Portal des Vergessens
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Inhalt
Peter erwacht jede Nacht von Albträumen; jede Nacht um die gleiche Zeit. Dort heißt er Vryn und soll eine dieser Fantasy-Welten retten. Aber mit jedem neuen Traum verblasst die Erinnerung an seine Eltern mehr, die Grenze zwischen Traum und Realität werden unscharf. Peter vertraut sich seiner Therapeutin an, doch kann sie ihm noch helfen?
Das Buch erhält 8 von 10 Punkten.
"Portal des Vergessens" fängt interessant an, mit der Prämisse dass Traum und Realität nicht mehr unterscheidbar sind. Eine Weile kann der Roman dies auch halten, schwenkt dann jedoch recht klar in eine Richtung und vergibt Chancen. Entgegen der Gewohnheit hier ein SPOILERWARNUNG. Durch die Natur der Geschichte kann eine gründliche Besprechung nur erfolgen, indem Einiges vorweg genommen wird.
Realität und Phantasie
Beginnen kann man mit der Frage nach der Gattung, auf deren Angabe der Roman (zu Recht) verzichtet. „Mystery“ und „Thriller“ liegen nahe, wenn man von unserer Welt ausgeht: Peter hat seltsame Träume hinter denen mehr zu stecken scheint. Ein Geheimbund taucht schnell genug auf – fraglich wäre dann, ob die Geschichte weltlich bleibt oder ein übernatürliches Element besitzt. Aber diese Linie entwickelt sich nicht weiter: Peter ist normaler Student, ist weder ein Geheimagent im Schlaf-Modus noch Mitglied bei den Illuminati, die endlich die Heilige Lanze von Antiochia gefunden haben und nun ein Ritual zur Weltherrschaft beginnen.
Was bleibt noch? „Phantastik im engeren Sinne“ liegt nahe: in dieser Gattung entsteht Spannung gerade durch die Frage, was real ist; durch die Frage, ob sich die Ereignisse noch rational erklären lassen oder ob tatsächliche etwas Übernatürliches, unheimlich oder wunderbar, am Werk ist. Zu Beginn hält die Geschichte genau diese Spannung – bis sie dann sehr früh zusammen bricht. Nach siebzig Seiten wird ein ansonsten irrelevanter Forscher ermordet, was zwangsläufig darauf hin deutet, dass mehr hinter allem steckt. Die Psychologin Doktor Wünschler macht sich ebenfalls schnell verdächtigt: Durch Beruf, durch die Art ihrer Betreuung (Unterdrückung der Wahnvorstellungen mit Pillen) – und, ja, auch durch ihren Namen. Die Geschichte läuft immer mehr in Richtung Fantasy und verliert dabei die Spannung des Zweifels
Realitätsanker
Das heißt nicht, dass der Roman schlecht ist. Er ist es nicht – was mitunter dazu führt, dass man verpassten Chancen umso mehr nachtrauert als bei einem Werk, das bestenfalls als Kaminanzünder dient. „Portal des Vergessens“ beginnt nämlich mit einer gelungenen Ausgestaltung unserer Welt: Peter hat seine Eltern bei einem Unfall verloren; die Träume werden als Verarbeitung dieses Verlusts interpretiert. Als Student engagiert sich Peter trotzt seines Reichtums gegen Studiengebühren und lernt zudem die Reporterin Nora kennen. Eine Psychologin kümmert sich um seine beschädigte Psyche. Das ist für Fantasy ungewöhnlich – ich zumindest erinnere mich an kein Werk, indem ein Psychologe auftritt und die „Wahnvorstellungen“ sogar mit Drogen unterdrückt.
Erwähnt werden muss hier auch einmal die Länge des Romans, der mit 284 Seiten recht kurz ist, wenn man an die typischen Türstopper von Mystery und Co denkt – oder gar die Trilogien, Heptalogien und Endlosreihen der Fantasy. In einem Satz: Die Länge stimmt. Die Handlung zieht sich klar durch die Seiten, auch wenn das „Rätsel“ gelöst ist geht es immer noch zügig weiter. Stephan R. Bellem hat hier einen zügigen, simplen Stil gewählt, der nichts mit unnötiger Beschreibung vertrödelt aber dennoch nie gehetzt wirkt sondern in genau dem Richtigen Tempo vorwärts geht.
Fantasy
Und nun die Auflösung, die viel zu früh kommt: Der ermordete Forscher und die suspekte Dr. Wünschler deuten auf mehr. Schnell gewinnt auch der Fokus auf Peters Träume ein Übergewicht im Roman (Kapitel sind mit dem jeweiligen Protagonisten Peter oder Vryn überschrieben), was den Roman eindeutig Richtung Fantasy drängt. Die weitere Erkundung seiner Träume kann man durchaus nachvollziehen, jedoch wird die „Realität“ hierdurch in den Hintergrund gestellt – zu schnell nimmt sie zu wenig Platz ein. Dezente Hinweise zur Lösung gibt es immer wieder: Peter beherrscht Selbstverteidigung ohne diese gelernt zu haben; hat Verhaltensweisen, die er nie lernte und die viel mehr zu seinem Traum-Selbst passen. Der Twist des Romans wird schließlich klar, als Traumgestalten in der echten Welt auftauchen – nicht als Wahnvorstellung sondern durchaus real und von anderen genau so wahrgenommen. Aber schon hier war mir die Lösung lange klar: Peter ist kein Auserwählter, der eine Fantasy-Welt retten soll; er stammt vielmehr aus einer Fantasy-Welt und ist in unserer gelandet – eine gelungene Abweichung vom Erdenbürger der das Fantasy-Reich rettet. Letztlich ist es schade, dass dies früh klar wird und zudem noch ganz eindeutig aufgelöst wird. Ein wenig selbst-ironisch ist es, dass die typische Fantasy zunächst als seltsame Träumerei abgetan wird (wobei Peter mir eigentlich nicht wie ein Fantasy-Leser vorkommt); und die Interpretation als (schädlicher) Eskapismus ist auch nicht neu. Was dann wieder ein wenig platt ist, ist dass die Wahrheit von einem Geheimbund unterdrückt wird – und DAS ist leider keineswegs neu.
"Portal des Vergessens" legt einen starken Start hin und lässt dann nach indem es zu schnell in eine Richtung auflöst. Dadurch verliert sich ein zentrales Spannungselement zu früh – oder überhaupt. Dennoch ist „Portal des Vergessens“ eine Lektüre die über ein gesundes Maß an Spannung verfügt und sich locker lesen lässt. Vor allem aber zeigt der Roman auf ein noch höheres Potential des Autors.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
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