Küssen auf eigene Gefahr
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Trinity Harpswell leidet unter dem Fluch der Schwarzen Witwe: Jeden Mann in den sie sich verliebt, muss sie umbringen - und schafft das bedauernswerter Weise auch. Doch bald ist es ausgestanden! Gelingt es ihr bis zum Ende der Woche, niemanden umzubringen, ist der Fluch gebrochen. Nur ist es ausgerechnet Trinitys Fluch, von dem sich Blaine Hilfe verspricht. Zusammen mit zwei Freunden ist er nach 150 Jahren aus der Höhle einer schwarzen Hexe entkommen, musste einen weiteren Gefährten jedoch zurücklassen. Trinity soll ihm helfen, die Hexe zu töten. Ganz und gar ungünstig ist es natürlich auch, dass Blaine selbst überaus attraktiv ist – und auch zwischen Trinity und der Hexe gibt es eine Verbindung.
Das Buch erhält 8-9 von 10 Punkten.
"Küssen auf eigene Gefahr" ist wörtlich gemeint und tödlich – selbst für Romantic Fantasy eine interessante Ausgangslage. Was Stephanie Rowe daraus macht ist jedoch viel abgedrehter als man es in Kürze darstellen kann - und absolut gelungen.
Abgedrehte Supra-Charaktere
Im Zentrum der Handlung stehen die Charaktere. Die Welt im Hintergrund bleibt blass: Im Prinzip könnte die Handlung überall spielen; wie die Welt funktioniert erfährt man nicht. Vermutlich ziemlich chaotisch, wenn es denn überhaupt einen Gesamtplan gibt. Der Leser lernt nur Figuren kennen, allesamt mit übernatürlichen Fähigkeiten; normale Menschen tauschen nur als Hintergrund auf. Diese Supras passen nicht eindeutig in bekannte Monster-Kategorien, leihen sich ihre Fertigkeiten aber aus allen denkbaren Hintergründen: Trinity als Schwarze Witwe, die ohne Fehl töten kann (und muss); ihre Mutter mit einer ganz besonderen Bindung zu Pflanzen; Blaine, der bei Bedarf in Flammen aufgeht und viele mehr. Selbst der Tod wurde in dieser Welt privatisiert und arbeitet nun als internationales Unternehmen mit "Todesengeln" als Helfern... Und die Romantik?
Politisch inkorrekter "Feminismus": Sexuelle Überzeichnungen
Die Romantik gibt es, nimmt aber im Vergleich zu anderen Romanen einen recht geringen Raum ein. Dass Trinity und Blaine sich verlieben ist klar. Die Vermutung, dass das zentrale Problem darin besteht, dass Trinity Blaine töten muss sobald sie sich verlieben, ist nicht weit hergeholt – aber nicht ganz richtig, denn Blaine hat von Frauen auch die Schnauze voll und spricht diesen die Möglichkeit ab, wirklich zu lieben. Im Wesentlichen gibt es ganz andere Probleme, in denen die Beziehung der beiden einen eher geringen Raum einnimmt – der Roman ist von ungewöhnlichem Irrwitz geprägt: Die Hexe entführt seit Jahrhunderten Männer und erzieht diese zu "idealen Gefährten einer Frau". Das hat nichts mehr mit Feminismus zu tun und ist vielmehr eine überzeichnetes Fehlverstehen: Stricken und Malen und dergleichen mehr - dazu auch eine gehörige Portion Folter, ja danke. Klischees werden ständig ausgenutzt und überzeichnet, insbesondere geschlechtsspezifische. Die Autorin zeichnet zwar einerseits eine ziemlich klare schwarz-weiß Trennung, schafft es aber andererseits, selbst der Hexe eine nachvollziehbare wenngleich klischeehafte Vorgeschichte zu verpassen. Politisch korrekt ist dieser Roman nicht - aber wer sich darauf einlassen kann, wird höchst amüsiert, inmitten von niedlichen Kosewörtern, Softie-Konditionierung, Stricknadeln zur Entspannung in Gefechtssituationen und totalen Überzeichnungen von Gender-Klischees.
Leicht trashig aber gut
Ein wenig bewegt dies den Roman in Richtung "Trash" - aber wenn er wie hier gefüllt wird ist er einfach amüsant; ernst nehmen kann und darf man ihn nicht. Wirklich nachdenken darf man ebenfalls nicht, sondern muss vielmehr über die vielen, vielen Klischees den Kopf schütteln. Dieses Lese-Einstellung behebt auch einige Mängel: Die Männer wurden 150 Jahre in einer Höhle gefangen gehalten - finden sich in der Moderne aber sofort zurück und können auch sofort auf einem Motorrad (na klar!) davonbrausen. Ähnliches wiederholt sich auch in anderen Fällen. Zu Anfang kann das irritieren – nach einigen Seiten hat man diese Tendenz jedoch begriffen und kann die normale Logik einfach über Bord werfen.
Kleine Seltsamkeiten bleiben dennoch: einige Leseranreden passen nicht in den restlichen Text – und weswegen man in einem eher magisch-mystisch geprägten Umfeld mit einem Mal von transferierter DNA spricht, entgeht mir. Auch gibt es recht viele 1-Buchstaben-Fehler. Viele Szenen sind aber einfach gelungen und urkomisch, wie das vor der Hexe von ihren Schülerinnen geheim gehaltene Motivationsprogramm für Männer… Klischeehaft? Ja! Wen Klischees stören, der sollte vor diesem Roman aber sowieso einen großen Bogen machen – man muss mit ihnen Leben können. Dementsprechend störte es mich zuletzt auch nicht mehr, dass jeder jeden kennt, mit ihm verwandt ist, sein Babysitter war oder ihn von sonst wo kennt. Und das halboffene Ende macht ebenfalls Lust auf mehr - möge der nächste Serienteil bald kommen!
Fazit: "Küssen auf eigene Gefahr" brilliert mit schrägen Charakteren und Ideen - die Welt im Hintergrund spielt keine Rolle. Einordnen könnte man den Roman auch als "Humoristische Fantasy" - denn ernst nehmen kann man die vielfältigen Überzeichnungen einfach nicht und die Romantik steht zwar im Zentrum, ist aber bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei anderen Romanen. Eine Empfehlung für Fans von skurrilen Charakteren und Ideen, die sich gerne über Klischees mokieren.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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