Der Abschiedsstein [Hörbuch]
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Naglimund ist von der Roten Hand besiegt worden; Josua ist auf der Flucht. Miriamel wird immer noch gesucht. Simon und seine Gefährten sitzen in den Troll-Bergen des Nordens fest: Binabik wird Verrat vorgeworfen und will sich nicht einmal verteidigen. Die Hernestyri ziehen sich aus ihrem eigenen Land zurück. Überall ist das Bild gleich: Die Nornen, die Diener des Sturmkönigs Ineluki, gewinnen an Boden und mit ihnen die Verbündeten des Hochkönigs Elias. Die Welt versinkt in einem ewig scheinenden Winter und nur die Sithi können sich in einen lang vergangenen doch ewig dauernden Sommer flüchten. Die einzige Rettung für die Menschen verspricht der Stein des Abschieds. Der Ort, an dem Sithi und Nornen sich einst trennten. Doch es ist nur eine Rettung auf Zeit, denn dem Sturmkönig muss Einhalt geboten werden. Aber welche Rolle genau spielen die drei großen Schwerter, Erinnerung, Leid, und Dorn? Und wie kann man dem neuen Unheil aus alter Zeit gegenübertreten?
Das Buch erhält 9 von 10 Punkten.
Mit dem "Abschiedsstein" setzt die Hörbuchreiche im MP3-Format wenig überraschend die Serie "Das Geheimnis der großen Schwerter" fort. Dem Sprecher Andreas Fröhlich ist nichts vorzuwerfen, aber auch er kann nicht verhindern, dass einige der vielen Szenenwechsel die Spannung einfach nicht halten können.
Viel Handlung - aber viel Zersplitterung
In aller Kürze kann man sagen: eine gelungene Fortsetzung im gleichen Stil. Wie so oft bei fortlaufenden Serien, setzt sich die Handlung direkt fort. Ohne den ersten Teil macht der zweite nur wenig Sinn: Zu vieles fehlt Quereinsteigern. Nach wie vor ist das "Geheimnis der Großen Schwerter" handlungsorientiert. Weltbeschreibung gibt es kaum, nur gelegentlich zum Verständnis der Figuren, und hierbei insbesondere für den Hintergrund der Sithi. Das führt jedoch nicht zu einer blassen oder unausgefüllten Welt. Auch durch die Verwendung von Ähnlichem in unserer Welt gelingt es Tad Williams, ein ganzes Bild der Welt zu zeichnen, ohne viel Text auf lange Erklärungen zu verschenken. Der Leser füllt das Bekannte automatisch sinnvoll auf, mit ihm bekannten kulturellen Bildern von Alligatorensümpfen bis hin zu Kirchenheiligtümern.
Interessanter sind vielleicht die Unterschiede zum ersten Teil. Es gibt mehr Szenenwechsel. Schon im "Drachenbeinthron" erwähnte ich die hohe Zahl der Figuren. Diese wächst noch leicht weiter, ist aber weniger problematisch: Nach etwa 40 Hörstunden kennt man sie. Aber mit der Zersplitterung der Figuren in verschiedene Handlungen wächst auch die Zahl der Szenenwechsel. Das führt zu Cliffhanger-Momenten, die aber nicht immer gelungen sind. Ja, manchmal bauen sie Spannung auf. Aber ebenso oft kann mich eine Handlung einfach nicht begeistern und wirkt schlicht lahm. Sie interessiert mich nicht, hat keine ausreichende Verbindung zum "interessanteren" Geschehen.
Paradox könnte man sagen, dass einerseits mehr passiert als im ersten Teil; andererseits aber weniger. Es gibt mehr Figuren an verschiedenen Orten. Die Auswirkungen ihrer Handlungen sind größer. Es deuten sich mehr und mehr Zusammenhänge an, die nicht zuletzt tragische Ereignisse in der Vergangenheit der Sithi betreffen. Vielleicht wäre es treffend zu sagen, dass mehrere kürzere Geschichten zu einem Roman mit parallelen Handlungen verflochten wurden. Die Handlungsstränge sind doch sehr zahlreich, und eine gemeinsame, koordinierte Anstrengung bleibt aus: Jeder handelt für sich.
Gewachsenes Personal: Die verlorenen Menschen
Bei der Vielzahl der Handlungen dreht sich die Mehrzahl klar um die Menschen. Simon muss sich bald allein durchschlagen und gelangt ins Reich der Sithi. Miriamel flieht mit Cadrach und wird sowohl von ihrem Vater als auch von Isgrimnur gesucht. Josua, führt die Überlebenden von Naglimund zum Abschiedsstein. Maegwin führt das Volk der Hernestyri in die Berge und sucht nach alten Verbündeten und Tiamak verlässt mit seinem Buch die heimischen Sümpfe.
