Ohnmächtig
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Liebe auf den ersten Blick muss genial sein - aber einen ersten Blick gab es für Candice, genannt Dice, eigentlich nicht. Sondern einen ersten Geruch und andere Eindrücke: Als ihre Cousine Penelope von einem Baum stürzt, sieht sie in die Vergangenheit. Sinclair Youngblood Powers wurde einst an eben jenem Baum gehenkt - und sein Geist, sein schnappt sich Pen’s Körper. Bald beginnt er, die Bevölkerung von Swoon zu beeinflussen, sind dies doch die Nachkommen jener Menschen, die ihn töteten. Dice beschließt, einen Exorzismus durchzuführen. Dieser gelingt - sozusagen, denn ihre Cousine ist die Besessenheit zwar los, aber dafür hat Sinclair nun einen neuen Körper und will sich nach wie vor an den Bewohnern Swoons rächen.
Das Buch erhält 4-5 von 10 Punkten.
"Ohnmächtig" ist ein simples und geradliniges Buch: Ein Geist (oder was auch immer) aus der Vergangenheit taucht auf und will sich rächen. Kaum verkompliziert wird dies dadurch dass die Hauptfigur-Erzählerin sich in diesen Geist verliebt - einfach so ohne echten Grund und ohne Probleme. Auch die Form der Rache scheint kaum motiviert und alle Ereignisse passieren einfach so. Ja: das ist genau so wie es hier klingt.
Rachedämon und Golem
Sinclair wurde in seinem Leben vor 300 Jahren gehenkt nachdem man ihm den Mord an seiner Geliebten in die Schuhe geschoben hat. Er sucht Rache – ein uralter Plot. Aber weder als Geist noch mit eigenem Körper wird er zum Massenmörder, der in Horrorszenarien alle Bewohner niedermetzelt Stattdessen beeinflusst er die Menschen subtil und treibt sie zu Dingen, die sie sonst nie getan hätten – insbesondere in sexueller Hinsicht. Was schön anders klingt als das Bekannte hat jedoch keine Motivation: Warum diese Methode? Warum hat er überhaupt diese Kräfte? Nichts aus seinem Leben oder Tod legt diese nahe und daher wirken Rache und Kräfte beliebig.
Apropros: der Geist oder Rache-Dämon oder was auch immer wird durch ein Ritual zum Golem gemacht – von dem aber wenig mehr als der Name bleibt. Einen neuen Körper gibt es, es gibt Lehm und Dice hat auch eine gewisse Befehlgewalt über Sin – aber als Golem hätte ich dieses Wesen von mir aus nie bezeichnet. Im Übrigen ist der phantastische Gehalt eher gering. Dice ist noch passiv-geistsichtig (i.e.: sieht gelegentlich Geister, aber setzt dies nicht aktiv ein) und als „Highlight“ kommt es zu einer Zeitreise in der der Mörder der Geliebten gefunden wird. Das wirkt wie ein lahmes Versatzstück aus einem anderen Roman und kann nicht für Spannung sorgen. Auch die Liebesbeziehung der Hauptfigur wirkt einfach dahingeklatscht.
Sex, Drugs, Mord und "Liebe"
Die „wahre Liebe“ – das soll sie sein, zwischen Dice und Sin. Zumindest betont sie das immer wieder und sie liebt in einfach. Allerdings gibt Sin ihr dafür eigentlich keinen Grund – dennoch liebt sie ihn. Man merkt, worauf dies hinausläuft? Jawoll, eine echte Begründung gibt es nicht – im Gegenteil wird Sin immer düsterer und unsympathischer in seinen Handlungen und der Rache an den Nachfahren jener die ihn hängten – bis hin zum Mord.
Allerdings laufen auch die anderen Bewohner Swoons sexuell aus den Bahnen: ein Schwuler outet sich, ein Seniorenheim begeht eine Sexorgie, man brennt mit Geliebten durch oder vergisst alle geplante Keuschheit, man nimmt Drogen. Ich verweise aufs Obenstehende: eine Motivation hierfür gibt es weder hierfür, noch für die stets betonte unglaubliche (ja, das ist sie) Anziehungskraft Sins, noch für Dices unerschütterliche Liebe – viel weiter im Bereich „nervig“ als „glaubwürdig“.
Die Zuordnung „Kinder- und Jugendbuch“ des Verlags(!) sehe ich zudem skeptisch. Einerseits ist das Buch weit von Pornographie entfernt; andererseits sind einige Auswirkungen Sins doch recht extrem.
“Ohnmächtiger (Un-?)Realismus“
Was hat eigentlich der Titel mit dem Buch zu tun? "Swoon" im Original ist der Stadtname und heißt übersetzt Ohnmacht. Soweit die Herkunft. Ohnmächtig ist aber keiner – vielleicht die Person auf dem nichts sagenden Cover. Diese Übersetzung hat einfach nicht funkitoniert.
Einen großen Teil des Romans nimmt das „normale“ Leben in einer amerikanischen Kleinstadt ein, das durch Sin maßlos übersteigert wird. Aber so recht glauben mag ich das nicht: Türen werden nicht abgeschlossen? Alle bekommen einen kürzeren Spitznamen (Dice statt Candice, Pen statt Penelope usw.)? Und Eltern lassen ihre Kinder wochenlang allein? Dem hilft auch nicht, dass alle Charaktere einfach flach sind – der Vater, der die ganze Familie misshandelt überrascht kaum noch und passt in der Flachheit zum Rest. Das Ende passt: Und dann war er weg.
Den Stil kann man noch gut nennen und die Sprache der Jugendlichen wird einigermaßen getroffen. Leider ist das aber auch das Beste an diesem Buch von dem ich aktiv abrate.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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