Die Zeitwanderer
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Auf dem Weg zu seiner Freundin Wilhelmina begegnet Kit Livingstone eines Tages seinem Urgroßvater Cosimo, der sich bester Gesundheit erfreut. Was dieser ihm erzählt mag Kit kaum glauben: es gibt Ley-Linien, uralte magische Pfade, die einen in andere Orte und Zeiten führen. Dennoch ist das Erlebte höchst seltsam und Kit beschließt, es seiner Freundin zu zeigen – und muss feststellen, dass sein Großvater nicht gelogen hat. Vor allem hat Kit nun ein ganz dringendes Problem: Mina ist irgendwo zwischen Ort und Zeit verschollen – und die unerforschte Natur der Ley-Linien sowie der skrupellose Geschäftsmann Lord Burleigh machen die Suche nach Mina nicht einfacher.
Das Buch erhält 7-8 von 10 Punkten.
Alte Geschichte
Menschen finden sich in einer anderen Zeit wieder - so kann man "Die Zeitenwanderer" ganz knapp zusammenfassen und neu ist dieses sicherlich nicht. Auch der skrupellose Geschäftsmann, der dies ausbeuten will ist aus vielen Geschichten bekannt. Auch dass die anderen Zeiten als Paralleldimensionen angesehen werden ist kein wesentlicher Unterschied – und bedingt nur, dass Änderungen in der "Vergangenheit" durchaus möglich sind. Zumindest bis Ende des Buches hat das keine Konsequenzen und auch die Ley-Linien als Mittel zur Reise scheinen bislang vollkommen beliebig und setzen den Roman lediglich in ein eher mystisches denn technologisches Setting, das auch durch die Handlung unterstützt wird, wenngleich recht wissenschaftlich agiert wird.
Leicht Richtungslos: Offene Erzählungen
Das liegt auch daran, dass die Geschichte insgesamt richtungslos wirkt. Der Roman beginnt mit Kit und spaltet sich dann in mehrere Erzählungen: Kit, Cosimo, Wilhelmina und Arthur Flinders-Petrie von dem man schon durch Cosimo erfuhr und der "früher" gelebt haben muss. Als Geschäftsmann-Schurke wird Lord Burleigh früh eingeführt und tut nichts um dieses Bild auch nur geringfügig in Frage zu stellen. Gegen Ende des Buches gibt schließlich auch ein episches Ziel: den Quell der Seelen. Was genau das ist bleibt jedoch vollkommen offen.
Die Handlungen der einzelnen Charaktere sind ein wenig abgeschlossener und werden wieder zusammengeführt: Wilhelmina und Kit treffen mit Cosimo und einer weiteren Figur zusammen, was allerdings einen starken Beigeschmack von deus-cum-machina hat. Dies ist einerseits unerwartet und kommt aus dem Nichts, das Mittel zu dieser Handlung wurde allerdings schon zuvor angedeutet. Trotzdem dürfte der Folgeroman mit einem Rückblick "Wie ich euch gefunden habe" beginnen. Unschön. Probleme macht natürlich auch die für einen Zeitreise-Roman typische Gleichzeitigkeit des Nichtgleichzeitigen – trotzdem ist der Roman handwerklich einfach gut und auch spannend geschrieben.
Historisch akkurater Hintergrund
Ein Beispiel für gutes Handwerk ist das Rätsel der gestohlenen Karte: es taucht früh im Roman auf und wird am Ende für den Leser gelöst. Dies führt zu einer gewissen Rundung, auch wenn es einen weiteren Handlungsstrang beginnt. Viel markanter ist jedoch der lebendige und dennoch simple Stil, der die verschiedenen Epochen gut einfängt ohne durch Altertümelei oder Fachbegriffe zu stören. Hier merkt man, dass der Autor sich auskennt. Er nutzt historische Persönlichkeiten, Ereignisse und Entwicklungen. Diese sind nicht zentral für den Roman, auch nicht aufdringlich, demonstrativ oder belehrend. Man mag sie fast übersehen, denn sie sind ein schlichter Hintergrund für den Roman bei dem man mitunter nachsehen muss um sicher zu gehen, ob er tatsächlich echt ist (ist er!) oder erfunden wurde. Stephen Lawhead gelingt es vor diesem Hintergrund auch, seine Figuren zu entwickeln, insbesondere Wilhelmina: Während Kit im Wesentlichen ein "Fremder" in einer anderen Zeit bleibt lebt Wilhelmina sich in der neuen Zeit ein und blüht auf – wobei sie die normale Entwicklung deutlich verändert. Bisher geschieht dies ohne Konsequenzen aber von anderer Zeitreise-Literatur vorgeprägt hat man das Gefühl, dass es durchaus noch Probleme geben könnte. Ein wenig kurios ist es auch, dass Wilhelmina viel stärker in Erinnerung bleibt als Cosimo oder Kit, die viel eher die Hauptfiguren des Romans sind.
Offenes Ende ohne "WOW"
Trotzdem muss ich mit einer negativen Tendenz abschließen: Das Ende ist offen – die Figuren sind auf dem Spielfeld, das Ziel ist bekannt – aber was es genau ist, weiß niemand. Auch warum Kit überhaupt in den Schlamassel hineingezogen wird, ist recht unklar. Der erste Roman der "Schimmernden Reiche" hat vor allem Weichen gestellt für weitere Ereignisse. Ihm fehlt jedoch ein "Wow"-Effekt, etwas Neues das es nicht schon in anderen Zeitreise-Romanen gegeben hat; etwas das mich unbedingt weiter lesen lassen will. Schlecht ist der Roman keineswegs! Er ist absolut solide und kann Zeitreise-Fans empfohlen werden; ein guter und lebendiger Stil ist zweifellos vorhanden – aber es fehlt an Zugkraft zum nächsten Titel.
"Die Zeitenwanderer" vermittelt den Eindruck vieler Geschichten, die lose zusammenhängen aber nicht ganz zusammengeführt und abgeschlossen werden. Es ist ein absolut solider Roman, auch durch Lawheads Beherrschung des Schreiberhandwerks und seiner Kenntnis historischer Hintergründe. Es gelingt ihm, eine alte Geschichte interessant neu zu erzählen – aber es fehlt etwas, das den Leser wirklich in den Bann zieht.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
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