Seelenfänger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
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Die Punk-Göre Mia zieht mit ihrer Familie aus Berlin in ein bayrisches Dorf. Das gefällt ihr gar nicht, sind dies doch alles Hinterwäldler. Doch schnell trifft sie auf die Brüder Nathan und Aleksander Le Vrai, die nicht nur alle Mädchen der Schule um den Verstand bringen sondern auch Mia faszinieren, trotz ihres arroganten Verhaltens.
Das Buch erhält 4 von 10 Punkten.
Endlich einmal keine Vampire! Leider ist das fast das einzig positive, denn trotz einem selten durchscheinenden guten Stil nimmt „Seelenfänger“ leider jedes Klischee mit.
Alte Idee, Viele Klischees, Unglaubwürdiges
Die Idee zu diesem Roman ist nicht neu. Die Punk-Göre und selbsterklärte Rebellin gelangt von der Großstadt ins Dorf und verliebt sich schnell in einen von zwei Brüdern, die irgendwie seltsam sind und sich später als nicht ganz menschlich herausstellen. Dabei bleiben die gesamte Dorfwelt und alle Figuren meist leblose Kulisse. Seltsamkeiten werden von den Figuren nicht wahrgenommen: Alle sind in die Le Vrai-Brüder verliebt und keinem fällt das als seltsam auf; und über ganz wörtlich irre werdende Mädchen wird hinweg gesehen. Teilweise hat dies mit der vorherrschenden Innensicht von Mia zu tun, die dem Roman nicht gut tut.
Der Anfang ist noch mit recht wenig Klischees beladen (und besser als das, was folgt), aber im Laufe der Geschichte nimmt deren Zahl unerträglich zu: Haarschnitt-Symbolik zum Lebenswandel; Adjektive wie teuflisch oder satanisch; zum Abschluss dann auch noch ein Engel, der einfach einmal alles löst, und ein mehr als mühsames verdrehtes Vater Unser um nur einige zu nennen und noch mehr wegzulassen. Zu schlechter letzt wird dann auch noch Kitsch ausgepackt, was der letzte Satz (Achtung, Spoiler bis zum Zeilenumbruch!) perfekt illustriert: „Der Sohn des Teufels weinte vor Glück, vor Liebe und vor Freude.“ … Mir fehlen die Worte. Leider nicht im positiven Sinne.
Hinzu kommen schlicht unglaubwürdige Dinge. Einen Campführer (ja klar, wenn junge Mädchen in die Irrenanstalt geschickt werden müssen sendet man alle Kinder in ein Camp?!) in derart inkompetenter Art mag man nicht glauben: ab in den Wald, ohne Hilfe, ohne Kontaktmöglichkeit zu Ersthelfen oder ähnlichem, mit viel zu vielen Kindern?! Klar: Der Baum kippt natürlich in der Nähe um und aufs Zelt. Und eine Gehirnerschütterung kann man auch mal eben so ignorieren, geht von allein weg. Ein aufziehendes Gewitter kann man immerhin noch mit den Le Vrai Brüdern und sympathetischer Natur in Verbindung bringen, aber sehr viele Seltsamkeiten sind nur eines: unglaubwürdig.
