Darwin und die Götter der Scheibenwelt
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Die Rundwelt befindet sich in einer Glaskugel in der Unsichtbaren Universität. Sie ist von innen unendlich groß und misst von außen etwa 30 Zentimeter im Durchmesser. Zudem gibt es einige weitere Verrücktheiten in dieser Welt mit dünner Kruste auf Feuer...
Die Zauberer der Unsichtbaren Universität haben sich bereits zuvor in die Geschichte der Rundwelt eingemischt, zuletzt als sie Elfen entfernten und wieder hinzufügten, um für die nötige Kreativität zu sorgen, damit die Menschen es schaffen, die Welt vor der nächsten Eiszeit zu verlassen. Doch nun ist die Rundwelt plötzlich ein Schneeball. Es steht zu bezweifeln, dass die Menschen unter einigen Kilometern Eis noch allzu komfortabel leben.
Hex hat das Problem berechnet: Ein gewisser Charles Darwin hat das falsche Buch geschrieben, nämlich "Die Theologie der Arten". Schreiben sollen hätte er "Die Entstehung der Arten...". Zweifelsohne waren die Theologen begeistert von dieser alternativen Sicht - aber dadurch zogen die Wissenschaften den Kürzeren und damit die Menschheit. Noch viel erstaunlicher ist jedoch dass es innerhalb der unendlich vielen Alternativen der Rundwelt nicht unendlich viele Alternativen gibt, in denen Darwin das richtige Buch schreibt:
Es gibt genau eine.
Nach kurzer Debatte beschließen die Zauberer, erneut ins Universum der Rundwelt einzugreifen. Und wenn möglich vor dem Mittagessen fertig zu sein.
Das Buch erhält 7 von 10 Punkten.
Wie auch bei den beiden vorherigen Bänden der "Wissenschaft der Scheibenwelt" (Science of Discworld) wechseln sich in diesem dritten Band eine Scheibenwelt-Geschichte und wissenschaftliche Erklärungen ab. Die Geschichte stammt dabei von Terry Pratchett, die wissenschaftlichen Bereiche von Ian Setwart und Jack Cohen (nicht mit dem Barbaren verwandt).
Was für die ersten Bücher gesagt wurde, gilt auch hier: Sie sind keine leichte Lektüre. Die Gegebenheiten werden wissenschaftlich dargestellt - immer noch vereinfacht, aber einige zu starke Vereinfachungen ausräumend. "Darwin und die Götter der Scheibenwelt" ist etwa 2/3 Sachbuch und 1/3 Roman – oder vielmehr Kurzgeschichte. Ein wenig mehr Geschichte hätte durchaus gutgetan.
Ein Kritikpunkt kann daher durchaus sein, dass mit fortschreiten des Buches die wissenschaftlichen Kapitel immer mehr Platz einnehmen. Halten sich Geschichte und Erklärung zunächst die Waage, bekommt man am Ende für 6 Seiten Handlung etwa 30 Seiten Erklärung - und mehr. Auf durchgehende Spannung muss man also verzichten können. Dafür ist das Werk aber auch nicht ausgelegt.
Zum Thema. Im Zentrum steht scheinbar Darwin - und Götter. Mit etwas Nachdenken kann man daher auch schon auf die zwei wichtigsten Schlagwörter kommen: Evolution (wer hätte das gedacht?) und Kreationismus. Der Beginn steht ganz im Zeichen der Auseinandersetzung mit dieser Schein-Wissenschaftlichen MeEthode und hat spezielles Augenmerk auf die amerikanischen Ansichten des Bible-Belts - und legt dar, warum diese einfach nicht wissenschaftlich sind.
In diesem Bereich bleibt es jedoch nicht. Bald schon kommt es zur "Hose der Zeit" und es wird zur Evolution hin abgeschwenkt. Die Menschen nehmen nur einen Randplatz ein, die wesentliche Frage ist: wenn etwas anders gekommen wäre, wie wäre es dann gekommen? Ähnlich? Ganz anders? Wird mein Frühstücks-Ei plötzlich zu einem Lammkeulenfilet? Was ist mit Zeitreisen, Paradoxa und den verschiedenen, einander ersetzenden Theorien? Gelegentlich wird der Theismus-Schwerpunkt neben diesen Alternativ-Überlegungen von (unnötig dargelegten) mathematisch-physikalischen Formeln überdeckt - zeitweise so sehr, dass man denken muss, es sei mehr für Mathematik- und Physik-Interessierte denn für das scheinbare Zentralthema. Allerdings geschieht auch dies immer mit einem halben Augenzwinkern und amüsanter Erklärung, was es fast immer lesbar macht. Nebenbei: vehemente Anhänger des Creative Design und des Theismus werde sich hier nur ärgern und angegriffen fühlen. Vermutlich weil es ein Angriff auf diese Ansichten ist. Für diese wurde das Buch nicht verfasst, sondern für wissenschaftlich Interessierte. Also auch nicht für jene, die nur eine Scheibenweltgeschichte lesen wollen. Der Witz des Originaltitels ging in der Übersetzung leider verloren. Scheinbar muss man dem deutschen Publikum gegenüber mit Titeln sehr explizit sein. Allerdings war der Witz sowieso lahm.
In der Gesamtheit ist auch dieses Buch als entspannende Lektüre untauglich, weil es nicht als solche angelegt ist. Wer Pratchettsche Erzählung mit wissenenschaftlicher Erklärung des Hintergrundes wünscht und sich auch für das Thema interessiert, der ist hier gut beraten. Allerdings sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die Erzählung nicht der Mittelpunkt ist. Zudem macht selbstverständlich auch diese Erklärung abstriche an die "ganze Wahrheit". Der Grund ist jedoch klar, gut und logisch: Es sollen Nicht-Wissenschaftler angesprochen werden, keine Spezialisten. Dies ist, soweit möglich, gelungen. „Darwin“ ist jedoch kein typischer Pratchett Leseroman – dies sollte man immer im Kopf behalten. Er ist leicht schlechter als die beiden Vorgänger, aber wenn deren Art gefällt und man nicht schon zuvor wegen Komplexität zusammenbrach: lesenswert.
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Nico hat besonderes Interesse an Fantasy sowie ihrem Bezug zur Realität und anderen Texten (Intertextualität). Nico studierte Literatur in Deutschland und England. Wenn er nicht liest, läuft er oder ist im Tischtennis unterwegs.
Diese Rezension wurde zuletzt geändert am und ursprünglich veröffentlicht am .
Zitat(e) aus dem Buch
- „Man erwartet von uns, dass wir einen forschenden Geist entwickeln“, murrte jemand. „Ja, aber nicht in Hinsicht auf die Universitätspolitik!“ erwiderte Ridcully.
Diese Rezension bewerteten 9 positiv und 2 negativ. (16217 Leser bisher.)
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