Frevel
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Avenicum Dalor ist das Zentrum des Glaubens an die Zweite Offenbarung, die jegliche Magie verdammt und die Mystiker Isrogants offen verfolgt. Nur unweit entfernt befindet sich die Metropole Boasp, die weder dies noch das Auftauchen eines Überork in der nahe gelegenen Orkenai oder die andauernden Kriege in den Jungen Königreichen ignorieren kann.
Levent, ein Elite-Krieger aus Boasp, bekommt den Auftrag, mehr herauszufinden. Und er findet mehr heraus: ein Kardinal der Kirche führt ein Doppel-Leben und nutzt den Glauben um Fanatiker für seine eigenen Zwecke in den Bürgerkrieg zu senden - und nutzt überdies die offiziell verhasste Magie. Seine Taten rufen nicht nur Boasp auf den Plan sondern lassen auch die mysteriösen Altwalden einen Späher schicken, denn irgend etwas hält die magischen achí-Winde auf.
Das Buch erhält 7 von 10 Punkten.
Mit "Frevel" liegt der ein weiterer Roman aus der Realistischen Fantasy-Welt Isrogant vor, diesmal aus der Feder von Gerhard Ludwig. In weiten Teilen begleitet der Leser den Hauptcharakter Levent. Zwar hat dieser einen Wissensvorsprung vor dem Leser, aber das konkrete Problem erkundet er mit diesem zugleich.
Levent? Gab es das nicht schon?
Levent ist keine neue Figur für die Leser der Kurzgeschichten. Die erste Kurzgeschichte, im Band "Levent" betitelt, findet sich hier als "Mars Levent" (nach einer Militärgattung) wieder und bildet den Auftakt des Romans - mit 40 von 176 Seiten auch einen nicht unbeträchtlichen Teil. Im Wesentlichen kann man für den gesamten Roman auch das anführen, was bereits zu dieser Geschichte gesagt wurde.
Fragmentarische Szenen mit loser Handlung
Die Handlung folgt Levent. Naobe Wei - ein Dunkelelf - geht noch als zweiter Hauptcharakter durch. Gelegentlich springt die Handlung jedoch auch nicht zu anderen Charakteren. Dies fällt nie als Cliffhanger auf und jeder der Charaktere ist auch interessant - allerdings führt der Erzählmodus zu mehreren Dingen:
Erstens wird kein einziger Charakter näher beschrieben. Jeder bleibt ein Krieger oder Magier mit wenigen Merkmalen und nur ansatzweise Persönlichkeit. Mehr als "ein Elite-Krieger aus Boasp" fällt mir am Ende einfach nicht zur Hauptfigur ein.
Zweitens wirkt die gesamte Handlung fragmentarisch. Es gibt kein Verfolgen einer Figur über einen langen Zeitraum. Das spart einerseits langweilige Reise-Abschnitte und ähnliches, vermeidet andererseits aber die Identifikation an eine Figur und macht einen herkömmlichen Spannungsbogen von Beginn an unmöglich.
Drittens wird die Geschichte durch diese Episoden oder "Fragmente" manchmal holprig. Erfahrene Leser werden kein Problem haben, die Fragmente zu einer Erzählung zusammenzulesen und die Lücken zu füllen, aber ein wenig generelle Lese-Erfahrung braucht es hier durchaus.
Interessante Anklänge
Die Figuren sind dabei trotzdem interessant: Levent, der Kardinal, eine Ork-Admirälin – nur bekommt keine Figur notwendigen Raum zur Entfaltung um wirklich individuell im Gedächtnis zu bleiben. Hier wäre mehr möglich gewesen. Die Geschichte ist dennoch interessant und einige Anspielungen lassen schmunzeln, seien es der "Überork" oder ein radikales Buch namens "Mein Glaube". Mit einer religiösen Auseinandersetzung im Kern der Handlung ist der Roman auch aktuell relevant. Direkte Referenz auf unsere Realität gibt es jedoch nicht. Alles in allem wünschte ich mir jedoch ein wenig mehr Zusammenhang und ein wenig mehr Raum zur Charakterentfaltung.
Moderner Einschlag
Fantasy ist üblicherweise in einer Welt auf der Entwicklungsstufe der Mittelalter (sic!) angesiedelt. Schiesspulver wird von einigen Fantasy-Fans abgelehnt und in der Tat bringt diese "Superwaffe" meist gehörige Probleme: Welchen Sinn macht der Kampf in schweren Rüstungen, wenn eine Kugel (noch zudem von einer vergleichsweise leicht erlernbaren Waffe) einfach hindurch schlägt? Gerhard Ludwig bringt eine ähnliche Waffe ein, zwar nicht explizit mit Schwarzpulver, aber in der Wirkung scheinen sie ähnlich wie Repetierpistolen oder sogar Reihenfeuerpistolen. Die Probleme umgeht er geschickt, indem er diese Waffen zu Prototypen macht und ihre Vorläufer nur in die Hände der Elite-Einheiten Boasps gibt. Boasp scheint damit insgesamt die Stellung eines technologischen (und kulturellen) Vorreiters gegenüber seinen Nachbarn einzunehmen. Ein weiterer moderner Einschlag findet sich auch in der Sprache: Das für Fantasy typische "Ihr" ist konsequent durch "Sie" ersetzt.
Kurzroman mit Anspruch
"Frevel" ist kein Roman - vielmehr ein Kurzroman mit vielen kleinen Episoden. Dies macht ihn trotz unverschnörkeltem, einfachem Stil schwerer lesbar als einen "normalen" Roman mit durchgängiger Handlung. Viele kurze Kapitel (und damit Episoden) sind auch nicht jedermanns Geschmack. Wer eine flüssige, durchgehende Handlung und einen kompletten Spannungsbogen benötigt, dem kann zu "Frevel" nicht geraten werden und auch entwickelte Charaktere wird man nicht finden. Aber "Frevel" bietet einen weiteren, größeren Ausschnitt aus der Welt Isrogant, die ich bereits schätzen lernte. Viele einzelne, für sich interessante Facetten werden gezeigt. Wer auch "ausschnittsweise" lesen kann, der findet hier erneut gute realistische Fantasy, die von einer vollständigeren Handlung und mehr Raum für Charakterentwicklung profitiert hätte.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
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