische "cul de sac".
Manchmal greift David Day aber auch weiter zurück, bis ins Indogermanische. Rekonstruierte aber nicht aufgefundene Wortformen kennzeichnet er sprachwissenschaftlich korrekt mit einem Asterisks (*). Leider wird nirgends auf dessen Bedeutung hingewiesen und diese dürfte nicht allgemein bekannt sein. Dieses weite Ausholen in frühe Sprachformen macht manchmal Sinn. Tolkien war Philologe und studierte vor allem germanische Sprachen. Dass sich "Warg" vom altnordischen "vargr" (Wolf) ableitet, ist nachvollziehbar und überzeugend. Aber David Day tendiert dazu, es zu übertreiben: Wo genau das "wearh" (Gesetzesbrecher) zu demselben vargr/Warg kommt, ist für mich nicht so sehr ersichtlich. Und den Anklang an Werwölfe erkenne ich auch nicht so recht. Auf ähnliche Art geht Day noch oft über das klar nachvollziehbare hinaus. Einiges bleibt Vermutung, die nicht nachgeprüft werden kann. Im Gegensatz zu philologischen Studien gibt es keine alten Schriften, mit denen man Gegenprüfen und erschließen kann. Wie viel also letztendlich eine falsche Vermutung von Day ist, bleibt offen. Ebenso, was tatsächlich ein intendierter "billiger philologischer Scherz" (O-Ton Tolkien) ist, und was kongeniale Andichtung.
David Day schrieb auf Englisch. Das Deutsche stellt daher einen weiteren sprachlichen Schritt dar. Die Übersetzung löst dies simpel, indem sowohl deutsche als auch englische Formen von Namen gelistet werden. Und das ist sehr unproblematisch, zumal Tolkien mit der ersten Übersetzerin Margarete Carroux zusammenarbeitete. Namen wurden so zwar eingedeutscht, behielten ihren Klang und ihre Bedeutung aber bei.
Wortbedeutungen
Etwas anders aber mit großen Überschneidungen verläuft die Erklärung von Namensbedeutungen. Natürlich steckt hier viel Etymologie drin. Wenn Smaug nicht Smaug hieße, wäre der Drache ein ganz anderer - sagt Day. Über verschiedene Ableitungen von Wortformen verbindet er den Drachen mit mehreren Eigenschaften: Smaug ist smug (verschlagen, schlau) aber er ist auch *smugan, zwängte sich durch ein Loch in den Berg hinein. Auch "sich kundig machen" und "schmuggeln" klingen in verschiedenen Sprachformen an. Aber auch hier geht David Day meines Erachtens zu weit: Dass der Name gleichzeitig der Schlüssel zum Besiegen des Drachens sein soll, da man den tödlichen Pfeil durch eine Lücke im Schuppenkleid hindurchzwängen muss... Überzeugender ist da der Hinweis auf Saurons Ähnlichkeit mir "Sauros", den Urzeitechsen oder die detailliert dargelegte Herkunft des Namens "Beutlin".
Mythische Assoziationen
Neben den puren Wortbedeutungen geht David Day auch auf Assoziationen mit (vornehmlich englischen) Sagengestalten und Mythen ein. Bei den Hobbits zeigt er zusätzlich Parallelen mit Völkerwanderungen. Insgesamt überraschen diese Verweise vermutlich am wenigsten. So gibt es viele Vorlagen für Gandalf: der Merlin der Kelten; der Odin der Wikinger (bzw. der Wotan der Germanen); der römische Merkur; der griechische Hermes; und der ägyptische Thoth. Sie alle stehen mit Magie in Verbindung, sind heute recht bekannt, und teilen einzelne Aspekte mit Gandalf. Den Bogen zurück zur Etymologie schlägt Day mit der Herkunft des Zauberer-Namens aus der Edda. Sowohl hier wie auch beim Namen Sarumans machen seine Herleitungen einmal mehr Sinn.
