Buch-Cover, Lavie Tidhar: Bookman

Bookman

Originaltitel: The Bookman [EN]
Serie: Das Ewige Empire (#1)
Übersetzer: Michael Koseler
Genre: Steampunk (Gaslight Fantasy)
Verlag: Piper
Seiten: 424
Erschienen: 05/2012 (Original: 2010)
ISBN: 978-3-492-70242-3
Preis: 16,99 Euro (Softcover)
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Wertung: 4/5 Grimoires; 8/10 Punkte, Gut bis sehr gut

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Bei einem Anschlag auf eine Mars-Sonde kommt Orphans Verlobte Lucy ums Leben. Der Täter ist klar: der mysteriöse Bookman. Als Orphan im Krankenhaus zu sich kommt, schwört er Rache. Doch sein Weltbild wird stark erschüttert. Viele die er für Menschen hielt, sind in Wahrheit Maschinen, die für eigene Reche kämpfen. Nicht nur dass Orphan seinen alten Freund Gilgamesch und seine Verlobte durch den Bookman verloren hat – nun bietet dieser ihm auch noch an, Lucy zurückzubringen und wenn man den Gerüchten glaubt, dann kann er es sogar. Natürlich nicht einfach so, denn der Bookman hat Pläne mit Orphan – aber nicht nur er: auch der Widerstand versucht Orphan gegen die Echsen-Herrscher einzusetzen.

Das Buch erhält 8 von 10 Punkten.

Auch wenn es so klingt: Der Bookman ist nicht der neueste Marvel-Superheld. Was er stattdessen ist? Geheimnisvoll, ein Terrorist... und der Titelgeber zu diesem Roman, der in ein typisches Steampunk-Setting eine Dosis Literatur und Science Fiction einfügt.

Literarische Verbindungen

"Bookman" – der Titel macht klar, dass dieser Roman viel mit Büchern zu tun hat. So trifft der Leser auf Autoren von bekannten wie Oscar Wilde oder Jules Verne bis hin zu eher unbekannten wie Isabella Beeton. Auf der anderen Seite trifft man aber auch auf Figuren, insbesondere aus der Sherlock Holmes Reihe. Irene Adler ist beispielsweise Inspektorin bei Scotland Yard; Moriarty ist Premierminister und Sherlock sowie sein Bruder Mycroft tauchen in kleineren Rollen auf. Diese bekannten Figuren haben deutlich unterschiedliche Wichtigkeit für die Handlung: Doktor Mabuse wird nur im Vorbeigehen erwähnt; Moriarty und Kapitän Nemo sind wichtiger; einige Figuren sind fast versteckt. Dabei sind erstaunlich viele erwähnte Werke (auch als Einleitung zum Kapitel) echt – bis hin zum Schachautomat, der uns das Verb "etwas türken" bescherte. Trotzdem braucht man all das nicht zu wissen: die literarischen Anspielungen gehen nicht in die Dimension von Jasper Ffordes Romanen und bewegen sich in eher populären Bahnen, insbesondere Krimi, moderner Film und Phantastik. Wer sich auskennt wird aber sicher mehr Spaß haben.

Variiertes Setting

Diese Elemente beeinflussen natürlich das Setting. In Steampunk-Tradition ist die Zeit in etwa viktorianisch; der erste Handlungsort ist London – was sollte das "Ewige Empire" auch anderes sein als England? Dennoch ist diese Welt nur marginal historisch – irgendwann im frühen 16. Jahrhundert sind die Dinge anders Verlaufen. So existiert Calibans Insel von der Shakespeare berichtet tatächlich und ihr schliefen Les Lézards, Echsen die nun die Welt regieren. Die Technologie ist wie üblich weiter fortgeschritten als historisch, beispielsweise die Mars-Sonde. Dennoch ist sie nicht allzu prominent. Zwar überraschen Automatische Menschen niemanden und auch Tesla-Waffen werden mit gewisser Selbstverständlichkeit hingenommen, aber es überrascht zumindest Orphan, wie häufig sie doch sind. Generell sind diese "High-Tech"-Werke jedoch im Verborgenen und gelten mitunter als Urbaner Mythos – wie die Schwarzen Luftschiffe, die Orphan entführen (Vgl. Titelbild.).

