Amanda - Deine Seele so wild
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Als Amandas Onkel Friedrich 1918 von der Westfront zurückkehrt herrscht Chaos bei den Vanderborgs: Estelle wird verschleppt, ihr geliebter Amadeus ist tot und Friedrich verschwindet spurlos - vermutlich um seinem Freund in den Tod zu folgen. Die 17jährige Amanda landet im Irrenhaus und ihre Vergangenheit versinkt im Dunkeln.
Der angehende Psychiater Conrad Lenz entdeckt sie schließlich und enthüllt ihre Vergangenheit langsam mit den Methoden Freuds. Doch die Vergangenheit ist kompliziert: in der Familienchronik berichtet Amandas Mutter von einem Fluch, der Amanda zu einer Vampirin macht - und neben den sozialen Unruhen der Weimarer Republik lauert in den Karpaten Amandas gesetzlicher Vater Utz auf Rache.
Das Buch erhält 8 von 10 Punkten.
Wie bereits der erste Teil (Estelle) besticht auch Amanda vor allem durch zwei Merkmale: Erstens das ungewöhnliche Setting - nun nicht mehr die Jahrhundertwende sondern die Zeit vom Ende des Weltkriegs bis zum Aufstieg der NSDAP, grob also die Zeit der Weimarer Republik Und zweitens die Vampire, die mehr Verfluchte sind als die in letzter Zeit dominanten unsterblichen Superwesen.
Irrenhaus und Vampirismus – Einstieg für neue Leser
"Amanda" beginnt in der Irrenanstalt und wird aus Sicht der Titel gebenden Figur erzählt. Das ist generell ein eher schlechtes Zeichen für die Glaubwürdigkeit einer Erzählerin. In diesem Fall ist es jedoch nahezu ironisch verdreht: Amanda IST eine Vampirin (was sie zunächst nicht weiß); erzählte sie dies den Ärzten würde es in deren Augen nur ihren Irrsinn bestätigen. Zunächst leidet Amanda jedoch unter Amnesie, verursacht durch traumatische Ereignisse und die "moderne" Elektroschock-Therapie. Ihre Erinnerungen kehren nur langsam zurück und helfen so auch neuen Lesern mit unaufdringlichen Hintergrundinformationen – dennoch rate ich eher, zuvor „Estelle“ zu lesen.
Minte-Köig zeichnet hier ein düsteres Bild von den barbarischen Nervenheilanstalten, das erst durch das Auftreten von Conrad Lenz aufhellt - aber wer nimmt einen Schüler von Sigmund Freud und dessen komische Theorien schon ernst? In Anbetracht der heutigen Popularität Freuds wirkt auch dieser Kontrast stark
Hauptattraktion Setting: Weimarer Republik und NSDAP
Die Hauptattraktion des Romans ist wie schon im Vorgänger das Setting, das für einen Vampirroman absolut ungewöhnlich ist. Die Autorin hat dabei die historischen Gegebenheiten genau verarbeitet und lässt auch immer wieder bekannte Personen und Ereignisse auftauchen ohne dass diese zum Selbstzweck des Romans werden. Dies beginnt bei den Praktiken in Nervenheilanstalten und dem Aufkommen der Freudschen Lehren; es setzt sich gleichermaßen im kulturellen Leben Berlins der Weimarer Republik fort.
Das Übernatürliche – mehr dezent vorhanden als stets im Mittelpunkt – verbindet sich immer wieder mit den Ängsten, die auch jeder normale Bürger hat: der Aufstieg der NSDAP wird direkt miterlebt und die Propaganda geht auch an der Familie Vanderborg nicht spurlos vorbei. Durch bekannte Personen und Ereignisse wirkt die Geschichte zudem authentisch, in einer unverbrauchten Zeit – in der auch der phantastische Horror-Film eine erste Glanzzeit erlebte. Was übrigens auch im Roman geschickt eingebunden ist.
Der Dunkle Prinz, Vampire und Werwölfe
Die Vampire in diesem Roman sind keine Jahrhunderte alte Wesen. Sie wurden als Menschen geboren, sind jung und unerfahren und haben auch keinen uralten Mentor; eine weltweite Vampir-Gesellschaft gibt es nicht – sie sind allein. Die typische Vampir-Arroganz kommt auf, aber geht mit Schuldgefühlen einher.
Dennoch gibt es auch das Muster des klassischen Prinzen der Dunkelheit: Utz hat sich in die Karpaten zurückgezogen und sein Lebensstil erinnert stark an Dracula. Zudem ist er die Figur, die man leicht als wirklich böse bezeichnen kann: Aus dem Geschlecht der Grafen von Przytulek stammend sucht er Rache an Estelle und ihrer Familie – nachdem der Vampir in Estelle aus Rache die Przytuleks verfolgte. Eine Konfrontation mit Utz gibt es – aber in der Mitte des Romans, nicht als ultimativen Konflikt am Ende: Es ist eben nicht damit getan, dass ein Oberschurke stirbt; es wird nicht alles gut.
Apropos Dracula: auch die Macht über die Wölfe hat Utz vom wohl bekanntesten literarischen Vampir geerbt und die Autorin ließ es sich nicht nehmen, schließlich auch einen Werwolf in die Geschichte einzubringen. Im Gegensatz zu Handlungszeit und –ort wirkt das geradezu konventionell. Ich hätte drauf verzichten können – aber letztlich stört es die Handlung nicht und nimmt ebenfalls keine weltumspannenden Ausmaße an.
Wie schon "Estelle" ist auch "Amanda" ein Roman, der Abwechslung bietet zu glorifizierten, übermächtigen und uralten Vampiren mit weltweiter Geheimbund-Struktur. Der Roman besticht vor allem durch den Hintergrund der Weimarer Republik und den gut ausgearbeiteten und dargestellten sozial-historischen Kontext.
Eine Empfehlung für alle, die genug haben von Romanzen zwischen uralten Vampiren und Teenagern.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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