Zwölf Wasser - Zu den Anfängen
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Babu ist ein einfacher Hirte – doch fühlt sich fehl am Platz in den saftigen Wiesen der Merzer. Das Hirtentum scheint auch nicht seine Bestimmung zu sein, denn ein Falke aus der Alten Zeit überlässt ihm ein Ei und Bald wird Babu zum Falkner. Die Worte eines sterbenden Mannes zwingen ihn schließlich zur Flucht aus seiner Heimat und vor den Männern die er seinen besten Freund nannte und seinen größten Gönner.
Auf der anderen Seite der Welt erhalten die Welsen eine Prophezeiung der Undae, hoher Frauen, die das Wasser lesen können: Etwas verändert sich. Das Wasser schwindet und mit diesem die Menschlichkeit. Drei Expeditionen sollen sich mit je einer Unda zu den Quellen aufmachen.
Das Buch erhält 8-9 von 10 Punkten.
„Zwölf Wasser – Zu den Anfängen“ ist der Auftakt zu einer Trilogie und mit 607 Seiten für ein Drittel eines Debüts sehr massiv. Der Verlag investiert also recht viel Geld und Vertrauen in einen unbekannten Autor. E.L. Greiff verdient dies: Seine Welt setzt zwar keine drastischen Akzente fürs Genre, bietet aber exzellente, "realistische" Fantasy, die sich nicht in Beschreibungen verliert und zum Nachdenken anregt.
Handlung(en) und Tempo
Zur Abwechslung mal die größte Kritik zu Anfang: Die Handlung beginnt mit dem Hirten Babu, der zu einem Falkner wird und schließlich aus seiner Heimat flieht. Dann spielt er jedoch erst einmal keine Rolle mehr und die Handlung springt zu den Welsen. Oder vielmehr den Resten dieses Volkes das einst den Kontinent beherrschte; erst spät werden die zwei Handlungen zusammengebracht und sind auch nur sehr lose verknüpft. Die Welsen-Handlung selbst beginnt zudem inmitten einer Flucht und braucht eine Weile um Reiz und Spannung zu entwickeln, die dann zweifellos vorhanden sind. Insgesamt ist der Roman jedoch langsam; Action-Szenen sind rar gesät, aber für die Spannung gilt dies nicht. Man braucht eine gewisse Zeit, um sich auf die Handlung einzulassen und für Ungeduldige ist dies zu viel. Für mich kam ein Durchhänger beim Wechsel der Handlung zu den Welsen, aber letztlich war der Roman schneller zu Ende als ich erwartete.
Undae und andere Rätsel
Wie erhält ein Roman mit wenig Action und langsamer Handlung die Spannung? Dies lässt sich an den Undae illustrieren. Die Undae leben in einer Höhle nahe der letzten Stadt der Welsen, nahe dem Ende der Welt in einer Region mit brutalen Wintern und kaum Nahrung. Die Welsen schätzen die Undae hoch, wissen aber selbst nicht wirklich, was diese eigentlich sind. Ihre Warnungen nehmen sie ernst und so brechen mehrere Gruppen auf, um die Zwölf Quellen aufzusuchen. Das klingt wie eine typische Queste und ist es soweit auch. Das ungewöhnliche: Dies sind im Wesentlichen alle Informationen die sowohl Charaktere als auch Leser bekommen. Die Undae bleiben rätselhaft; ihre starke Verbindung zum Wasser wird gezeigt aber nicht erklärt; das Warum und Wieso der Quellen bleibt offen. Erst später erfahren Charaktere (vor allem Hauptmann Felt, dem die Handlung folgt) und Leser Teile vom großen Ganzen, was es mit den Quellen auf sich hat und wie alles zusammenwirkt.
Das gilt auch für die Geschichte des Kontinents. Manche Autoren würden in einem langen Prolog vom Welsenreich erzählen und somit einen Haufen Exposition abladen – eine Einführung in die Welt in der Art eines Geschichtsbuches. Tatsächlich ist es auch die Geschichte der Welt, die einem Exposition am nächsten kommt, aber selbst die Erzählung eines Archivars bleibt aktiv und interessant – statt einer faktischen Abhandlung wirft sie zudem vielmehr einige Fragen auf. Dennoch wirkt die Welt „komplett“, vielleicht sogar kompletter als eine trockene Beschreibung über hundert Seiten es leisten könnte – und ganz im Kontrast zu den Abschweifungen in Tolkiens Meisterwerk. Greiffs Stil ist nicht besser oder schlechter: er ist anders und kommt jenen entgegen, die bei langen Ausführungen einschlafen.
Auch die Magie der Welt ist auf niedrigem Niveau – zumindest das, was man sieht. Vermutlich sind die Undae und die Quellwächter noch mächtiger als man den Eindruck bekommt, aber sie wirken im Verborgenen und werden kaum bemerkt. Auch hier gibt es keine vollständige Erklärung: die Magie bleibt mysteriös und vielleicht ist „Mystik“ auch die bessere Beschreibung. Ein Kontrast ist hier die große Feuerschlacht in der Historie der Romanwelt, in der Magie entfesselt wurde und das Welsenreich an einem Tag vernichtete – und deren Auswirkungen jetzt erneut sichtbar werden.