Erzählstil und der "Held"

Mit der veränderten Geschichte hat sich natürlich auch die Welt gegenüber unserer verändert. Vieles lässt der Autor jedoch im Dunklen und offenbart es nur in Teilen. Der Stil ist insgesamt flüssig und die meiste Zeit über ist die Handlung spannend und interessant. Tiefgang wird nur oberflächlich begonnen, etwa in der Frage ob nicht der Mensch selbst letztlich nur eine besonders feine Maschine ist. Manchmal scheint der Autor zudem die Haupthandlung aus den Augen zu verlieren und es geht relativ lahm weiter. Dies bringt uns zu den Schwächen der Geschichte. Der "Held" Orphan ist kaum heldenhaft und zwischen dem Mythos, der die Anfänge des Romans prägt, und der Science-Fiction Erklärung am Ende kommt es für mich zu einem Bruch.

Die Schwächen: Plot ohne Held und Steampunk mit Aliens

Schlicht zusammengefasst stellt sich heraus dass die Lézards Außerirdische sind und ihre Heimat kontaktieren wollen. Es gibt Leser, die halten Steampunk für generell eine Science-Fiction-Spielart (und unterscheiden ggf. noch mit Gaslamp-Fantasy). Ich bin keiner von diesen Lesern.

Ich kann mich durchaus mit eher SF-lastigem Steampunk anfreunden, aber in diesem Roman störte es mich extrem: Der Roman beginnt mit "Gilgamesch", mit literarischen Figuren und Mythen. Maschinenmenschen, Tesla-Waffen, auch U-Boote verkraftet ein solches Setting. Den späteren Dreh zu "es sind Aliens!" möchte ich aber nicht wahrhaben. Das Mysteriöse wird für mich auf diese Weise vollkommen entzaubert, zumal einiges nun quasi-rational erklärt wird. Auch der Bookman selbst verliert seinen Reiz, Statt mysteriösem Wesen wird er zu einem Alien-Konstrukt das gegen seine Schöpfer arbeitet. Das passt für mich einfach nicht zusammen, denn es gibt keine sanfte Naht oder Überführung, keine Erklärung wie die Mythen sich entwickelten und immer noch Mythen sind. Nur einen Bruch: "Hey, es sind Aliens, und die machen das und das." Mythos und SF lassen sich miteinander konsolidieren, hier finde ich dies aber misslungen.

Auch der "Held" verursacht mir Bauchweh. Nichts gegen einen naiven Helden und bis ins zweite Drittel ist Orphan auch aktiv. Aber gerade zum Ende hin agiert er kaum noch und die Welt verändert sich um ihn herum – die bloße Existenz einer Person als Katalysator für Wandel, wie der Roman selbst es ausdrückt; ein kleines Zahnrad, das doch den ganzen Mechanismus zum Laufen bringt um zu dieser erweiterten Metapher um Maschinen zurückzukommen. Das macht es für mich aber leider nicht besser. Trotzdem ist "Bookman" ein guter Roman und meine Kritikpunkte sind zum Teil persönlicher Geschmack.

"Bookman" ist ein Roman mit literarischen Anspielungen denen auch Wenigleser folgen können. Technologie ist in Form von Maschinenmenschen und anderem überall vorhanden, drängt sich jedoch nicht in den Vordergrund eines quasi-viktorianischen London. Mir persönlich hat das Alien-Thema den Roman zu einem guten Stück verdorben, aber dies wie auch der starke Einschlag zur Science-Fiction nach einem eher mythischen Anfang sind Geschmackssache. Wer Steampunk mit SF-Elementen (und Außerirdischen) mag, dem wird der Roman wohl mehr zusagen als mir.

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Avatar von nico Rezension von: (Grimoires.de)
Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.

Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .


Leseprobe

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Bookman - Leseprobe (extern)

Zitat(e) aus dem Buch

  • Wir leben in einer Zeit der Mythen. Sie sind wie seidene Fäden aus der Vergangenheit in die Gegenwart gewoben wie ein Drahtgeflecht aus der Zukunft, und bilden ein zusammenhängendes Muster, eine großangelegte Konstruktion mit sich wiederholenden Motiven. Unterschätze mir den Mythos nicht, mein Junge.
  • "Das Schicksal ist wie ein Buch […]. Man muss es herstellen."

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