Grafik und Layout
"Das Buch von den Hobbits" kommt im Format vieler Bücher, die auf reichhaltige, farbige Illustrationen setzen - ein vierter, unabhängiger Schwerpunkt, wenn man möchte. Das Titelbild deutet hier einiges an, aber der Stil variiert. Die meisten Bilder sind in einem typischen Kinderbuch-Stil gehalten. Andere sind Skizzen oder erinnern an mittelalterliche Darstellungen, wie das ausklappbare Bild der Zwergen-Reisegruppe in der Buchmitte. Ganz konnte ich mich mit den Bildern nicht anfreunden (warum sehen Hobbit-Krieger aus wie Samurai?) - auch wenn Kinderbuch und Hobbit durchaus zusammenpassen. Mein persönliches Highlight der Bilder: eine Hobbitversion von Da Vincis vitruvianischem Mensch, umgeben von den Bedeutungen des Wortes. Auf Filmbilder oder andere "moderne" Tolkien-Werke verzichtet das Buch - was akzeptabel ist, da es auch klar auf das zurückgeht, was von Tolkien selbst erschaffen wurde.
Einiges von der Illustration interagiert direkt mit dem Inhalt. Häufig finden sich einzelne Hobbit-Portraits, um die herum ein Text fließt, mit Pfeilen, welche die Wortentwicklung andeuten. Text wird auch als Verzierung und Rahmen genutzt: Der Lesetext wird um die Seitenkante herum wiederholt. Das locket auf und rahmt passend, lenkt aber auch ein wenig ab. Gelungener fand ich verschiedene geometrische Figuren aus Text.
Der Lesetext selbst ist sehr strukturiert und zweispaltig gedruckt. Meistens. Bei einigen wenigen Ausnahmen merkt man schnell, dass eine einzelne Zeile auf DIN A4 etwas zu lang geraten ist. Für kurze Abschnitte, wie hier, ist das aber akzeptabel. Auch der Textverlauf um zentrale Bilder herum bietet keine Probleme und die kurzen "Kapitel" (20 Sinnabschnitte auf 92 Seiten) sind sinnvoll gewählt: Man findet immer schnell einen Punkt zum Absetzen und kann das Buch Häppchenweise genießen.
Das Lesen in einem Rutsch wird hierdurch erschwert, aber das ist auch keine sinnvolle Art, dieses Buch zu lesen. Es will, dass man ein wenig nachdenkt, die Wortassoziationen auch nachvollzieht. Und vielleicht auch, dass man kritisch hinterfragt, denn selbst Autor David Day fragt zum Schluss, ob es wirklich das "Game of Hob" war, das uns die Hobbits einbrachte.
Kein Lexikon
Am Ende sollte ich noch betonen, was das Buch nicht ist. Es ist kein Nachschlagewerk, kein Lexikon, keine Sammlung aller Informationen über Hobbits. Nicht über Hobbits in Tolkiens Werk und erst recht nicht in anderen Fantasy-Welten, die komplett ausgespart werden. David Day geht auf einige Aspekte der Hobbit-Kultur ein, setzt diese aber immer in direkten Zusammenhang mit ihren Namen. Sogar ein Glossar fehlt - gerade dieser wäre aber am Ende sinnvoll, um gezielt nach einem Namen und dessen "Entschlüsselung" zu suchen.
Bleibt festzuhalten: David Days "Buch von den Hobbits" ist kein Buch, das eine Übersicht über Hobbits in der Fantasy gibt. Es ist ein Buch für an Sprache Interessierte. Es ist ein Buch für alle, die sich fragen, wie die Figuren zu ihren Namen kamen. Ganz gleich und auch wenn David Day des Öfteren übers Ziel hinaus schießt (gesunde Skepsis wird empfohlen!): ein guter linguistischer Blick auf Tolkiens Figuren, der auch ohne Studium verständlich ist.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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