Kompaktes Ganzes
Ungewöhnliches auf den Punkt zu bringen, ist oft schwer, ohne zu entstellen. Dennoch der Versuch: Was macht den Roman so gut? Alles passt zusammen. Und natürlich hilft diese Aussage nicht und braucht Erklärung. Erklärung ist genau das, worauf der Roman verzichtet. Die Undae sind dem Wasser nahestehend – das ahnt man und sieht man. Es ist für den Leser kein Problem nachzuvollziehen, dass eine Unda gegen Ende des Buches nicht in der Lage ist, ein Feuer zu entzünden. Sie kann es einfach nicht. Eine andere Figur mag sich wundern; der Leser erkennt das Muster. Dies gilt auch für andere „Geheimnisse“, wie etwa die Quellen die in direkter Verbindung zu den Tugenden der Menschen stehen und deren Wirkung der Leser erraten oder erahnen kann, oder im Rückblick nachspüren. Denn nie wird explizit gesagt, worum es geht. Auch Felt findet dies bisweilen frustrierend: Wie soll er die Unda schützen, wenn er gar nicht weiß wovor? Wie soll er eine Expedition führen, deren Ziel er nicht kennt? Aber selbst das hat eine weitere Bewandtnis, auf die man immer wieder kurze Blicke erhält – nie einschläfernde Exposition aber genug um Zusammenhänge zu erkennen. Dafür verzeihe ich auch gerne die vorgelagert wirkende Geschichte um den Hirten/Falkner.
Was nicht ist
Anders beschreiben könnte man „Zwölf Wasser“ darüber, was es nicht ist - und dadurch wird es polarisieren und einigen schlicht nicht gefallen. "Zwölf Wasser" ist keine Sword & Sorcery, auch wenn Felt nahe an einen auserwählten Helden heranreicht – auserwählt im Geheimen von seinen Mitmenschen, ohne dass er es selbst weiß. Es gibt auch ein mystisches Schwert das für ihn geschmiedet wurde um die Welsen zu neuer Macht zu führen – aber wie die Magie ist es nicht prominent sondern zunächst „einfach“ da. Auch andere typische Fantasy-Elemente tauchen auf, aber die phantastischen Elemente werden weitestgehend auf ein realistisches Niveau gebracht: Magie und Mystik sind immer mysteriös und nicht an der nächsten Straßenecke zu kaufen. Action ist ebenso rar – Kämpfe sind tödlich und ein strahlender Held aller tritt nicht aus ihnen hervor. Felt kommt einem Helden vielleicht am nächsten, aber nicht durch glorreiche Taten sondern durch Stoik, Loyalität und Pflichterfüllung. Auch ist dieser Roman keine Geschichte zum miträtseln oder mit Intrigen im Mittelpunkt. Exotische Rassen gibt es nicht – Menschen sind zentral, spalten sich jedoch in verschiedene Kulturen. Krieg gibt es nicht: noch nicht muss man vielleicht sagen, denn die Möglichkeit wird angedeutet – mit dem für Fantasy typischen „Bösen“ im Hintergrund, das jedoch wie der Rest des magisch-mystischen subtil und im Verborgenen, durch die Menschen selbst, wirkt und daher nicht zu einer glasklaren Gut-gegen-Böse-Situation führt.
E.L. Greiff gelingt es großartig, eine im Wesentlichen normale Welt so zu zeigen, wie sie sein kann: gefährlich, auch ohne phantastische Elemente. Besonders hervorheben möchte ich das Verirren in einem (magischen Wald). Es ist rätselhaft, rational kaum nachvollziehbar. Die Handlung ist (ganz wörtlich) in einen Nebel gehüllt. Selbst Felt kann nicht klar sagen, was passiert und erfährt erst im Anschluss den Grund und Sinn. Offen bleibt natürlich, wie die Reihe fortgeführt wird: Folgt der Autor im zweiten Band den anderen Expeditionen oder geht er einen anderen Weg?
„Zwölf Wasser –zu den Anfängen“ ist ein absolut gelungenes Debüt mit einer ungewöhnlich ruhigen Handlung ohne direkten großen Konflikt. Exposition wird gekonnt in eine aktive Handlung eingeflochten und Magie ist wirklich mysteriös; gerade dass nicht alles erklärt wird, macht diesen Roman reizvoll und lässt die Nachfolger mit Freude erwarten.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
Leseprobe
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Lesermeinungen:
Name: aegypten | Bewertung: (10) | Datum: 15.09.2012 21:56:38 |
Zwölf Wasser habe ich bereits gelesen und bei amazon eingestellt unter aegypten. Der Roman sollte auf jeden Fall gelesen werden und er ist jede Seite wert zumal er zur heutigen Zeit paßt denn auch heute kämpfen wir um die menschlichkeit und um nichts anderes geht es in dem Buch. Allerdings genial umgesetzt. | ||