Das Labyrinth der Träumenden Bücher
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200 Jahre sind vergangen seit Hildegunst von Mythenmetz seinen Roman Die Stadt der Träumenden Bücher verfasste. Seitdem hat sich der Lindwurm-Dichter auf die Lindwurm-Feste zurückgezogen und weiter publiziert – jedoch eher Massenware als Knüller. Dennoch: Fan-Post kommt tonnenweise. Unter dieser Post ist auch ein einfacher Brief, der Mythenmetz aus seiner komfortablen Apathie reißt und ihn dazu bewegt, nach Buchhaim zurückzukehren: Eine perfekte Kopie seines Stils und seiner Schrift mit einem P.S.: "Der Schattenkönig ist zurückgekehrt".
Das Buch erhält 7 von 10 Punkten.
Wer Zamonien kennt, hat eine gute Idee, was ihn hier erwartet: skurrile, schräge Wesen mit reichlich Fanatismus in obskuren Feldern, die immer wieder an unsere Welt erinnern. Gegenüber der Stadt der Träumenden Bücher leidet dieser Roman jedoch sehr an der Mythenmetzschen Abschweifung, denn die eigentliche Handlung will gar nicht erst beginnen.
Zurück nach Buchhaim: Industrie statt mittelalterlicher Romantik
Mythenmettz kehrt nach Buchhaim zurück um den Ursprung des Briefs zu erkunden – das könnte die Handlung dieses Romans sein, aber der Autor-Protagonist verliert sich im neuen Buchhaim. Dort trifft er alte Bekannte und hört deren Geschichte seit dem großen Brand. Vor allem aber lernt er ein neues Buchhaim kennen, sowohl aus deren Berichten, aus Büchern, als auch direkt vor Ort. Das alte, romantische Buchhaim ist abgebrannt; das neue Buchhaim ist eine Industriestadt – und lebt nach wie vor noch vom Tourismus denn buchverrückt ist Buchhaim immer noch. Immer noch werden die Katakomben erkundet, doch nicht mehr von blutrünstigen Bücherjägern sondern von zivilisierten Librinauten. Und auch ein neuer Industriezweig hat sich in Buchhaim entwickelt: Puppetismus, Theater mit Puppen in allen nur denkbaren Variationen. In der Erkundung dieser Neuerungen verschwindet die Handlung um den mysteriösen Brief.
Fehlende Handlung - Mythenmetzsche Abschweifungen
Will man ganz hart sein kann man behaupten, dass die Handlung dem Roman schlicht fehlt. Ganz stimmt das nicht, aber Mythenmetz bricht zu Beginn ob des Briefes auf – und betritt das Labyrinth (beginnt also das eigentliche Abteneuer) erst wenige Seiten vor dem Ende des Buches. Der gesamte Roman kann als eine kolossale mythenmetzsche Abschweifung gedeutet werden: Mythenmetz verliert sich erst in touristischer Erkundung, dann in den Geschichten von Bekannten und im Studium des Puppetismus. Und seine Notizen wurden schon vom „Übersetzer" Moers gekürzt! Einen objektiven Eindruck gibt folgendes: Mythenmetz schaut ein Theaterstück seines Romans („Die Stadt der Träumenden Bücher") – auf ganzen 67 Seiten. Das ist doch recht extrem.
Dennoch soll man mich nicht falsch verstehen: die Geschichte Buchhaims und des Puppetismus' sowie seiner Bewohner sind nicht uninteressante Exposition – im Gegenteil! Sie konnte mich lange fesseln, auch durch stete Anspielungen und Ähnlichkeiten zu unseren Dichtern und Denkern, Literaturgattungen und Werken. Aber nach zwei Dritteln des Romans hatte sich dies doch stark erschöpft. Ich wünschte mir, dass die Handlung um Mythenmetz endlich weitergehe, doch dies geschah nicht.
Eine Auflockerung bieten die bekannten, großartigen Illustrationen die perfekt zur Geschichte passen – immerhin stammen sie aus der Feder des Autors. Dieser scheint auch selbst gemerkt zu haben, dass der Roman (aus dem zwei wurden) seine Längen hat, betrachtet man das Schlusswort. Das hilft jedoch dem Leser nur wenig: Es sind zu viele Rückblenden, zu viele Zusammenfassungen von Philosophien, zu viele Ausführungen und Abschweifungen. Als die Handlung zu beginnen scheint ist der Roman zu Ende.
"Hier fängt die Geschichte an"
Im Vergleich zum ersten Buchhaim-Roman verliert dieser daher deutlich, bleibt aber immer noch gute bis sehr gute Lektüre. Abschließend seien die Qualitäten betont: wenn die Handlung im vergleich sehr gering ist, so ist Buchhaim hoch interessant. Die literarisch-verrückte Stadt und ihre Bewohner erscheinen lebendig; das Lesen macht Spaß und lange Zeit sorgt man sich auch nicht um mangelnde Handlung. (Das 67-Seiten-Theaterstück dürfte für viele der Knackpunkt sein. Es ist schlicht zu viel.) Der Stil ist im Grunde simpel und familiär (", oh meine geliebten Freunde!"), aber dennoch richtet sich das Buch an Vielleser: Anspielungen werden an Gelegenheitslesern oft verloren gehen und wer kann ein Buch über Buchverrückte, über Libri-Dies und Biblio-Das, mehr schätzen als Buchverrückte?.
Symptomatisch sind die letzten Worte des Romans: "Hier fängt die Geschichte an" – denn das neue Abenteuer Mythenmetz' hat noch nicht begonnen. Und tut es in diesem Roman auch nicht mehr.
Das Labyrinth der Träumenden Bücher führt den Leser zurück nach Buchhaim, der "Stadt der Träumenden Bücher". Erneut trifft der Leser auf eine literarisch-verrückte Gesellschaft und skurrile Lebewesen. Leider scheint der Übersetzer Moers von seinem Protagonisten den Virus der mythenmetzschen Abschweifung eingefangen zu haben und zieht den Roman mit Exkursen zu allem Möglichen in die Länge – was ihm lange Zeit durchaus interessant gelingt. Die Abenteuerhandlung jedoch startet noch gar nicht und handlungsfixierte Leser werden sich noch mehr ärgern als ich. Das Labyrinth ist im Stil der Stadt der Träumenden Bücher gehalten und wird besonders den Lesern gefallen, denen es vor allem um Flair und Atmosphäre geht. Durch den Mangel an Handlung leidet der Roman im Vergleich jedoch deutlich.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
Leseprobe
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