Das Vampirjäger-Handbuch
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Das "Vampirjäger-Handbuch" hat mehrere große Probleme. Wäre es das erste Buch seiner Art, so würden diese nicht einmal stark auffallen, aber in den letzten Jahren gab es genügend "Geschichtsbücher" über Vampire.
Moment - das ist doch ein Vampirjäger Handbuch, kein Abriss über die Geschichte der Vampire? Ja und nein. Dem Titel nach und auch dem eigens im Vorwort geschilderten Anspruch nach will das Buch KEINE "Geschichte der Vampire" geben, insbesondere nicht literarischer. Leider tut es aber mehr oder weniger das, zwar nicht in einer chronologischen Entwicklung aber in einem Rundumblick in den Volksglauben aus aller Welt, was einer Geschichte der Vampire – auch literarischer – sehr nahe kommt, sind dies doch die Quellen…
Was erwartet man von einem Handbuch für Jäger? Wie man die Beute aufspürt, wie man sie zur Strecke bringt - und ja, natürlich auch ihre Verhaltensweisen, Aufenthaltsorte und dergleichen mehr. "Constantine Gregory" schildert die Eigenarten der Vampire aus aller Welt. Werkzeuge des Vampirjägers und anzuratende Kampfmethoden sowie besondere Vampire (hier eben doch der unvermeidliche Dracula) bekommen auch ihren Abschnitt. Jedoch wirken diese oft wie Lexikon-Einträge ohne deren Informationsgehalt; oft gibt es Wiederholungen und; es wird nichts wirklich in der Tiefe betrachtet. Eine Doppelseite – nicht einmal ganz ausgefüllt – muss meistens genügen. Im Gegenteil: der "Autor" warnt häufig vor vorschnellem Handeln, denn es kann alles ganz anders sein. Hier wird auch die Formulierung zum Fallstrick: Dass Vampiren in verschiedenen Teilen der Welt ganz andere Verhaltensweisen nachgesagt werden ist nicht neu. Der Autor lässt es hingegen so klingen als ob ein Vampir, der in eine andere Region zieht plötzlich ganz andere Eigenschaften bekommt: es ist nicht die Rede vom "russischen Vampir" oder auch "Vampir aus Russland" sondern von einem "Vampir in Russland" (was einen Vampir meint, der die Eigenschaften hat, die ihm der russische Volksglauben zuschreibt). Dieses Element des Glaubens könnte den Text sogar retten: Vampire sind dadurch verwundbar, wodurch die Menschen sie verwundbar glauben. Trotzdem klingt es immer noch recht seltsam: ein "deutscher Vampir" wird auch in Japan noch seine deutschen Eigenschaften haben und sich nicht plötzlich wie seine ortsansässigen "Verwandten" benehmen - und noch weniger wie diese zu töten sein, denn hier gibt es doch recht seltsame Methoden. Dies ist kein einzelner Lapsus sondern taucht alle paar Seiten erneut auf und hörte nie auf, mich zu irritieren.
Verlassen wir die Inhaltsebene, die viele verschiedene Vampire anschneidet, aber auch viel wiederholt und insgesamt nur mit Mühe als "durchschnittlich" bezeichnet werden kann - was dies Vampir-JÄGERN bringen soll weiß ich überhaupt nicht.
Vorher schon fällt aber jedem das Aussehen des Buches auf. Es ist klar auf alt getrimmt - und versagt. Schwerlich vorwerfen kann man dem Verlag, dass ein neues Buch gut und neu aussieht; ironischerweise hätte es mehr Flair verliehen, wenn Seiten eingerissen wären, einige echte Flecke vorhanden und dergleichen mehr; produktionstechnisch ist dies aber unmöglich. Was gibt es stattdessen? Dickes Glanzpapier, das überhaupt nicht alt wirkt. Eingeklebte Fotos, Erbsen und dergleichen sind in Bildeform. Erneut ein Zugeständnis an technische Reproduktion; aber die meisten Bilder erwecken den Eindruck viel zu hoher Qualität, um wirklich aus einem alten Handbuch zu stammen. Denn angeblich ist dieses Buch von Constantine Gregory verfasst - eine Herausgeberfiktion, die nicht zuletzt dadurch derb verpatzt wird, dass Gregory vorgeblich in England lebte, sich in der Mitte des Buches aber eine amerikanische Weltkarte findet. (Das heißt: Amerika ist in der Mitte, nicht der englische Nullmeridian.)
Der neue "Bearbeiter" hat hingegen handschriftliche Kommentare hinzugefügt, in kursiver Schrift, hier natürlich auch gedruckt, was als handschriftliche Notiz einfach nicht überzeugend wirkt. Manchmal sind diese Kommentare fast unlesbar; selten bewirken sie ein atmosphärisches Plus. Insgesamt scheitert somit der Versuch, dem Buch eine alte Atmosphäre der Weitergabe und Kommentierung zu geben. Auch die eher fragende Haltung der Kommentare hilft nicht - gerade auch wieder vor dem Hintergrund, ein Handbuch für Jäger zu sein. Der zentrale Tipp scheint zu sein: "Glaubt nicht was gesagt wurde, es kann hunderte anderer Erklärungen geben." Hmja... toll? Es ist eine große Ironie: Wie die gute Qualität des Materials von mir kritisiert wird, so ist auch der Kommentar seltsam. Beides macht die eigene Fiktion zu Nichte, wie ein Text über guten Stil, der stets seine eigenen Regeln bricht.
Positiv hervorzuheben ist noch die Covergestaltung, die einen "Spiegel" einfügt - der nicht reflektiert. Aber soll damit jetzt nahe gelegt werden, dass der Leser ein Vampir ist? Oder soll demonstriert werden, dass selbst für ein fehlendes Spiegelbild eine ganz normale Erklärung vorhanden sein kann?
Insgesamt muss ich leider sagen: Das Vampirjäger-Handbuch kann nicht empfohlen werden; es gibt deutlich bessere Alternativen. Als echtes Handbuch zum jagen, scheitert es; ein Nachschlagewerk für Vampire ist es ebenfalls nicht. Das Buch scheint unentschieden, was es eigentlich genau will. Dieses Handbuch bietet zwar eine kleine Tour durch Vampire aller Welt, es fehlt aber an einer überzeugenden Struktur und an Tiefgang; die Fiktion, von echten Vampirjägern für Kollegen geschrieben worden zu sein, scheitert an vielen Faktoren.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
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