Komische Quellenmischung
Apropos Blödsinn: Seltsames fängt bei Hintergrundquellen an. Die Hölle ist im Stil Dantes gehalten, also die üblichen 9 Kreise. Allerdings wird diese recht klare Ordnung vollkommen absurd anders ausgestaltet: Der 9. Kreis besteht aus Feuer. Tut er nach Dante nicht; es ist ein Eis-See in dem die Verräter gefangen sind. Eine nette schwarze Metalltür gibt es da auch nicht und eigentlich ist auch Satan selbst als Verräter festgefroren. Eine Höllenführung a la Dante gibt es nicht, aber der gesamte Fußmarsch wirkt doch sehr wie ein Gang zum Kiosk an der Ecke. Wer Dante nicht kennt (tue ich aber), dem wird dies nicht so sehr aufstoßen, aber vieles andere passt nicht einmal romanintern zusammen. Nehmen wir den Engel: Es ist die Mutter der Le Vrais, die sich dem Teufel hingab. In die Hölle kam sie nicht – sie hat ja nie etwas Böses getan. Okay, Vergebung und all das, kann man so machen. Aber die Mädchen, die vollkommen unbewusst und möglicherweise sogar gedankenkontrolliert „Ich liebe dich“ zu einem der Teufelssöhne sagen sind auf ewig in der Hölle ohne Rettung, denn sie taten es ja aus freiem Willen. Das passt doch vorne und hinten nicht und wird in der Mitte noch bekloppter, denn der Schutzengel-Job ist quasi die Bewährungszeit auf einen Platz im Himmel. Nightmare Fuel schlechthin: Sag drei Worte und komm in die Hölle. Was für eine Moral-Logik, was für einen Freien Willen gibt es hier? Die im Roman angeführte Prämisse, Unwissenheit schütze vor Strafe nicht, passt weder zu einem vergebenden Himmel noch zu dem, was mit der Mutter der Le Vrais passiert – ein interner Widersprich. Überhaupt ist der Engel eine göttliche Maschinerie, die nur deshalb auftaucht um sich zum Schluss zu opfern und in die Hölle zu gehen. (Da gehört sie mehr hin als einige andere). Überraschend: Ein selbstloses Opfer bringt hier gar nichts ein, den Himmel interessiert es nicht und man landet trotzdem in der Hölle. Das muss wohl das Schicksal aller sein – Inkonsistenz und irrwitzige Ausnahmen machen es nicht besser.
Geringer Figurenfokus, minimale Fantasy
Mias Sicht und Gefühle nehmen den größten Teil des Romans ein. Natürlich ist diese Rebellin absolut schlagfertig, im Inneren aber höchst einsam aus zerbrechlich – Klischees erwähnte ich ja. Die Schlagfertigkeit ist dabei aber durchaus treffend, wie etwa der dem Campleiter verliehene Titel „Doktor Psycho“. Die Fixierung auf Mia ist allerdings ein wenig groß und manchmal möchte man ihr mit Anlauf in den Hintern treten, so wenige Gedanken macht sie sich um das, was im Dorf passiert.
Der Fantasy-Anteil des Romans ist gering und lange Zeit nur deshalb klar weil „Fantasy“ auf dem Cover steht. Ohne diesen könnte die Geschichte lange anders gelesen werden, in Richtung Phantastik (im engeren Sinne), d.h. mit Zweifel über die Übernatürlichkeit der Le Vrais. Die sympathetische Umwelt, wie ein aufziehender Sturm, würden diesen Zweifel unterstützen und auf „mehr“ deuten. Einen Bruch von der „realistischen“ Welt bringt zum Ende ein leibhaftiges betreten der Hölle. Darüber schweige ich jetzt nur noch und sage lediglich, dass die gesamte Auflösung zu allem Erwähnten auch noch übermäßig schnell kommt.
Stil und Story
Man soll ja auch positives hervorheben. Da fallen aber leider nur Kleinigkeiten ein. Es sind einmal keine Vampire. Schön, das ist etwas. Ein besserer Stil scheint an den Stellen durch, wo die Beschreibungen und Gefühle Mias ein wenig in den Hintergrund rücken – leider sind diese Passagen selten. Mias Schlagfertigkeit ist bisweilen nett aber auch wirkt nicht authentisch; die Jugendsprache wirkt allerdings oft künstlich, mitunter gestelzt und unecht. Action bleibt aus. Das Grundproblem ist einfach, dass es irgendwann schlicht zu viele Klischees sind und so ziemlich jedes Klischee mitgenommen wird. Auch eine Mögliche Mystery-Atmosphäre geht daran zugrunde. Ironie: Das einzig nicht gänzlich Klischeehafte ist das Ende, bei dem einmal nicht alle gerettet werden, aber selbst das kritisiere ich, denn welche Moral oder Aussage soll hier getroffen werden? Die Autorin versucht, gut und böse zu trennen, löst eine scharfe Trennung aber gleichzeitig auf – Widersprüche sind die Folge und die einzige halbwegs logische Lösung ist, dass jeder zur Hölle fährt und es den Himmel nicht interessiert. Solch ein Ende gab es schon zuvor – aber in einem Jugendbuch ist das pures "Nightmare Fuel“.
Fazit: Ein Mainstream-Fantasy-Romance Jugendbuch im unteren Qualitätsbereich. Der Roman lässt kein Klischee aus und verwickelt sich in Widersprüche.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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