Immer wieder kommen hierbei auch persönliche Probleme auf: Tiamak sieht sich sowohl seinem Volk als auch dem Bund der Schriftrolle verpflichtet - und hat keine Ahnung, was eigentlich vor sich geht. Simon sieht in sich immer noch den Küchenjungen. Josua zweifelt und sieht nur sein geschrumpftes "Volk"; Maegwin ist zwischen persönlichen Gefühlen und Pflichtgefühl hin- und hergerissen...
Wechsel zu anderen, kleineren, Charakteren wie Rachel oder Guthwulf ergänzen diese Handlungen und geben ein Bild der Situation in Osten Ard. Die undiskutabel bösen (Pryrates, Skali) bekommen wenig Rampenlicht. Auch das Mystische rückt ein wenig zurück: Brach es im ersten Teil über die Welt herein, so ist es nun in dieser. Der ewige Winter wächst, die Macht Inelukis breitet sich aus, aber dies ist eine unkonkret wachsende Bedrohung, im Gegensatz zu dem Heer, das sich zur Schlacht vor Naglimund stellte. Konkret bleiben die Dinge, vor denen die Menschen fliehen: Ingen Jegger und seine Hunde; Elias' Häscher; böswillige Menschen, die sich den Nornen anschlossen. Aber wie stellt man sich einem Toten entgegen; wie besiegt man den Winter? Auf der Suche nach den drei Schwertern kann kaum etwas getan werden und die wesentliche Handlung der Menschen in diesem Roman ist Flucht und die Suche nach einem Ausweg.
Wachsender Winter, wachsendes Böses, wachsende Helden
Der Sturmkönig Ineluki hüllt die Welt zunehmend in Eis und Schnee. Menschen aus den nördlichen Gebieten fliehen: In ihrer Heimat kann man nicht mehr Leben; der Sommer bleibt aus. Im zweiten Teil der "Großen Schwerter" gewinnen der Sturmkönig, die Nornen und Ineluki an Macht, bleiben jedoch im Hintergrund. Auch Ingen Jegger und Pryrates als direkte Gegenspieler der Protagonisten nehmen vergleichsweise wenig Platz in Anspruch. Die Nornen und Ineluki sind hingegen Mächte im Hintergrund, die still und langsam arbeiten und die Welt... erobern? vernichten? Ihr genaues Ziel bleibt offen.
Mehr als jene haben die konkreten Feinde Simons auch konkretere Ziele. Pryrates will macht. Ingen Jegger will unsterblich sein - nicht ewig leben, nein, sondern einen unvergessenen Namen haben; etwas tun, das nie vergessen wird.
Das Umfeld von König Elias ist komplexer: Schon im ersten Teil zweifelten alte Freunde an ihm. Nun beginnt, die Veränderung in Elias die alte Loyalität und Freundschaft zu überschatten. Mehr Figuren denken an "Verrat", können und wollen sich nicht mehr in ihre "Pflicht" flüchten. Wie diese machen auch die Helden eine Entwicklung durch: Simon wächst, auch wenn er es nicht wahrhaben will. Und auch Josua erkennt, dass sein stetes Zögern und Zweifeln nicht weiterhilft. Er muss etwas tun für sein Volk, auch wenn er nur die kleine Schar Flüchtender um sich sieht: wer sonst sollte Elias entgegenstehen? Am Ende des Buches stehen die verschiedenen Menschengruppen mit Plänen Zielen da - wenngleich noch allein und ohne die nötige Kraft.
Apathische Sithi
Den Menschen fehlt die Kraft, aber im Laufe des Romans finden sie ihren Antrieb - selbst der zweifelnde Josua; selbst Maegwin, die auf ihrer Suche nach alten Verbündeten enttäuscht wird. Auch Simon, der sich noch immer daran klammert, dass er nur ein Küchenjunge ist, will seine Freunde nicht im Stich lassen und findet sich nicht mit seiner Situation ab.
Den Gegensatz bilden die Sithi: Im ewigen Sommer ihrer eigenen Vergangenheit leben sie. Die Welt geht sie nichts an. Viel apathischer als die "Elben" Osten Ards kann man nicht werden. Jiriki allein scheint sich für die Welt der Menschen zu interessieren, der Rest der Sithi lebt in ihrer verborgenen Welt und in einem Sommer, der seit Langem vergangen ist. Der Winter in der Welt und Ineluki, der einst einer der ihren war, kümmert sie nicht.
Erst ganz am Ende deutet sich an, dass etwas in Bewegung kommen könnte. Der Roman endet mit einem Paukenschlag - aber ob dieser verhallt oder die Sithi "aufrüttelt" wie Tolkiens Ents, das bleibt abzuwarten.
Alles in allem ist der zweite Roman der "Großen Schwerter" eine gelungene Fortsetzung und in gewisser Weise die Ruhe vor einem erneuten Sturm, stellenweise aber langatmig. Am Preis von etwa 70 Cent pro absolut unterhaltsamer Stunde kann man hingegen absolut nicht meckern.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
Zitat(e) aus dem Buch
- "Jiriki hat dir die Wahrheit gesagt, Menschenkind. [...] Ob zum Glück oder Unglück: Du bist gezeichnet."
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