Estelle - Dein Blut so rot
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Um mittels Elektromagnetismus einen Vampir einzufangen bricht Jakob Vanderborg in die Karpaten auf. Das Experiment endet in einem Fiasko: Ein Blitz schlägt in die Apparatur des Elektro-Künstlers ein und lässt seine Tochter Estelle zusammenbrechen. Was jedoch niemand ahnt: Das Experiment war erfolgreich. Nur der Körper Estelles ist übrig geblieben; ihren Platz hat eine Eleonore eingenommen, eine einstige Magd, die durch einen Racheschwur zur Vampirin wurde.
"Estelle" versucht, ihr Geheimnis zu hüten, doch das ist nicht einfach. Zwar verfügt sie auch über die Erinnerungen der echten Estelle, doch fühlt sie sich immer mehr zu ihrem "Bruder" hingezogen der diese Liebe auch noch erwidert! Und dies sind beileibe nicht die einzigen Zwänge, welche die Gesellschaft Estelle auferlegt - und auch die Gier nach Blut erwacht erneut.
Das Buch erhält 8 von 10 Punkten.
Wenn man die Beschreibung "ungewöhnlicher Vampirroman" einem Werk aufsetzen soll, dann diesem. Vampire sind auch hier verflucht, saugen auch hier Blut und haben auch hier eine starke Verbindung zur Erotik. Damit sind die unmittelbaren Verbindungen zum Mainstream der Vampirliteratur aber auch zu Ende. Vampire werden in den "Chroniken der Vanderborgs" nicht verherrlicht. Zwar gibt es auch hier die Idee von Überwesen, aber bereits in der Entstehung und in ihrer weiteren Existenz ist Estelle mehr gequält denn erhaben.
Im Weiteren kann man diesen Roman auch anders beschreiben, nämlichen als sozio-historischen Roman, dem das phantastische Vampir-Motiv hinzugefügt wurde. Große Teile dieses "historischen Romans" spielen in der literarischen und hochkulturellen Szene Berlins. Hier sieht man immer wieder auch das Wissen der Autorin durchschimmern, sei es durch die Namen bekannter Autoren oder eine überzeugende, realistische Atmosphäre: ein zunehmend dreckiges Berlin zu Beginn der Industrialisierung; später dann im Not und Elend des Krieges. Diese eher dreckige Atmosphäre mit vielfachen gesellschaftlichen Zwängen steht in einem Gegensatz zur oftmals vorherrschenden romantischen Verklärung in einer recht sauberen Welt des Vampir-Romans. Auch die Zeit an sich ist ungewöhnlich: spontan fallen mir zwar einige Vampirerzählungen in der Gegenwart ein und auch einige Geschichten im 17. bis 19. Jahrhundert, aber die Wende zum 20. Jahrhundert - das fin de siècle - scheint erstaunlich "leer" zu sein. Politische und gesellschaftliche Entwicklungen stehen in diesem Roman nie im Vordergrund, bilden aber ein überzeugendes Szenenbild. Unmittelbarer im Zentrum steht das Seelenleben der Protagonistin (auch das sollte noch einmal hervorgehoben werden: Dies ist ein weiblicher Vampir! Diese sind gegenüber männlichen Vampiren auch deutlich in der Unterzahl), das zweifellos auch durch die Zwänge der Gesellschaft bedingt wird. Das phantastische Element bleibt insgesamt eher gering; eine primäre Ausrichtung auf Leserinnen ist deutlich erkennbar.
Diese Stärken sind zugleich auch die Schwächen, denn verhehlen kann ich nicht, dass der Schauplatz mitunter seltsam wirkte. Diese Vampirin will eigentlich keine Vampirin sein; der phantastische Roman ist oftmals mehr historischer Roman oder soziologischer Roman. Wer Vampire zum Verehren, zum Anhimmeln, zum Bewundern sucht - der nehme ein anderes Werk!
Insgesamt bringt "Die Chroniken der Vanderborgs" eine interessante Sicht auf Vampire in einer untypischen Zeit. Ein romantisches Motiv ist stark ausgeprägt - hier eine junge Frau (und versteckte Vampirin) zwischen mehreren Männern - wird aber oftmals durch die Darstellung der sozialen Zwänge leicht in den Hintergrund gedrängt. Dieser Roman wird nicht jeden Begeistern, kann aber Vampirfreunden mit Interesse am (realen) beginnenden 20. Jahrhundert nahe gelegt werden; in jedem Fall nutzt Bianka Minte-König hier eine Fläche, die bislang auffällig frei von Vampiren ist.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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