Vampire von damals bis(s) heute
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Vampire sind nach wie vor eines der derzeit großen Themen der Fantasy-Literatur, zunehmend mit romantischer Ausrichtung und der Zielgruppe Frauen. Nicolaus Equiamicus' "Vampire von damals bis(s) heute" schließt zwar auch diese "neuen Vampire" mit ein, widmet aber den weitaus größeren Teil dem "historischen" Vampir. Und das ist ganz wörtlich gemeint: den Vampir in der Geschichte - der Glaube der Menschen, was sie gegen vermeintliche Vampire taten, wie Obrigkeit und Wissenschaft reagierten. Literarische Vampire sind für dieses Werk von nachrangigem Interesse.
Keine Literaturgeschichte
Die meisten Bücher über die Geschichte der Vampire konzentrieren sich auf Literatur: Vornehmlich auf die Vampirromane und -geschichten ab der Romantik und auf Volkserzählungen. Diese Sagen greift auch Nicolaus Equiamicus in seinem ersten Teil des Buches auf. Er geht hierbei klassifizierend vor und grenzt verschiedene Varianten von Untoten wie der Volksglaube sie kennt voneinander ab. Den Schwerpunkt nimmt titelgemäß der Vampir ein, der sich je nach Region stark unterscheidet. All dies gab es aber bereits in anderen Büchern.
Was Equiamicus' Buch auszeichnet ist das, was im Anschluss an diese Klassifizierung der Übernatürlichen folgt: Die nächsten fast hundert Seiten behandeln im Detail reale Vampirfälle. Reale Vampire? Nein. Reale Vampir-Fälle und das ist ein wichtiger Unterschied. Glaubt der kritische Leser nicht an Vampire so taten es die "Dörfler" (denn solche waren es zumeist) sehr wohl daran, machten Vampire für Seuchen und Todesfälle verantwortlich. Sie öffneten die Gröber, fanden seltsam unverweste Leichen - und verfuhren mit diesen, wie ihr Volksglaube gebot. Der Autor berichtet von vielen Fällen und führt vorhandene Dokumentation zu diesen an, beginnend im Jahr 1725 mit dem jüngsten Fall im Jahr 2009.
Viele historische Quellen
Equiamicus bietet eine Zusammenfassung der Fälle die stark von teils mehrseitigen Zitaten aus den Aufzeichnungen der untersuchenden Behörden und/oder Veröffentlichungen von Zeitungen gestützt sind. Für solche Aufbereitung historischer Quellen ist Equiamicus bekannt und auch diesmal sind sie der Kern des Werkes, die durch Zusammenfassungen und Kommentare gestützt werden. Equiamicus unterteilt das Buch nach dem generellen Überblick über verschiedene Untot in weitere Teile und geht in jedem chronologisch vor. Der erste Teil sind die einzelnen Vampir-Fälle, die den Großteil des Buches aufmachen. Im zweiten Teil widmet er sich den Erklärungsversuchen der Wissenschaft (~40 Seiten); der dritte, fast ebenso lange Teil blickt auf die Literatur und ein vierter Teil widmet sich auf weniger als zwanzig Seiten den „lebenden Vampiren“.
Mit den historischen Quellen kommt viel Text; Auflockerung bringen einige Bilder – meist aus Filmen, seltener ältere Zeichnungen. Dankenswerterweise steht jedoch stets der Text im Vordergrund und hier die historischen Fälle und Texte, die das Alleinstellungsmerkmal ausmachen.
Mittelweg zwischen Wissenschaft und Privatgebrauch
Mit den Texten kommen viele Fußnoten, insgesamt über 450, die manchmal den Großteil einer Seite füllen. Mit einem derartigen kritischen Apparat - zu dem auch noch eine achtseitige Bibliographie kommt - bewegt sich Equiamicus deutlich in eine wissenschaftliche Richtung. Er endet jedoch vollkommen legitim bei der Darstellung der Quellen und geht in Kommentaren kaum über eine deskriptive Wiedergabe hinaus. Quellenforschung von Romanen wird bewusst anderen überlassen: Equiamicus stellt die „realen“ Fälle dar und die zeitgenössische wissenschaftliche Meinung zu diesen.
"Vampire von damals bis(s) heute" ist im Vergleich zu manchem anderen Werk nicht für den seichtesten Populär-Markt geschrieben und hat durchaus Anspruch; das Buch kann man nicht einfach so herunter lesen wie einen Schnellüberblick. Der Interessierte "Laie" kann es aber trotzdem lesen, solange er ein wenig Mühe zu investieren bereit ist – es lohnt sich! Für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Vampir ist dieses Werk ebenfalls zu empfehlen – als Einstieg zu eigener Arbeit mit den Quellen. Die Quellenangaben lassen hier keinen Wunsch offen.
Seitenblick in die (moderne) Literatur
Nach all dem Lob kommt zuletzt der große Schwachpunkt: Die Literatur. (Bildhauerei und Malerei werden nicht thematisiert – ein echter blinder Fleck der derzeitigen Vampir-Übersichten?!). Natürlich führt Equiamicus die "Größen" des Vampir-Romans an, wie etwa Bram Stokers "Dracula", Le Fanus "Camilla" und Anne Rices "Vampire Chronicles". Aber auch eher unbekannte Geschichten zitiert er. Wie bei den Realfällen beschränkt sich Equiamicus auf (Voll-) Zitate; eine Interpretation überlässt er anderen. Wer lediglich nach dem literarischen Vampir sucht, der sollte lieber zu einem anderen Buch greifen - für ihn ist dieses Werk nicht gemacht.
Auch der Blick auf die "lebenden" Vampire vom "Pfähler" Vlad Tepes über die "Blutgräfin" Elisabeth Bathory bis zu Peter Kürten, den "Vampir von Düsseldorf" wirkt mehr wie ein Anhang. Diese beiden Abschnitte wirken jedoch nicht als Fremdkörper. Sie passen in die Struktur des Werkes und zeigen weitere Richtungen, in die das Thema Vampir wirkte und noch wirkt. Allein: Sie sind nicht das zentrale Anliegen dieses Buches.
Alleinstellungsmermal: Historische Quellen
Als Buch zu Vampiren kommt dieses vergleichsweise spät. Dadurch könnte es das Problem der Nachgeborenen haben, das Vorhandensein gleichwertiger Übersichtswerke. Diesem Problem entkommt Equiamicus dadurch dass er nicht auf den literarischen Vampir eingeht, sondern auf den "historisch realen". Wer sich vor allem für den literarischen Vampir interessiert, der kommt hier zu kurz und ist mit anderen Werken besser beraten.
Für diejenigen, die am realen Umgang mit Vampiren interessiert sind ist "Vampire von damals bis(s) heute" jedoch ein echter Schatz, nicht zuletzt wegen dem ausführlichen kritischen Apparat. Auch für eine Semesterarbeit über den historischen Umgang mit Vampiren gilt: Kaufen! Sofort.
Randbemerkung: Auf dem Cover lautet der Titel "Vampire Von damals bis(s) heute" unter dem es auch im Buchhandel auffindbar ist. Alternativ findet sich auf der Schmutztitelseite findet sich hingegen "Vampire damals und heute. Eine Chronologie".
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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